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  4. Ausblick Deutschland
17. Oktober 2023
Harte und weiche Daten deuten auf eine Schrumpfung des BIP um etwa 0,3% im dritten Quartal hin. Trotz des Rückgangs der Inflation erwarten wir, dass der private Verbrauch nur allmählich aus seiner Flaute herauskommt, da das Verbrauchervertrauen nach wie vor gedämpft ist. Auch wenn der Gesamtrückgang des BIP im Verlauf der Double-Dip-Rezession (4. Quartal 22/ 1. Quartal 23 und 3. Quartal 23) wahrscheinlich weniger als 1 Prozentpunkt betragen wird, bedeutet ein erneuter Rückgang des BIP einen weiteren Schlag für das ohnehin schon angeschlagene deutsche Vertrauen. Diese negative Rückkopplungsschleife wird die Wirtschaft 2024 wahrscheinlich belasten. Vor allem strukturelle Versorgungsengpässe dürften die Wachstumschancen beeinträchtigen und die Energiewende dürfte das Potenzialwachstum in Deutschland in Richtung 0,5% abbremsen und die Inflationsrate über 2% halten. [mehr]
Ausblick Deutschland Deutschland: Eine Double - Dip - Rezession . Harte und weiche Daten deuten im 3. Quartal auf einen BIP-Rückgang von etwa 0,3% gg. Vq. hin. Auch wenn der Gesamtrückgang des BIP im Verlauf der Double-Dip-Rezession (4. Quartal 22/ 1. Quartal 23 und 3. Quartal 23) wahrscheinlich weniger als 1 Prozentpunkt be tragen wird, bedeutet ein erneuter Rückgang des BIP einen weiteren Rück schlag für das bereits angeschlagene Vertrauen der Deutschen. Diese negative Rückkopplung wird die Wirtschaft im Jahr 2024 wahrscheinlich belasten. VPI: (Kern - ) Inflation dürfte sinken, aber geopolitische Ereignisse bergen Auf wärtsrisiken. Zwar deuten unsere Modelle auf einen spürbaren Rückgang der Kerninflation bis Ende 2024 hin. Allerdings gehen vom jüngsten starken Anstieg der Rohölpreise erhebliche Aufwärtsrisiken aus. Insgesamt erwarten wir, dass die Inflation auf 6,1% (2023), 2,5% (2024) und 2,4% (2025) zurückgehen dürfte. Schwache Konjunktur kommt im Arbeitsmarkt an, 2023er Lohnrunde läuft noch . Der Beschäftigungsaufwuchs dürfte vorerst ein Plateau bilden. Arbeitsmarkt frühindikatoren signalisieren einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten. Die Arbeitslosenquote dürfte auch 2024 bei 5,6% liegen. Strukturelle Angebotsengpässe dämpfen Wachstumspotenzial und behindern Energiewende. Megatrends wie Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demo grafie sowie Anzeichen einer Deglobalisierung könnten zu strukturellen Ange botsengpässen führen. Sie dürften das Potenzialwachstum in Deutschland in Richtung 0,5% drücken und die Inflation über 2% halten. Exportindustrie stellt sich auf neue Realitäten ein . Die Exporte dürften im Jahr 2023 aufgrund der getrübten Stimmung, der geringeren Wettbewerbsfähigkeit und der schwachen Erholung in China schrumpfen. Für das Jahr 2024 erwarten wir aufgrund des mageren globalen Wachstums und der strukturellen Heraus forderungen für die deutsche Wirtschaft nur eine bescheidene Erholung. Privathaushalte suchen bessere Verzinsung - Zurückhaltung bei der Immobili enfinanzierung . Die Privathaushalte schichteten massiv Gelder von Niedrigzins produkten in besser verzinste Termineinlagen und Anleihen um, insbesondere in Sparbriefe. Die Talsohle bei der Immobilienfinanzierung könnte in Sicht sein. Rechtsruck bei den Landtagswahlen dürfte zu mehr politischem Pragmatismus auf der Bundesebene führen . Das starke Abschneiden der AfD dürfte den allge meinen politischen Diskurs (besonders in der Migrations- und Klimapolitik) wei ter beeinflussen. Geldpolitik: Eine geduldige EZB. Eine echte Rezession wird in der EWU wahr scheinlich vermieden werden, aber die Überzeugung, dass die Inflation nachhal tig zum Ziel zurückkehrt, wird sich nur langsam durchsetzen. Wir gehen weiter hin von einer längeren Pause der EZB aus. Die EZB dürfte ihre Leitzinsen im September - möglicherweise schon im Juni - senken und erst 2025 allmählich auf ein neutrales Niveau zurückführen. Autor en Stefan Schneider und Team Economic Research, Frankfurt Editor Stefan Schneider Deutsche Bank AG Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland E-Mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 www.dbresearch.de DB Research Management Stefan Schneider Inhaltsverzeichnis Seite Prognosen ................................................... 2 Deutschland: Eine Double-Dip-Rezession ... 3 VPI: (Kern-) Inflation dürfte sinken, aber geopolitische Ereignisse bergen Aufwärts- risiken ......................................................... 8 Schwache Konjunktur kommt im Arbeits markt an, 2023er Lohnrunde läuft noch ..... 12 Strukturelle Angebotsengpässe dämpfen Wachstumspotenzial und behindern Energie wende ....................................................... 14 Exportindustrie stellt sich auf neue Realitäten ein ............................................................. 20 Privathaushalte suchen bessere Verzinsung - Zurückhaltung bei der Immobilienfinanzie rung ........................................................... 24 Rechtsruck bei den Landtagswahlen dürfte zu mehr politischem Pragmatismus auf der Bundesebene führen ................................. 26 Geldpolitik: Eine geduldige EZB ................ 31 Datenkalender ........................................... 33 Finanzmarktprognosen .............................. 34 Datenmonitor ............................................. 35 Original in englischer Sprache: 13. Oktober 2023 17. Oktober 2023 Eine Double - Dip - Rezession Eine Double - Dip - Rezession 2 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Wachstum, Inflation, Leistungsbilanz, Budgetsaldo DX BIP - Wachstum Inflation* Leistungsbilanzsaldo Budgetsaldo in % gg. Vj. in % gg. Vj. in % des BIP in % des BIP 2022 2023P 2024P 2022 2023P 2024P 2022 2023P 2024P 2022 2023P 2024P Euroland 3,4 0,4 0,5 8,4 5,6 2,2 - 1,1 1,0 1,5 - 3,6 - 3,5 - 3,3 Deutschland 1,8 - 0,5 0,3 6,9 6,1 2,5 4,2 5,0 4,8 - 2,5 - 2,1 - 2,1 Frankreich 2,5 0,9 0,5 5,9 5,9 2,3 - 2,0 - 1,5 - 1,2 - 4,7 - 4,7 - 4,6 Italien 3,9 0,7 0,4 8,7 6,2 2,0 - 1,2 0,5 1,3 - 8,0 - 5,3 - 4,9 Spanien 5,8 2,3 1,2 8,3 3,5 2,6 0,6 0,8 0,8 - 4,8 - 4,2 - 3,4 Niederlande 4,3 0,2 0,2 11,6 4,6 2,4 9,3 6,3 6,3 0,0 - 2,0 - 1,7 Belgien 3,2 0,8 0,4 10,3 2,3 3,0 - 1,0 - 2,1 - 1,4 - 3,9 - 5,0 - 4,5 Österreich 4,3 - 0,2 0,2 8,6 8,0 2,2 - 0,3 1,2 1,5 - 3,2 - 3,0 - 1,8 Finnland 1,6 0,2 0,2 7,2 4,4 1,8 - 2,5 - 1,9 - 1,2 - 0,8 - 2,5 - 2,4 Griechenland 5,9 2,3 1,6 9,3 4,3 2,5 - 10,2 - 8,0 - 6,0 - 2,3 - 2,0 - 1,3 Portugal 6,8 2,2 0,9 8,1 5,6 2,2 - 1,1 1,0 0,5 - 0,4 - 0,5 - 0,5 Irland 9,5 - 0,9 2,1 8,1 5,2 1,8 10,8 10,0 9,0 1,6 1,5 1,5 Großbritannien 4,3 0,3 0,4 9,1 7,6 3,3 - 3,1 - 3,9 - 3,1 - 5,2 - 4,8 - 3,5 Dänemark 2,7 1,0 1,3 8,5 4,0 2,8 13,4 10,0 10,0 3,3 1,8 1,0 Norwegen 3,2 1,4 0,7 5,8 5,7 3,0 30,2 23,0 19,5 26,0 21,0 19,5 Schweden 2,9 - 0,5 0,7 8,1 8,5 3,0 4,8 5,0 5,0 0,7 - 0,1 - 0,4 Schweiz 2,7 0,8 1,5 2,8 2,4 1,6 9,9 7,8 7,9 - 0,4 0,2 0,2 Tschech. Rep. 2,5 0,2 2,4 15,1 11,0 3,5 - 6,1 - 1,5 - 0,8 - 3,6 - 4,3 - 2,1 Ungarn 4,6 0,4 2,9 14,5 18,1 5,9 - 8,1 - 2,8 - 1,2 - 6,2 - 4,6 - 3,5 Polen 5,3 0,5 2,8 14,3 11,7 6,3 - 2,4 - 0,5 - 0,8 - 3,7 - 5,3 - 4,9 USA 1,9 2,3 0,6 8,0 4,1 2,4 - 3,7 - 3,3 - 3,4 - 5,4 - 5,6 - 5,6 Japan 1,0 2,2 0,7 2,5 3,2 2,4 1,9 3,7 4,4 - 6,8 - 4,5 - 3,1 China 3,0 5,1 4,7 2,0 0,6 2,3 2,2 1,9 1,5 - 4,7 - 4,3 - 4,0 Welt 3,3 3,0 2,7 8,7 6,6 5,2 * Außer für Deutschland basieren die Inflationsdaten für EU - Länder auf harmonisierten Verbraucherpreisindizes. Dies kann zu Diskrepanzen zu anderen DB Publikationen führen. Quellen: Nationale Behörden, Nationale Zentralbanken, Deutsche Bank Prognosen Deutschland: BIP-Wachstum nach Komponenten, % gg.Vq., Jahresdaten % gg.Vj. 2023 2024 2021 2022 2023P 2024P Q1 Q2 Q3P Q4P Q1P Q2P Q3P Q4P BIP 3,2 1,8 - 0,5 0,3 - 0,1 0,0 - 0,3 0,0 0,1 0,4 0,4 0,4 Privater Konsum 1,5 3,9 - 0,8 1,5 - 0,3 0,0 0,1 0,3 0,2 0,7 0,4 0,1 Staatsausgaben 3,1 1,6 - 1,6 1,9 - 1,9 0,1 1,0 1,0 0,5 0,2 0,2 0,2 Anlageinvestitionen - 0,2 0,1 0,6 - 0,4 1,7 0,4 - 0,9 - 0,4 0,2 0,6 0,8 0,9 Ausrüstungen 2,8 4,0 3,8 1,2 2,1 0,6 - 0,5 0,0 1,7 2,0 1,5 1,2 Bau - 2,6 - 1,8 - 1,3 - 2,6 2,7 0,2 - 1,5 - 1,0 - 1,0 - 0,5 0,5 1,0 Lager, %-Punkte 0,9 0,7 - 0,1 - 0,2 - 0,8 0,4 - 0,2 - 0,2 - 0,1 0,0 0,0 0,0 Exporte 9,7 3,3 - 0,9 1,1 0,4 - 1,1 0,3 0,5 0,2 0,3 0,4 0,6 Importe 8,9 6,6 - 1,5 2,3 - 1,5 0,0 0,7 0,8 0,4 0,5 0,4 0,4 Nettoexport, %-Punkte 0,9 - 1,2 0,2 - 0,5 0,9 - 0,6 - 0,2 - 0,1 - 0,1 - 0,1 0,0 0,1 Konsumentenpreise (VPI)** 3,1 6,9 6,1 2,5 Arbeitslosenquote, % 5,7 5,3 5,6 5,6 Industrieproduktion*** 4,8 - 0,3 0,0 - 0,5 Budgetsaldo, % BIP - 3,6 - 2,5 - 2,1 - 2,1 Öffentlicher Schuldenstand, % BIP 69,3 66,3 64,6 65,2 Leistungsbilanzsaldo, % BIP 7,7 4,2 5,0 4,8 Leistungsbilanzsaldo, EUR Mrd. 265 115,0 205 205 *Inflationsdaten für Deutschland basieren auf nationaler Abgrenzung (VPI). Dies kann zu Diskrepanzen zu anderen DB Publikatio nen (HVPI) führen. **Verarbeitendes Gewerbe (NACE C) Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank, Arbeitsagentur, Deutsche Bank Research Eine Double - Dip - Rezession 3 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Deutschland: Eine Double - Dip - Rezession - Harte und weiche Daten deuten auf eine Schrumpfung des BIP um etwa 0,3% gg. Vq. im dritten Quartal hin. Trotz der rückläufigen Inflation glauben wir, dass der private Verbrauch nur allmählich aus seinem Trott herauskom men wird, da das Verbrauchervertrauen weiterhin gedrückt ist. - Die jüngste Aufwärtskorrektur unserer US-Prognose, die von einer kürzeren und flacheren Rezession in den USA ausgeht, wird wahrscheinlich nicht ge nügend externe Impulse liefern, um eine Aufwärtskorrektur unserer deut schen BIP-Wachstumsprognosen zu rechtfertigen. - Auch wenn der Gesamtrückgang des BIP während der Double-Dip-Rezes sion (4. Quartal 22/ 1. Quartal 23 und 3. Quartal 23) wahrscheinlich weniger als 1 Prozentpunkt betragen wird, bedeutet ein erneuter Rückgang des BIP einen weiteren Schlag für das ohnehin schon angeschlagene deutsche Ver trauen. Diese negative Rückkopplung wird die Wirtschaft im Jahr 2024 wahrscheinlich belasten. In der Ausblick Deutschland Ausgabe vom 29. Mai 2023 haben wir uns die rhe torische Frage gestellt: „Nur eine technische Rezession?" und antworteten mit „Wirklich?", um unsere Skepsis auszudrücken. Zwar hat sich der Wachstums verlust im Winterhalbjahr nach mehreren Revisionen auf 0,5 Prozentpunkte re duziert und Q1 war kaum noch negativ (-0,09%). Aber die Stagnation in Q2, die die technische Rezession - zumindest technisch gesehen - beendete, signali sierte nicht wirklich eine Wende zum Besseren. Q3: Industrie im Rückwärtsgang, Senkung der Jahresprognosen 2023/24 Im Gegenteil, im Juli und August fiel der Composite PMI unter die Boom-Bust Linie von 50. Mit einer leichten Erholung im September beendete er das dritte Quartal bei 46,4 Punkten. Das ifo Geschäftsklima sank im dritten Quartal um 5 Punkte gegenüber dem Durchschnitt des zweiten Quartals. Die Erwartungskom ponente fiel um 5 Punkte und damit in gleichem Maße wie die Einschätzung der aktuellen Lage (-4,9), was wenig Hoffnung auf eine Erholung der Wirtschaft in Q4 macht. Die harten Daten für Juli und August zeichnen ein ähnlich düsteres Bild. Die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes ging im Juli/August um 1,7% gegenüber dem Durchschnitt des zweiten Quartals zurück. Die Bauproduktion stieg um 0,1%. Aufgrund des 11,3%igen Einbruchs im Juli sind die Auftragsein gänge der Industrie im Juli/August im Vergleich zum zweiten Quartal um 3,2% gesunken, trotz der teilweisen Erholung im August (+3,9% gg. Vm.). Die In landsaufträge gingen um 4,8% zurück, wobei die Inlandsaufträge für Investiti onsgüter - ein guter Indikator für die Investitionsausgaben - um 8,8% sanken. Die Außenwirtschaft bremst mit einem Rückgang der realen Exporte um 1,7% (Juli/Aug. gegenüber Q2) ebenfalls die wirtschaftliche Entwicklung. Nach dem Rückgang der Produktion des deutschen Verarbeitenden Gewerbes um 0,6% gegenüber dem Vorquartal im zweiten Quartal dürfte die Produktion im dritten Quartal erneut gesunken sein und sich erst im vierten Quartal stabilisie ren. Daher haben wir unsere Prognose für die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes im Jahr 2023 von +1% auf Stagnation revidiert. Auf der Ebene der einzelnen Sektoren gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Die Automobilpro duktion dürfte zweistellig zulegen und sich damit teilweise von dem niedrigen Produktionsniveau der Vorjahre erholen. Die Produktion in der Elektroindustrie wird 2023 voraussichtlich um 3% zunehmen. Der Maschinenbau könnte dage gen einen Rückgang von 1% verzeichnen. Die Auftragseingänge im Maschinen Eine Double - Dip - Rezession 4 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland bau sind in den letzten Quartalen deutlich zurückgegangen. Die Inlandsproduk tion der energieintensiven Industrien wird 2023 voraussichtlich erneut schrump fen, wobei die chemische Industrie, die Papierindustrie und die Baustoffindustrie voraussichtlich zweistellige Rückgänge hinnehmen müssen. Da die Dynamik der Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe in den letzten Monaten ins gesamt schwach war, erwarten wir für 2024 keine Erholung der Inlandsproduk tion. Wir haben unsere Prognose auf -0,5% (von +0,5%) gesenkt. Privater Verbrauch: Mühsam nährt sich das Eichhörnchen Die inflationsbedingte Schwäche des privaten Verbrauchs war der dominierende Faktor für die Rezession in Q4/Q1. Der negative Wachstumsbeitrag des priva ten Verbrauchs betrug 0,7 Prozentpunkte. Auch in Q2 konnte der private Ver brauch noch keinen Beitrag zum BIP-Wachstum liefern. Eine Erholung des pri vaten Verbrauchs ist aber der Haupttreiber für die prognostizierte Konjunkturer holung. Unserer Ansicht nach dürfte der private Verbrauch erst im Laufe des Jahres 2024 die dafür notwenige Dynamik entfalten. Nach der Lohnrunde 2023, bei der es den Gewerkschaften gelang, zumindest einen teilweisen Ausgleich für die stark gestiegene Inflation auszuhandeln, la gen die Nominallöhne in den letzten Monaten bei jährlichen Raten von rund 5% im Jahresvergleich, wobei Basiseffekte für eine erhebliche Volatilität der monat lichen Zahlen sorgten. Trotz des starken Rückgangs der Inflationsrate im Sep tember auf 4,5% im Jahresvergleich (wobei das 9-Euro-Ticket und der Kraft stoffrabatt aus dem Vorjahresvergleich herausgefallen sind), lag die Inflation im dritten Quartal immer noch bei durchschnittlich 5,6%. Da die Erwerbstätigkeit insgesamt im dritten Quartal wahrscheinlich um 0,8% im Jahresvergleich gestie gen ist, dürfte das real verfügbare Einkommen im dritten Quartal positiv gewor den sein, obwohl die Sozialtransfers weniger stark gestiegen sein dürften, nach dem sie im ersten Halbjahr um 7% im Jahresvergleich zugenommen hatten. Dennoch scheinen die Verbraucher noch nicht überzeugt zu sein. Die Erholung des Verbrauchervertrauens im 2. Quartal kam im 3. Quartal zum Stillstand, wo bei die Einkommenserwartungen bei mageren -11,3 lagen und die Bereitschaft zum Sparen - wie bereits in Q2 - weiter anstieg. Dies deutet nicht auf eine starke Korrektur der Sparquote hin, die im zweiten Quartal auf 11,9% stieg (von 10,7% im ersten Quartal). Tatsächlich gingen die Einzelhandelsumsätze im Juli/Aug. gegenüber dem zweiten Quartal um 0,8% zurück. Da die Zahl der Ar beitslosen seit einiger Zeit monatlich um etwa 15.000 zunimmt und die Beschäf tigungskomponente in den Unternehmensumfragen nachlässt, werden die Ver braucher in den kommenden Monaten wahrscheinlich vorsichtig bleiben. BIP im 3. Quartal wahrscheinlich um 0,3% gesunken Die zehn Indikatoren, die wir für unsere BIP-Prognosen für das laufende Quartal verwenden, haben sich alle im dritten Quartal abgeschwächt, wobei der wö chentliche Aktivitätsindex (WAI) der Bundesbank die einzige Ausnahme darstellt und sogar einen Anstieg des BIP im dritten Quartal um 0,3% gg. Vj. impliziert. Im Gegensatz dazu ergibt der ungewichtete Durchschnitt unserer zehn BIP Regressionen (einschließlich des WAI) einen BIP-Rückgang von 0,3%, der mit unserer Prognose übereinstimmt und leicht unter dem Konsens (-0,1%) liegt. 8 10 12 14 16 18 20 22 -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Sparneigung (links) Sparquote (rechts) Index % Sparquote und Sparneigung 1 Quellen: GfK, Destatis -1 0 0 0 0 0 1 1 1 1 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 21 22 23 arithmetischer Durchschn. von 10 BIP Regressionen mit jeweils einem Frühindikator als unabhängiger Variable % gg. Vq. BIP - Wachstum und Frühindikatoren 2 Quellen: Deutsche Bundesbank, ifo, S&P Global, HCOB, ZEW, Stabu, Deutsche Bank Research BIP Eine Double - Dip - Rezession 5 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Nowcast signalisiert Abwärtsrisiken für Q3 Zur Ergänzung unserer Brückengleichungsmodelle für die kurz- und mittelfris tige BIP-Prognose verfolgen wir auch ein Nowcasting im engeren Sinne. Dieser Ansatz ermöglicht es, Informationen aus einem noch breiteren Spektrum von Daten höherer Frequenz in die Prognose des vierteljährlichen deutschen BIP einzubeziehen. Da diese monatlichen Daten - wir verwenden derzeit rund 40 Zeitreihen - zu unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlicht werden, ermöglicht das Nowcasting eine quasi kontinuierliche Aktualisierung der vierteljährlichen Pro-gnose. Allerdings leidet ein solcher Ansatz schnell unter dem Fluch der Di mensionen. Daher verwenden wir, wie es weitgehend üblich ist, ein dynami sches Faktormodell, um die Informationen zu verdichten oder die Dimension des Datensatzes erheblich zu reduzieren. Trotz aller Unsicherheiten liefert diese Methode zumindest nützliche Signale für Aufwärts- oder Abwärtsrisiken für unsere Basisprognose. Unter Berücksichti gung des bereits vollständigen Datensatzes für Q3 deutet unser Modell auf ei nen Rückgang des BIP um 0,8% gg. Vq. hin, was Abwärtsrisiken für unsere Ba sisprognose von -0,3% signalisiert. Die wahre Stärke des Nowcasting-Ansatzes zeigt sich jedoch in Quartalen mit noch unvollständigen Monatsdaten. Hier fließt die kleinteilige Veröffentlichungsreihenfolge der neuen Informationen in die Prognose ein. Auf der Grundlage der bisher verfügbaren Daten für Q4 - haupt sächlich Stimmungsindikatoren - ergibt unser Nowcast-Modell ein leichtes BIP Wachstum von 0,1% im Q4, was unserer offiziellen Prognose entspricht. Für Q1 2024 liegt die Modellprognose (0,2% gg. Vq.) leicht über unserer offiziellen Prognose (0,1%). Q4 zurück zur Stagnation (vielleicht) Die Details der Konjunkturumfragen geben wenig Anlass zu Optimismus für das vierte Quartal, da die zukunftsgerichteten Komponenten wie die Exporterwartun gen (ifo), das Neugeschäft und die zukünftige Aktivität (PMI) zu den schwächs ten Elementen der Umfragen gehören. Die größte Hoffnung ist eine Verbesserung des privaten Konsums (siehe oben). Die GfK-Prognose für das Verbrauchervertrauen im Oktober zeigt jedoch einen weiteren Rückgang. Die Geschäftserwartungen des Einzelhandels (ifo) haben sich im August/September leicht nach oben verschoben, aber in den letzten zwölf Monaten wurden die steigenden Erwartungen nicht durch einen Anstieg der tatsächlichen Einzelhandelsumsätze bestätigt. Daher überwiegen wahr scheinlich die Abwärtsrisiken für unsere Prognose einer Stagnation des BIP im vierten Quartal, insbesondere wenn die jüngsten Angriffe auf Israel zu einer weitreichenderen politischen Destabilisierung im Nahen Osten führen. Schwieriges internationales Umfeld Die Reisetätigkeit während der Goldenen Woche in China deutet darauf hin, dass die Erholung bei den Verbraucherdienstleistungen auf Kurs ist. Dies stützt die Ansicht unserer Kollegen, dass die Wirtschaft die Talsohle durchschritten hat und sich im 4. Quartal etwas verbessern könnte (BIP-Prognose von 5,0% gg. Vorjahr nach 4,6% im 3. Quartal). Dennoch haben die chinesischen Ein kaufsmanagerindizes - auch wenn sie sich stabilisieren - noch keine deutliche Verbesserung signalisiert, was wahrscheinlich auch auf die anhaltenden Schwierigkeiten im Immobiliensektor zurückzuführen ist. Unsere Kollegen gehen daher weiterhin davon aus, dass sich das jährliche BIP-Wachstum auf 4,7% im Jahr 2024 abschwächen wird, nach 5,1% im laufenden Jahr. -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 Historie Modelllösung Basisprognose Nowcast % gg. Vq. Nowcast signalisiert Abwärtsrisiken für Q3, Winter 23/24 im Einklang mit Baseline 3 Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research 90 95 100 105 110 115 120 125 130 1200 1250 1300 1350 1400 1450 19 20 21 22 23 Realisierter Stromverbrauch Lkw-Maut-Fahrleistungsindex (rechts) GWh (sb.), 1M - Durchschn. Index (sb.) Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesnetzagentur, Deutsche Bank Research Deutsche Echtzeitdaten deuten auf schwache Aktivität in Q3 hin 4 110 112 114 116 118 120 122 124 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 21 22 23 ifo Geschäftserwartungen (Einzelhandel ohne Autos) Reale Einzelhandelsumsätze (rechts) Index Index Erwartungen der Einzelhändler & Umsätze 5 Quellen: ifo, Destatis Eine Double - Dip - Rezession 6 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Im Gegensatz dazu trotzt die US-Wirtschaft weiterhin der Schwerkraft, die von dem Anstieg der Fed Funds mit 5,375% ausgeht. Der Arbeitsmarkt und der Kon sum laufen nach wie vor gut, was unsere US-Kollegen dazu veranlasste, ihre BIP-Prognose für das dritte Quartal (erneut) auf 4,1% (gg. Vq., annualisierte Rate) anzuheben. Außerdem haben sie den Beginn der erwarteten Rezession von Q4 2023 auf Q1 2024 verschoben und gehen davon aus, dass sie das Wachstum in den ersten beiden Quartalen 2024 nur um etwa 1 Prozentpunkt schmälern wird. Infolgedessen wird nun erwartet, dass sich das jährliche BIP Wachstum im Jahr 2024 „nur" auf 0,6% verlangsamen wird, während zuvor ein Wachstum von 0% vorhergesagt wurde. Geringere Rezessionserwartung in den USA reicht nicht aus, um eine Aufwärtskorrektur der deutschen BIP - Prognose auszulösen Unter den größeren EWU-Volkswirtschaften weist Deutschland die bei Weitem höchste Korrelation mit der US-Wirtschaft auf. Als Faustregel gilt, dass 1 Pro zentpunkt höheres US-Wachstum nach 4 Quartalen etwa ½% höheres deut sches Wachstum bedeutet. Obwohl die neue US-Prognose eine deutliche Ver besserung gegenüber unserer vorherigen Prognose darstellt, erwarten wir im mer noch, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession eintreten wird. Wenn sie wie vorhergesagt im ersten Quartal 2024 beginnt, dürfte sie zunächst für erheb liche Unsicherheit über Ausmaß und Dauer sorgen und das Vertrauen belasten, zumal die historischen Zusammenhänge anscheinend weniger zuverlässig ge worden sind. Angesichts des derzeit stärkeren US-Wachstums und der klaren Absicht der Fed, die Zinssätze länger hoch zu halten, haben wir auch unseren Fed-Call angepasst und erwarten nun geringere Zinssenkungen als zuvor (175 Bp. gegenüber 275 Bp.), die wohl nicht vor Juli starten werden. Dies veranlasste unsere FX-Strategen, ihre EUR/USD-Prognose leicht zu senken, und zwar auf 1,07 bis Ende 23 (von 1,10) und eine Aufwertung auf 1,20 (von 1,25) bis Ende 2024. Dennoch deuten die historischen Elastizitäten darauf hin, dass beide Prognoseänderungen wahrscheinlich zu gering sind, um die deutsche BIP Prognose spürbar zu beeinflussen. In Anbetracht der schlechteren aktuellen Einschätzung sind wir nicht davon überzeugt, dass dies eine Aufwärtskorrektur unserer deutschen BIP-Prognose von -0,5% für dieses und +0,3% für nächstes Jahr rechtfertigt, sondern betrachten die US-Korrektur eher als ein bescheide nes Aufwärtsrisiko für unsere Prognose für 2024. Double - Dip - Rezession Nach der technischen Rezession dürfte Deutschland gerade eine Double-Dip Rezession erleben. Zwar wird der Gesamtrückgang höchstwahrscheinlich weni ger als 1 Prozentpunkt betragen. Aber der erneute Rückschlag würde den ge genwärtigen Konjunkturpessimismus und die allgemeine Sorge um die Wettbe werbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft noch verstärken. Darüber hinaus erwarten wir keine weiteren Wachstumsimpulse von der Finanz politik, die 2024 restriktiv zu werden scheint. Vor diesem Hintergrund erwarten wir einen Rückgang des strukturellen Primärdefizits auf 0,1% des BIP (von 0,5% für 2023). Höhere Zinszahlungen und eine Ausweitung des konjunkturellen Defi zits bedeuten jedoch, dass das Gesamtdefizit im Jahr 2024 weitgehend unver ändert bei 2,1% des BIP liegen könnte. Die jüngsten Verluste der Berliner Koalitionspartner bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern sind ein weiterer Hinweis auf die weit verbreitete Unzufrie denheit im Land. Der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sagte einmal, dass 50% des Konjunkturzyklus von der Psychologie bestimmt werden. In Kombination mit den Verfügbarkeits- und Bestätigungsfehlern, die in 40 45 50 55 60 65 70 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 22 23 Produktionserwartungen nächste 3 Monate Exporterwartungen PMI Comp Future Output (rechts) PMI Comp New Orders (rechts) Saldo Index Verschiedene Umfrageindikatoren: Vorausschauende Komponenten 6 Quellen: ifo, S&P Global, HCOB 75 80 85 90 95 100 105 110 30 35 40 45 50 55 60 65 05 07 09 11 13 15 17 19 21 23 US_ISM ifo (rechts) Index Index US - und deutscher Konjunkturzyklus: Hochgradig korreliert 7 Quellen: ifo, Deutsche Bank Research Eine Double - Dip - Rezession 7 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland der Verhaltensökonomie eine wichtige Rolle spielen, wird diese negative Rück kopplungsschleife, die die Stimmung drückt, jede Erholung im Jahr 2024 zu ei nem schwierigen Unterfangen machen. Stefan Schneider (+49 69 910-31790, stefan-b.schneider@db.com) Eine Double - Dip - Rezession 8 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland VPI: (Kern - ) Inflation dürfte sinken , aber geopoliti sche Ereignisse bergen Aufwärtsrisiken - Im September ging die deutsche VPI-Rate deutlich zurück, auf „nur" 4,5% (von 6,1%). Dies war der niedrigste Stand seit Februar 2022, als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann. Trotzdem ist die Inflations gefahr noch nicht gebannt. Der Weg zu dauerhaft niedrigeren Inflationsraten in der Größenordnung von 2% könnte schwieriger werden und der Prozess der Inflationsnormalisierung könnte eine ganze Weile dauern. - Obwohl wir davon ausgehen, dass die Gesamtinflationsrate weiter sinken wird, stellen der jüngste starke Anstieg der Rohölpreise und die aktuellen geopolitischen Ereignisse erhebliche Aufwärtsrisiken dar. Darüber hinaus könnte die hartnäckig hohe Dienstleistungspreisinflation den Weg zu „nor maleren" Inflationsraten verlangsamen/begrenzen. - Nach der Abwärtsüberraschung im September erwarten wir nunmehr, dass die Kerninflationsrate bis zum Jahresende auf etwa 4% fallen könnte. In An betracht des jüngsten Ölpreisanstiegs - und der vorübergehenden (inflati onserhöhenden) Basiseffekte, die sich aus der einmaligen staatlichen Über nahme der Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme im Dezember 2022 ergeben - gehen wir jedoch davon aus, dass die Gesamtinflation im Dezember bei etwa 4,3% liegen wird. Auch dank großer Basiseffekte bei Haushaltsenergie und Lebensmitteln könnte die Gesamtinflationsrate bis Dezember 2024 in Richtung 2% fallen, während die Kerninflation auf etwa 3% sinken könnte. - Zur Überprüfung unserer Einschätzung projizieren wir die Entwicklung der vierteljährlichen VPI-Kerninflationsrate anhand von mehreren ökonometri schen Modellen. Im Einklang mit unseren Erwartungen deuten die Modeller gebnisse darauf hin, dass die Kerninflation tatsächlich bis Ende 2024 spür bar zurückgehen könnte - vielleicht sogar stärker als wir derzeit annehmen. Dennoch ist die Bandbreite der Modellprojektionen bis zum 4. Quartal 2024 relativ groß. Inflation ist im September dank großer Basiseffekte auf „nur" noch 4,5% gesunken Im September ging die deutsche VPI-Rate (gemäß des Verbraucherpreisindex; nationale Definition) im Jahresvergleich deutlich auf „nur" 4,5% (von 6,1%) zu 80 100 120 140 160 180 19 20 21 22 23 Verbraucherpreisindex (VPI) Erzeugerpreisindex Erzeugerpreisindex für landwirtschaftliche Produkte Importpreisindex Großhandelspreisindex Index Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Die Preise auf den vorgelagerten Stufen sind zurückgegangen 1 -4 -2 0 2 4 6 8 10 19 20 21 22 23 Kernrate Tatsächliche Wohnungsmieten Dienstleistungen ohne Wohnungsmieten Gebrauchsgüter mit mittlerer Lebensdauer Langlebige Gebrauchsgüter Die Kerninflation gab im September stärker als erwartet nach 2 Kernrate und deren Unterkomponenten (gemäß nationalem Verbraucherpreisindex), % gg. Vj. Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Eine Double - Dip - Rezession 9 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland rück. Dies war der niedrigste Stand seit Februar 2022, als Russland seinen An griffskrieg gegen die Ukraine begann. Dennoch kam der starke Rückgang im September nicht überraschend, da er aufgrund des Auslaufens von zwei großen Basiseffekten - die im Zusammenhang mit dem Tankrabatt und dem 9-Euro-Ti cket aus dem Sommer 2022 standen (geschätzter Senkungseffekt von bis zu ¾ Prozentpunkten) - allgemein erwartet wurde. Ermutigend ist jedoch, dass die Kerninflation stärker als erwartet auf jetzt „nur" noch 4,6% zurückging (DB Erwartung: 4,8%), was daran gelegen hatte, dass sich der Preisanstieg gegen über dem Vormonat auf nur +0,18% (saisonbereinigt) verlangsamte (verglichen mit einer durchschnittlichen monatlichen Preissteigerungsrate von noch +0,36% zwischen Januar und August). Desinflationäre Kräfte bei den Kerngütern nehmen an Fahrt auf Die Abwärtsüberraschung bei der monatlichen Kerninflationsdynamik war je doch ausschließlich das Ergebnis von rückläufigen Kerngüterpreisen (Waren ohne Energie und Nahrungsmittel) (-0,17% gg. Vm.) (z. Vgl. Durchschnitt zwi schen Januar und August: +0,4% gg. Vm.). Dennoch deutet die ausgeprägte Abkühlung bei den Kerngüterpreisen darauf hin, dass die auf den Vorstufen wir kenden desinflationären Kräfte schon bald auch in größerem Maße bei den Ver brauchern ankommen dürften. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewie sen, dass die deutschen Erzeuger- und Einfuhrpreisindizes bereits um 14,6% bzw. 16,4% gegenüber ihren Höchstständen gefallen sind. Außerdem lag der Saldo der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe, die in den nächsten drei Monaten höherer Verkaufspreise erwarten, laut einer Umfrage des ifo-Instituts im September bei nur noch 4,6% (im Vergleich zu mehr als 70% im April 2022). Anders sieht es hingegen bei den Dienstleistungspreisen aus. Dort fiel der mo natliche Preisauftrieb auch im September kräftig aus. Während die Dienstleis tungspreise insgesamt um +0,27% gg. Vm. (saisonbereinigt) kletterten, stiegen die Preise für die Kerndienstleistungen - die Dienstleistungen ohne die gewich tigen Wohnungsmieten - sogar mit einer noch höheren Rate an (+0,44% gg. Vm.). Zum Vergleich: Im Vorkrisen-Durchschnitt (2016-19) lag der monatliche Preisauftrieb jeweils bei lediglich +0,12%. Angesichts des hohen zugrunde lie genden Lohndrucks zeigen auch die Verkaufspreiserwartungen im Dienstleis tungssektor weiterhin nach oben: Per Saldo will noch immer jedes vierte Dienst leistungsunternehmen die Verkaufspreise in den kommenden Monaten anhe ben. Unserer Einschätzung nach dürfte der nunmehr vor uns liegende Weg zu einer dauerhaft niedrigeren Inflation in der Größenordnung von 2% schwieriger wer den. Ebenso könnte der Inflationsnormalisierungsprozess eine ganze Weile dauern. Obwohl wir davon ausgehen, dass die Gesamtinflationsrate im restli chen Jahresverlauf 2023 sowie im Jahr 2024 weiter sinken wird (Stichworte: Auslaufen des Energiepreisschocks, Beruhigung bei der Lebensmittelpreisdyna mik, Entspannung bei den Angebotsengpässen, Rückgang des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen), stellen der jüngste starke Anstieg der Rohölpreise und die aktuellen geopolitischen Ereignisse erhebliche Aufwärtsrisiken dar. Dar über hinaus könnte die hartnäckig hohe - und relativ lohnabhängige - Dienst leistungspreisinflation den von uns projizierten Abwärtspfad zu „normaleren" In flationsraten verlangsamen/begrenzen. Was legen unsere Modelle mit Blick auf die künftige (Kern - )Inflati onsentwicklung nahe ? Zur Überprüfung unserer Einschätzung projizieren wir die Entwicklung der vier teljährlichen VPI-Kerninflationsrate anhand von mehreren ökonometrischen Mo dellen bis zum Jahresende 2024. Dabei verwenden wir auf der einen Seite uni variate Zeitreihenmodelle - wie AR- (autoregressive), MA- (gleitender Durch schnitt) und ARMA-Modelle (autoregressiver gleitender Durchschnitt) - und „Machine-Learning"-Modelle (Ridge-, Lasso- und Elastic-Net-Regressionen) auf -20 -10 0 10 20 30 40 50 19 20 21 22 23 Verbraucherpreisindex (VPI) Erzeugerpreisindex Erzeugerpreisindex für landwirtschaftliche Produkte Importpreisindex Großhandelspreisindex % gg. Vj. Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Im Vorjahresvergleich fallen derzeit die Preise auf den vorgelagerten Stufen 3 -1 0 1 2 3 4 5 6 20 21 22 23 24 Actual AR MA ARMA Ridge Lasso E-Net % gg. Vj. (auf Basis von Quartalsdaten) Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Unsere ökonometrischen Modelle deuten auf einen spürbaren Rückgang der Kerninflation bis Ende 2024 hin 4 Eine Double - Dip - Rezession 10 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland der anderen Seite. Während die erste Modellklasse nur historische Informatio nen zu unserer Zielvariablen (also der Kerninflation) verwendet, nutzt die zweite Gruppe von „Machine-Learning"-Modellen explizit erklärende Variablen, um den zukünftigen Verlauf der Kerninflation zu projizieren. Zu den erklärenden Variab len, die wir auf der Grundlage wirtschaftstheoretischer Erwägungen in Betracht ziehen, gehören u.a. a) Energie-/Nicht-Energie-Rohstoffpreisindikatoren, b) Er zeuger-, Import- und Großhandelspreisindizes, c) Lohn- und Arbeitsmarktvariab len, d) Daten zu den Verkaufspreiserwartungen der Unternehmen (ifo-Umfrage), e) Faktoren, die die Industrieproduktion begrenzen (Daten der EU-KOM Industrieumfrage), und f) Staatsanleiherenditen (10-jährige Bundesanleihen) und Geldmengenaggregate (M1 und M3 für die Eurozone). Die gesamten Mo dellberechnungen fußen auf einem gleitenden 10-Jahres-Datenfenster und ei ner standardisierten Lag-Struktur von drei Quartalen. Im Einklang mit unseren Erwartungen legen die ökonometrischen Modellergeb nisse nahe, dass die Kerninflation tatsächlich bis Ende 2024 spürbar zurückge hen könnte. Allerdings ist die Bandbreite der Modellprognosen recht groß: Wäh rend die „Machine-Learning"-Modelle auf eine Kerninflationsrate im vierten Quartal 2024 zwischen 1,6% und 2,1% hindeuten (Preisveränderung im Vorjah resvergleich), gibt es bei den univariaten Zeitreihenmodellen eine Prognose Spanne zwischen 1,3% und 3,1%. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Kerninflation bis Ende 2024 spürbar zurückgehen könnte - möglicher weise sogar stärker, als wir derzeit annehmen. Wir möchten jedoch betonen, dass unsere ökonometrischen Modelle lediglich auf historischen Daten beruhen. Dies bedeutet, dass zum Beispiel der starke Lohnanstieg, den wir für den Rest des Jahres 2023 und das gesamte Jahr 2024 erwarten, nicht explizit in unseren Modellprojektionen abgegriffen wird. Dies könnte dazu führen, dass die Persis tenz der lohnabhängigen Dienstleistungspreisinflation in unseren Modellen mög licherweise unterschätzt wird. Schlussfolgerung Nach der Abwärtsüberraschung im September - die ausschließlich eine Folge fallender Kerngüterpreise war - erwarten wir nunmehr, dass die Kerninflations rate bis zum Jahresende auf etwa 4% fallen könnte. In Anbetracht des jüngsten Ölpreisanstiegs - und der vorübergehenden (inflationserhöhenden) Basisef fekte, die sich aus der einmaligen staatlichen Übernahme der Abschlagszahlun gen für Gas und Fernwärme im Dezember 2022 ergeben -, gehen wir jedoch davon aus, dass die Gesamtinflation im Dezember bei etwa 4,3% liegen wird. Auch dank großer Basiseffekte bei Haushaltsenergie und Lebensmitteln könnte die Gesamtinflationsrate bis Dezember 2024 in Richtung 2% fallen. Gleichzeitig könnte sich die Kerninflation auf ein Niveau von rund 3% abschwächen. Im Jah resdurchschnitt dürfte die Gesamtinflationsrate im Jahr 2023 auf 6,1%, im Jahr -2 0 2 4 6 8 10 22 23 24 VPI: Kraftstoffe VPI: Haushaltsenergie VPI: Nahrungsmittel VPI: Kernrate (ohne Energie/Nahrungsmittel) VPI % gg. Vj. bzw. Wachstumsbeiträge in Pp. Haushaltsenergie könnte die Gesamt - inflationsrate (VPI) 2024 dämpfen 5 Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research -2 0 2 4 6 8 06 08 10 12 14 16 18 20 22 24 Kerninflation Energie Nahrungsmittel Inflation % gg. Vj. bzw. Wachstumsbeiträge in Pp. Die VPI - Inflationsrate dürfte 2023/24 spürbar sinken 6 Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research -2 0 2 4 6 8 10 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Gesamtrate Kernrate Die Kerninflation könnte sich als recht hartnäckig erweisen 7 Verbraucherpreisindex (VPI), % gg. Vj. Quellen: WEFA, Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Eine Double - Dip - Rezession 11 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland 2024 auf 2,5% und im Jahr 2025 auf 2,4% sinken. Gleichzeitig dürfte die Kernin flation durchschnittlich 5,2% (2023), 3,4% (2024) bzw. 2,7% (2025) betragen. Sebastian Becker (+49 69 910-21548, sebastian-b.becker@db.com) Wir danken Niklas Humann für seinen umfassenden Beitrag bei der Erstellung unserer ökonometrischen Inflationsprognosemodelle. Eine Double - Dip - Rezession 12 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Schwache Konjunktur kommt im Arbeitsmarkt an, 2023er Lohnrunde läuft noch - Der Beschäftigungsaufwuchs könnte vorerst ein Plateau erreicht haben. Ar beitsmarktfrühindikatoren signalisieren einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten. Auch wenn die Quartalswachstumsraten des BIP in 2024 wahrscheinlich über der Potenzialrate liegen werden, dürfte die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote bei 5,6% verharren. - Update Lohnrunde 2023. Demnächst stehen die Tarifverhandlungen im Öf fentlichen Dienst der Länder (o. Hessen) an. Im Groß- und Außenhandel so wie Einzelhandel konnte immer noch keine Einigung erzielt werden. Trotz des strukturellen Fachkräftemangels sind die Folgen der lahmenden Ge samtwirtschaft nun schon seit einigen Monaten auch am deutschen Arbeits markt (zyklisch nachlaufender Indikator) sichtbar. Aufgrund der bisherigen Ar beitsmarktentwicklung erwarten wir in 2023 eine jahresdurchschnittliche Arbeits losenquote von 5,6% (2022: 5,3%). Infolge des Basiseffekts und eines voraus sichtlich nur recht schwachen Wirtschaftswachstums im Jahr 2024 dürfte sie auch im nächsten Jahr auf diesem Niveau verharren. Der prozyklische Rückgang der Arbeitsproduktivität in H1 deutet auf ein verbrei tetes Horten von Arbeitskräften hin, ähnlich wie in früheren Perioden schwachen BIP-Wachstums. Daher würden selbst die von uns für das Jahr 2024 erwarte ten, über der Potenzialrate liegenden, Quartalswachstumsraten des BIP wahr scheinlich nicht zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote führen. Unabhängig vom Sondereffekt der Registrierung ukrainischer Flüchtlinge ist die saisonbereinigte (sb.) Arbeitslosenzahl von Februar bis September um rund 103.000 Personen angestiegen (128.000 insgesamt). Die entsprechende Ar beitslosenquote stagniert seit Juni bei 5,7% (ILO Aug: 3%). Auch die Zahl der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten offenen Stellen hat seit Jahresbeginn kontinuierlich abgenommen, auf zuletzt 731.000 im September (Jahresverlauf: -78.000). Für die kommenden Monate lassen die Arbeitsmarkt frühindikatoren von IAB und ifo-Institut noch weitere Zuwächse der Arbeitslosig keit um monatlich etwa 10.000 Personen (sb.) erwarten. Von einer Herbstbelebung ist bislang wenig zu spüren. Zwar ist die unbereinigte Arbeitslosenzahl im September - wie saisonal üblich - gesunken (-69.000 gg. Vj.), aber weniger kräftig als im Durchschnitt der drei Jahre vor der Corona-Pan demie (-92.000). Spiegelbildlich dürften auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (Jul (sb.): 34,79 Mio.) wie auch die Erwerbstätigkeit insgesamt (Aug: 45,98 Mio.) zunächst mehr oder weniger auf ihren aktuellen Höchststän den verharren. Bemerkenswert ist, dass die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Be schäftigung seit Anfang 2023 im Vergleich zum Vorjahr bisher nur von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit getragen wird (Jul: +325.468 vs. Deut sche: -86.267). Lohnverhandlungen dürften angespannt bleiben Die Entwicklung der deutschen Löhne in den Jahren 2023 und 2024 wird stark durch die Abfolge von kräftigen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichs zahlungen (max. 3.000 EUR in Summe 2023/24) und später einsetzenden dau erhaft wirksamen prozentualen Lohnerhöhungen beeinflusst. 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 16 17 18 19 20 21 22 23 Offene Stellen (links) Arbeitslosenquote (rechts) '000 % Schwache Konjunktur hinterlässt Spuren am deutschen Arbeitsmarkt 1 Quelle: Bundesagentur für Arbeit -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 18 19 20 21 22 23 IAB-Arbeitsmarktbarometer (A: Arbeitslosigkeit) ifo-Beschäftigungsbarometer PMI Composite Beschäftigungskomponente Standardisierte Werte Quellen: ifo, IAB, S&P Global, HCOB, Deutsche Bank Arbeitsmarktfrühindikatoren 2 -300 -200 -100 - 100 200 300 400 500 16 17 18 19 20 21 22 23 Nichtdeutsche Deutsche Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nach Staatsangehörigkeit 3 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bank Research Veränderung gg. Vj. in Tsd. Eine Double - Dip - Rezession 13 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Zum Teil stark verzögerte Tarifabschlüsse in großen Beschäftigtengruppen wer den sich ebenfalls auf die aggregierte Lohnentwicklung auswirken. Die Ver handlungen im Groß-, Außen- und Einzelhandel (insgesamt 3,8 Mio. Beschäf tigte) ziehen sich seit dem ersten Halbjahr hin und gehen nun im vierten Quartal teilweise in die sechste Runde. Infolge der Inflationsausgleichsprämien, die auch außerhalb der regulären Tarif verträge gezahlt werden, könnten die Effektivlöhne im Jahr 2023 um gut 5,5% steigen, die Tariflöhne dagegen nur um 4,5%. Im Jahr 2024 dürfte sich dies um kehren: Die Tariflöhne dürften um rund 5,5% zulegen, während die Effektivlöhne um knapp 5% steigen könnten. Der Abschluss auf Bundesebene beinhaltet einen steuer- und abgabenfreien In flationsausgleich in Höhe von EUR 3.000 (brutto = netto). Die Zahlung begann im Juni 2023 mit einem Betrag von EUR 1.240. In den Monaten Juli bis ein schließlich Februar 2024 folgen monatliche Zahlungen von jeweils EUR 220. Ab März 2024 werden die Einkommen der Angestellten dauerhaft um einen tabel lenwirksamen Sockelbetrag von EUR 200 angehoben und steigen dann um 5,5%. Die Laufzeit beträgt 24 Monate, bis zum 31. Dezember 2024. Marc Schattenberg (+49 69 910-31875, marc.schattenberg@db.com) Tarifverhandlungen in ausgewählten* Branchen 5 Tarifbereich Kündigungstermin Beschäftigte Einzelhandel laufend 2.623.200 Groß- und Außenhandel laufend 1.175.000 Öffentlicher Dienst der Länder (o. Hes sen) Beginn 26. Okt. 2023 939.000 Holz- und Kunststoffverarbeitende In dustrie 30. Nov. 23 178.900 Druckindustrie 29. Feb. 24 124.800 Bauhauptgewerbe 31. Mrz. 24 633.100 Hotel- und Gaststättengewerbe (Bayern) 31. Mrz. 24 142.300 Zeitarbeit (BAP, iGZ) 31. Mrz. 24 735.000 Chemische Industrie 30. Jun. 24 578.500 Metall- und Elektroindustrie 30. Sep. 24 3.639.000 Volkswagen AG 30. Nov. 24 100.100 Gebäudereinigerhandwerk 31. Dez. 24 487.100 Öffentlicher Dienst (Bund und Gemein den) 31. Dez. 24 2.385.200 Deutsche Post AG 31. Dez. 24 160.000 Versicherungsgewerbe 31. Mrz. 25 169.900 Deutsche Bahn AG 31. Mrz. 25 180.000 *Verhandlungen für mehr als 100.000 tariflich gebundene Beschäftigte, Termine 2024 und 2025 vorläufig Quellen: WSI-Tarifarchiv, Deutsche Bank Research -12 -7 -2 3 8 13 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 BIP Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen % gg. Vj. Quellen: Eurostat, Deutsche Bank Research Reales BIP und Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen 4 Eine Double - Dip - Rezession 14 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Strukturelle Angebotsengpässe dämpfen Wachs tumspotenzial und behindern Energiewende Dies ist eine Kurzfassung unseres Deutschland-Monitor: Strukturelle Angebots engpässe: Hemmschuh für Wachstum und Energiewende, veröffentlicht am 18. September 2023. - Die globalen industriellen Wertschöpfungsketten werden seit einigen Jahren durch externe Schocks gestört, die zu Versorgungsengpässen und höheren Preisen für Rohstoffe, Zwischen- und Fertigprodukte führen. Diese Un gleichgewichte haben sich in den letzten Monaten zwar allmählich abge schwächt, was auf die wirtschaftliche Abkühlung in vielen Ländern und eine Stabilisierung der Transport- und Logistikdienstleistungen sowie der Liefer ketten insgesamt zurückzuführen ist. - Dennoch könnten Megatrends wie Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie sowie Anzeichen einer Deglobalisierung in den 2020er Jahren und darüber hinaus zu strukturellen Angebotsengpässen führen. Diese dürf ten dazu beitragen, dass das Potenzialwachstum in Deutschland in den kommenden Jahren näher an der 0,5%-Marke als an der 1%-Marke und die Inflationsrate eher über als unter dem 2%-Ziel liegen wird. - Externe Schocks wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine haben in den letzten Jahren zu Unterbrechungen der Lieferketten und zu Materialengpässen in historischem Ausmaß geführt. Die Schocks waren weltweit und in vielen Sektoren gleichzeitig zu spüren und sind bis heute nicht vollständig abgeklungen. Während die negativen Auswirkungen dieser Schocks auf die Lieferketten allmählich nachlassen, könnten die Me gatrends Dekarbonisierung (Klimaschutz), Digitalisierung und Demografie sowie Trends zur Deglobalisierung in den 2020er Jahren (und darüber hin aus) zu strukturellen Angebotsengpässen führen. Sie werden wahrschein lich mit relativen Wachstumseinbußen und höheren Preisen einhergehen. Megatrends werden wahrscheinlich zu strukturellen Angebotseng pässen führen Dekarbonisierung: Um den Klimawandel einzudämmen, verfolgen viele Indus trieländer das Ziel, bis zur Mitte dieses Jahrhunderts aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Diese Entwicklung soll durch verschiedene klima- und energiepolitische Instrumente erreicht werden. Dazu gehören die Beprei sung von CO 2 (über Steuern oder den Emissionshandel) oder das Ordnungs recht (z.B. Verbote bestimmter Technologien, Gebote, Quoten). Eine solche Po litik dürfte - unter sonst gleichen Bedingungen - zu einer Verringerung des Energieangebots und zu höheren Preisen für fossile Energieträger führen. Da private Haushalte und Unternehmen in vielen Fällen nicht kurzfristig von fossilen Energieträgern auf CO 2 -ärmere oder CO 2 -freie Technologien umsteigen kön nen, werden sie für eine Übergangszeit höhere Energiekosten tragen oder weni ger Energie verbrauchen müssen. Zugleich investieren nicht nur die Industrie länder, sondern auch die Entwicklungs- und Schwellenländer verstärkt in den Ausbau der erneuerbaren Energien und anderer klimafreundlicher Technolo gien. In der Folge wird die weltweite Nachfrage nach metallischen und anderen Rohstoffen steigen, die für solche klimafreundlichen Technologien benötigt wer den. Die höhere Nachfrage dürfte dabei kurz- bis mittelfristig oft auf ein eher starres Angebot treffen, da die Erschließung neuer Minen Zeit braucht und viele ertragreiche Rohstoffvorkommen bereits erschlossen sind. Darüber hinaus dürf ten strengere ESG-Anforderungen (Arbeitsschutzmaßnahmen, Energiever 0 100 200 300 400 500 00 04 08 12 16 20 Rohstoffpreise im langfristigen Vergleich auf hohem Niveau 1 HWWI - Rohstoffpreisindex für die Eurozone (Euro - Basis), 2000=100 Quelle: HWWI 0 10 20 30 40 50 60 70 80 91 95 99 03 07 11 15 19 23 Quelle: ifo Entspannung bei Materialknappheit dürfte sich fortsetzen 2 Index* für Knappheit von Vorprodukten im Verarb. Gew., DE, Anteil der Nennungen, % * Quartalswerte. Q3 2023 = Juli - August 0 2 4 6 8 10 12 14 16 2010 2020 2030 2040 Stetiger Ausbau von erneuerbaren Energien 3 Installierte Kapazität an erneuerbaren Energien im globalen Stromsektor*, Terawatt * Announced Pledges Scenario 2022 Quelle: IEA Eine Double - Dip - Rezession 15 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland brauch, Umweltschutz usw.) zu höheren Kosten führen. Ein weiteres Risiko be steht darin, dass die Vorkommen solcher Rohstoffe oder Industrieanlagen zur Weiterverarbeitung von Erzen oft regional konzentriert sind. China ist weltweit führend in der ersten Verarbeitungsstufe von Metallen. Digitalisierung: Die Digitalisierung ist der zweite technologische Megatrend un serer Zeit. Die meisten Länder der Welt wollen die Leistungsfähigkeit ihrer digi talen Infrastruktur ausbauen. Privathaushalte fragen mehr digitale Dienste nach, von Streaming über digitales Arbeiten von zu Hause bis hin zu Smart Homes. Unternehmen nutzen Online-Konferenzen und entwickeln ständig neue digitale Technologien für private Endkunden oder kommerzielle Anwendungen. Dies er fordert fortlaufende Investitionen in die notwendige Hardware (Rechenzentren, Netzwerke, Router usw.). Die steigende Nachfrage nach mobilen Endgeräten geht einher mit einem erhöhten Bedarf an Batterierohstoffen. Demografie: Die demografische Entwicklung wird in vielen Ländern wahrschein lich zu einem Mangel an Arbeitskräften führen. Das Statistische Bundesamt hat in seiner 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung von Ende 2022 er rechnet, dass bis 2035 rd. 4 Mio. Menschen mehr in Deutschland leben werden, die 67 Jahre oder älter sind. Gleichzeitig wird die Zahl der Menschen im er werbsfähigen Alter bis dahin je nach Nettozuwanderung um 1,6 bis 4,8 Mio. schrumpfen. Das sinkende Erwerbspersonenpotenzial bedeutet eine große Her ausforderung für den Arbeitsmarkt, die nicht allein durch mehr Automatisierung, den Einsatz von künstlicher Intelligenz oder eine höhere Erwerbsbeteiligung zu bewältigen sein wird. Der Fachkräftemangel wird in vielen Branchen zunehmen. Auch andere EU-Länder sehen sich mit einer schrumpfenden Erwerbsbevölke rung konfrontiert. Zudem werden sich in China in den kommenden Jahren die demografischen Strukturen verschieben. Die Zahl der Menschen im erwerbsfä higen Alter nimmt dort bereits seit einigen Jahren ab. Die langjährige Ein-Kind Politik Chinas wird noch einige Zeit ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlas sen. UN-Prognosen zufolge könnte die Zahl der Menschen im Alter von 65 Jah ren und mehr in China bis 2035 um mehr als 130 Mio. steigen (im Vergleich zu 2020). Gleichzeitig könnte die Zahl der Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren um mehr als 50 Mio. sinken. Deglobalisierung: Das letzte Jahrzehnt war geprägt von geringen Fortschritten beim globalen Freihandel auf WTO-Ebene, von politischen Ansätzen nach dem Motto „My Nation First", vom Brexit und von einer Zunahme bilateraler Handels konflikte. Dies wirkte sich auf den Welthandel und damit auf die Globalisierung aus. Während die durchschnittliche Wachstumsrate des Welthandels von 1990 bis 2011 mehr als doppelt so hoch war wie jene des globalen BIP (6,5% gegen über 2,9% laut IWF-Daten), liegt die durchschnittliche Wachstumsrate des Welt handels seit 2012 bei 2,8% und damit nur knapp über dem Wachstum des glo balen BIP (+2,5%). Für eine exportorientierte und offene Volkswirtschaft wie Deutschland sind Zeiten einer Deglobalisierung besonders herausfordernd. Mineralien und Metalle für saubere Energie: Die Nachfrage wird wahrscheinlich schneller wachsen als das Angebot Im Folgenden werden einige Metalle näher betrachtet, bei denen mit Angebots engpässen zu rechnen ist. Kupfer: Die Energiewende und die Transformation des Verkehrssektors sowie die Digitalisierung werden die Nachfrage nach Kupfer in den kommenden Jah ren ankurbeln. Die Internationale Energieagentur (IEA) gibt an, dass für ein Elektroauto mehr als doppelt so viel Kupfer benötigt wird wie für ein konventio nelles Fahrzeug. Auch Windturbinen oder Fotovoltaik benötigen pro Megawatt stunde installierter Leistung ein Vielfaches an Kupfer im Vergleich zu Kohle- oder Gaskraftwerken. Die IEA rechnet damit, dass sich die Lücke zwischen der -15 -10 -5 0 5 10 15 96 00 04 08 12 16 20 Globales BIP Welthandel Real, % gg. Vj. Quelle: IWF Welt-BIP und Welthandel wachsen seit 2012 ähnlich stark 4 Eine Double - Dip - Rezession 16 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland weltweiten Kupfernachfrage und der erwarteten Produktion aus bestehenden und geplanten neuen Bergbauprojekten ab der zweiten Hälfte der 2020er Jahre vergrößern wird. Bis 2030 könnte die Lücke 5 Mio. Tonnen betragen (d.h. ein knappes Viertel der heutigen weltweiten Primärproduktion). Die weltweite Verar beitung von Kupfererzen (Raffination) ist regional stark konzentriert. Hier domi niert China mit einem Anteil von 42% vor Chile mit 8%. Kobalt: Mit dem Trend zur Elektromobilität in den großen Automobilmärkten oder allgemeiner mit dem zunehmenden Einsatz von Batterien als Stromspei cher wird die Nachfrage nach Kobalt in den kommenden Jahren deutlich stei gen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die künftige Nachfrage die Kobaltproduk tion in den nächsten Jahren übersteigen wird. Nach Angaben der IEA wird es in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre selbst bei einem weniger ehrgeizigen Kli maschutzpfad zu einem Defizit bei der Kobaltversorgung kommen. Dieses wird umso größer sein, je mehr Batterien für Elektroautos, Unterhaltungselektronik oder als stationäre Stromspeicher benötigt werden. Das Marktangebot von Ko balt ist durch eine besonders hohe Konzentration auf der Angebotsseite ge kennzeichnet. Nicht nur die Minenproduktion (fast 70% entfallen auf die DR Kongo) wird von nur einem Land dominiert, sondern auch die Raffination. Hier ist China mit einem Anteil von etwa 65% führend, gefolgt von Finnland (etwa 10%) und Belgien (5%). China ist der größte Hersteller von Batterien für Elektro autos und auch von Elektroautos selbst. Nach Angaben des USGS verbraucht China etwa 80% des Kobalts für die Batterieproduktion. Legende ISO Codes 5 Land Country ISO Argentinien Argentina AR Australien Australia AU Brasilien Brazil BR Kanada Canada CA DR Kongo Congo CD Chile Chile CL China China CN Indonesien Indonesia ID Indien India IN Madagaskar Madagascar MG Mosambik Mozambique MZ Neukaledonien New Caledonia NC Norwegen Norway NO Peru Peru PE Philippinen Philippines PH Russland Russia RU USA USA US Quelle: ISO 5 10 15 20 25 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 Globale Förderung von Kupfer, Mio. Tonnen Quellen: BGR, DERA, USGS Förderung von Kupfer wächst recht stetig 6 24 10 10 9 6 42 CL PE CD CN US Sonstige Chile sorgt für knapp ein Viertel der Kupferförderung 7 Anteile an globaler Kupferförderung, 2022, % Quelle: USGS 0 25 50 75 100 125 150 175 200 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 Quellen: BGR, DERA, USGS Förderung von Kobalt nimmt zuletzt stark zu 8 Globale Förderung von Kobalt, '000 Tonnen 68 5 5 3 2 16 CD ID RU AU CA Sonstige DR Kongo liegt bei Kobaltförderung mit Abstand an der Spitze 9 Anteile an globaler Kobaltförderung, 2022, % Quelle: USGS Eine Double - Dip - Rezession 17 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Nickel: In den kommenden Jahren dürfte die Produktion von rostfreiem Stahl mengenmäßig der wichtigste Treiber der Nickelnachfrage bleiben. Ein Großteil der neuen Kapazitäten in Indonesien ist hierauf ausgerichtet. Dennoch wird die Verwendung von Nickel für die Batterieproduktion (insbesondere in der Elektro mobilität) in den kommenden Jahren wahrscheinlich viel schneller zunehmen. Nach Angaben von Fitch Ratings benötigt ein Elektroauto etwa 30-mal so viel Nickel wie ein Auto mit Verbrennungsmotor. Für die kommenden Jahre rechnen die IEA und Fitch trotz steigender Nachfrage nicht mit einer physischen Unter versorgung mit Nickel weltweit. Mögliche Nickelknappheiten könnten vielmehr die gewünschten Nickelprodukte und -qualitäten betreffen. Die regionale Kon zentration des Abbaus (Indonesien) und der Verarbeitung (China und Indone sien) stellt ebenfalls ein erhebliches Risiko für die Nickelversorgung dar. Für Deutschland ergibt sich aus der großen Bedeutung der Importe aus Russland ein Risiko für die Nickelversorgung, da die Lieferbeziehungen durch die gegen seitigen Sanktionen infolge des Krieges in der Ukraine gestört werden könnten. Wenn die Batterieproduktion in Deutschland und Europa ausgebaut werden soll, muss die Versorgung mit Nickel gewährleistet sein. Lithium: Die Nachfrage nach Lithium wird in den kommenden Jahren vor allem durch den Trend zur Elektromobilität getrieben werden. Die IEA geht sogar da von aus, dass die Nachfrage nach Lithium unter allen wichtigen Rohstoffen für „saubere Energietechnologien" bis 2040 am schnellsten wachsen wird. Selbst bei einem moderaten Anstieg der Elektromobilität würde die Lithiumnachfrage bis 2040 um den Faktor 13 gegenüber 2020 steigen. Ab der zweiten Hälfte der 2020er Jahre könnte es jedoch zu einer Angebotslücke kommen, wenn die Nachfrage nach Elektroautos rasch ansteigen sollte. Letztlich würde der Markt hochlauf durch die mangelnde Verfügbarkeit von Lithium gebremst. Ein Un gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage würde auch zu Preisrisiken für Lithium und Lithium-Ionen-Batterien führen. Derzeit stellt die hohe Konzentra tion der Lithiumproduktion und -verarbeitung (letztere hauptsächlich in China) ein Risiko dar. 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 Förderung von Nickel nimmt Fahrt auf 10 Quellen: BGR, DERA, USGS Globale Förderung von Nickel, Mio. Tonnen 48 10 7 6 5 24 ID PH RU NC* AU Sonstige Indonesien ist 2022 mit Abstand der wichtigste Förderer von Nickel 11 Anteile an globaler Nickelförderung, 2022, % Quelle: USGS * Zu Frankreich gehörend 0 25 50 75 100 125 150 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20 22 Steigender Bedarf an Batterien führt zu höherer Förderung von Lithium 12 Quellen: BGR, DERA, USGS Globale Förderung von Lithium, Mio. Tonnen 47 30 15 5 4 AU CL CN AR Sonstige Lithiumförderung ist auf nur wenige Länder konzentriert 13 Quellen: BGR, DERA, USGS Anteile an globaler Lithiumförderung, 2022, % Eine Double - Dip - Rezession 18 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Arbeitskräfte - und Qualifikationsdefizite: K urz - und mittelfristig keine umfassenden Lösungen in Sicht Strukturelle Angebotsengpässe sind nicht nur auf den Gütermärkten zu erwar ten, sondern werden auch den Arbeitsmarkt betreffen. Der Fachkräftemangel in Deutschland ist seit vielen Jahren ein limitierender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung. Er ist in vielen Branchen spürbar. Er spiegelt sich in der Zahl der offenen Stellen in Deutschland wider, die im September 2023 bei knapp über 730.000 (saisonbereinigt) lag (Bundesagentur für Arbeit, BA). Das ist zwar ein Rückgang um 108.000 gegenüber September 2022 - bedingt durch die schwä chere wirtschaftliche Entwicklung. Im langfristigen Vergleich ist es aber immer noch eine hohe Zahl. Während die BA nur offiziell gemeldete offene Stellen aus weist, beruhen die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auf repräsentativen Befragungen von Betrieben. Das bedeutet, dass auch offene Stellen, die nicht bei der BA gemeldet werden, hier enthalten sind. Nach Angaben des IAB lag die Zahl der offenen Stellen in Deutschland im 2. Quartal 2023 bei knapp 1,74 Mio., - ein Rückgang gegenüber dem Höchststand von 1,98 Mio. im 4. Quartal 2023. Die demografische Entwicklung in Deutschland wird in den kommenden Jahren auch bei relativ hoher Nettozuwanderung zu einem sinkenden Erwerbsperso nenpotenzial führen. Der demografische Faktor wird daher den Fachkräfteman gel verschärfen. Zuwanderung ist notwendig, um die demografischen Belastun gen des Arbeitsmarktes in den kommenden Jahren abzufedern. Allerdings be trifft der Fachkräftemangel häufig Berufsbilder mit speziellen Qualifikationen. Ein systematischer Überschuss im Ausland ist nicht zu erwarten. Zudem konkurriert Deutschland mit anderen Ländern um globale Talente. Sprachbarrieren (Deutsch als weniger internationale Sprache im Vergleich zu Englisch) und bü rokratische Hürden bei der Zuwanderung von Hochqualifizierten zeigen, dass der Zuzug von Menschen mit den gewünschten Qualifikationen nach Deutsch land alles andere als ein Selbstläufer ist. Eher unqualifizierte Zuwanderer nach Deutschland (einschließlich Flüchtlinge) müssen in der Regel Sprachkurse und andere Bildungsmaßnahmen absolvieren, bevor sie in den Arbeitsmarkt inte griert werden können. Dies dauert oft mehrere Jahre und ist mit Kosten verbun den. Damit die Zuwanderung besser zur Linderung von Arbeitsmarktengpässen beitragen kann, müsste sie gezielter gesteuert werden. Schlussbemerkungen: Gefahr der Verzerrung des Status quo, aber negative Auswirkungen auf Wachstum und Inflation Die letzten Jahre waren geprägt von Unterbrechungen der Lieferketten in histo rischem Ausmaß. Diese Prägung birgt die Gefahr, dass die Beurteilung der künftigen Entwicklung durch einen Status-quo-Bias verzerrt wird. So kann es sein, dass wir die Gefahr von strukturellen Angebotsengpässen überschätzen, weil wir die Lenkungswirkung von Preissignalen oder die Innovationskraft der Menschen unterschätzen oder der „Politik" nicht genug zutrauen, die Rahmen bedingungen z.B. für eine sichere Rohstoffversorgung schnell genug zu verbes sern. Dabei können gerade Krisenzeiten der Nährboden für Innovationen sein. Als der Club of Rome vor gut 50 Jahren die „Grenzen des Wachstums" prokla mierte, prägte ein solcher Status-quo-Bias den Blick auf die Zukunft. Letztlich wurde der technische Fortschritt, der die Grenzen des Wachstums verschob, damals falsch eingeschätzt. Dem Status-quo-Bias steht jedoch ein gewisser Verfügbarkeits-Bias gegenüber, der sich auf mögliche zukünftige Knappheiten bezieht, die wir heute nicht erkennen (können). Alles in allem bleibt der technische Fortschritt die größte Hoffnung für die kom menden Jahre, um ein klimafreundliches und sozial ausgewogenes Wirtschafts 200 400 600 800 1.000 10 12 14 16 18 20 22 Zahl der offenen Stellen rückläufig, aber immer noch auf hohem Niveau 14 Zahl der gemeldeten offenen Stellen in Deutschland, '000 Quelle: Deutsche Bundesbank Eine Double - Dip - Rezession 19 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland wachstum zu ermöglichen. Angesichts der in diesem Bericht beschriebenen (po tenziellen) strukturellen Angebotsengpässe müsste sich der technische Fort schritt allerdings auf breiter Front beschleunigen und wahrscheinlich viel stärker als bisher von der Politik gefördert werden. Angesichts der vielen Unbekannten ist es schwierig, die Auswirkungen der strukturellen Angebotsengpässe auf das Trendwachstum und die Inflation zu quantifizieren. Unserer Ansicht nach dürften sie jedoch dazu beitragen, dass das Potenzialwachstum in Deutschland in den kommenden Jahren näher an der 0,5%- als an der 1%-Marke und die Inflation eher über als unter dem 2%-Ziel liegen wird. Eric Heymann (+49 69 910-31730, eric.heymann@db.com) Eine Double - Dip - Rezession 20 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Exportindustrie stellt sich auf neue Realitäten ein - Im Jahr 2023 dürften sich die nominalen Warenexporte seitwärts bewegen, während die realen Exporte von Waren und Dienstleistungen um 1,2% schrumpfen dürften. - Konjunktureller Gegenwind kommt vor allem von Europa und China. - Darüber hinaus wirken sich auch strukturelle Faktoren negativ aus, wie z. B. die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die Deglobalisierung, die globale Wertschöpfungsketten schwächt und kontinentale Wertschöpfungs ketten stärkt. Zusätzlich hat Deutschland mit einem allgemeinen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Einige Sektoren leiden unter einer teil weisen Deindustrialisierung. - Wir gehen davon aus, dass die Exporte noch mehrere Jahre lang schlep pend bleiben werden, da die Anpassung wahrscheinlich viel Zeit in An spruch nehmen wird. Konjunkt urelle und strukturelle Herausforderung Die ifo Exporterwartungen fielen auf 89,9 und der PMI für neue Exportaufträge im Verarbeitenden Gewerbe auf 37,8 und damit unter das 5 %-Perzentil der ge samten Zeitreihe. Historisch gesehen liegen diese Werte in einem ähnlichen Be reich wie während der Pandemie und der GFC. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Inputkosten für Rohstoffe, Arbeit und Kapital in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind. Die Ursachen für die steigenden Inputkosten sind un seres Erachtens strukturell bedingt. Die demografische Entwicklung, die wach sende Bedeutung von ESG und die zunehmenden geopolitischen Spannungen werden die Inputkosten wahrscheinlich auf einem relativ hohen Niveau halten oder sogar noch weiter ansteigen lassen. Der Mangel an (qualifizierten) Arbeits kräften, die höheren Rohstoff- und Energiepreise und die Zinsen, die im Ver gleich zu dem extrem niedrigen Zinsniveau vor dem Inflationsschub wahrschein lich hoch bleiben werden, werden die Wirtschaft auf Jahre hinaus prägen. Industrie: Teilweise Deindustrialisierung in einigen Sektoren Darüber hinaus gibt es mehrere negative Entwicklungen in der Industrie, die auch die Exporte bremsen dürften. Erstens erreichte die Industrieproduktion im Jahr 2018 ihren Höhepunkt. Seitdem und bis Juli 2023 (letzte verfügbare Daten) ist die Produktion um mehr als 10% zurückgegangen. Zweitens hinterlässt auch die Umstellung unserer Energiequellen ihre Spuren. Die Energie- und Stromer zeugung liegt rund 20% unter dem Vorkriegsniveau. Auch die Produktion von Basismetallen, Bergbau und Chemikalien liegt etwa 20% unter dem Durch schnitt von 2019. Drittens ist die Produktion in den letzten Monaten in fast allen Industriesektoren zurückgegangen und wichtige Indikatoren für die Wettbewerbsfähigkeit sind in den letzten Quartalen stark gesunken. Alle drei von der Europäischen Kommis sion erhobenen Maße für die Wettbewerbsfähigkeit (Inland, Intra-EU, Extra-EU) erreichten in Q2 2023 neue Allzeittiefs, was auf einen Rückgang der realen Ex porte hindeutet. Auch die ifo Exporterwartungen sind fast kontinuierlich von 106,8 Punkten, nur 0,9 Punkte unter ihrem Allzeithoch, im März 2021 auf 89,9 Punkte im September 2023 gesunken. All diese hoch korrelierten Daten deuten darauf hin, dass Deutschlands traditionell sehr erfolgreiches Wirtschaftsmodell, das auf außergewöhnlichen technischen Leistungen beruht und weltweit ge fragte Waren und Dienstleistungen produziert, vor erheblichen Herausforderun gen steht. 50 60 70 80 90 100 110 19 20 21 22 23 Industrie Verarbeitendes Gewerbe Energie Elektrizität & Gas Bergbau Industrieproduktion und bedeutende Komponenten 1 2015=100 Quellen: Deutsche Bank Research, Statistisches Bundesamt 0 20 40 60 80 100 120 140 19 20 21 22 23 Elektrogeräte Basismetalle Computer, optische Bauteile Auto Maschinen Chemie Produktion der wichtigsten Industriesektoren 2 2015=100 Quellen: Deutsche Bank Research, Statistisches Bundesamt -20 -10 0 10 20 -30 -20 -10 0 10 20 94 98 02 06 10 14 18 22 Außerhalb der EU Reale Exporte Güter & DL (rechts) Wettbewerbsfähigkeit vs. Exporte 3 linke y - Achse: Index rechte y - Achse: % gg. Vj. Quellen: Deutsche Bank Research, EU - Kommission, Statistisches Bundesamt Eine Double - Dip - Rezession 21 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland 2023 EU - Exportmärkte: Gegenbewegung zum Vorjahr Die in diesen Umfragen dargestellte negative Stimmung und die schwache In dustrieproduktion spiegeln sich auch in den Exporten wider. Im Jahr 2023 wer den die Warenausfuhren insgesamt voraussichtlich stagnieren (Durchschnitt 2013-2022: 3,9%). Hinter den Schlagzeilen verbergen sich interessante Details. Die Ausfuhren in den Euroraum und die übrige EU werden voraussichtlich nur geringfügig zunehmen. Die Ausfuhren nach Frankreich und in die Niederlande, unseren zweit- und drittwichtigsten Exportmärkten, dürften 2023 um etwa 3% gegenüber dem Vorjahr steigen. Dagegen werden die Exporte nach Italien vo raussichtlich nahezu stagnieren und die Exporte nach Österreich, Polen und in die Schweiz werden wahrscheinlich um mehrere Prozentpunkte schrumpfen - vermutlich ein Ausgleich für das sehr starke Wachstum im Jahr 2022. Die Geopolitik hinterlässt ihre Spuren Der Beitritt Chinas zur WTO im Jahr 2002 führte zu einem starken Rückgang des US-Marktanteils an den deutschen Exporten, von 10,5% im Jahr 2002 auf 7,0% im Jahr 2011. Nun steigt der US-Marktanteil wieder an und erreicht 2022 mit fast 10% den höchsten Wert seit 2002. Wir rechnen mit einem weiteren An stieg in den kommenden Jahren. Nach den außergewöhnlich hohen Wachs tumsraten in den Jahren 2021 und 2022 von 18% bzw. 28% dürfte sich das Wachstum im Jahr 2023 normalisieren. Aufgrund des robusten US-BIP Wachstums und des starken US-Dollars dürfte es jedoch im positiven Bereich bleiben und der Marktanteil dürfte bei 10% bleiben. Die aus unserer Sicht überraschendste Entwicklung ist, dass die Exporte nach China auf dem Weg sind, um etwa 7% gegenüber dem Vorjahr zu sinken. Die chinesische Erholung bleibt trotz einiger jüngster Verbesserungen hinter den Er wartungen zurück. Dies bedeutet, dass der chinesische Marktanteil an den ge samten deutschen Warenexporten im Jahr 2023 voraussichtlich auf 6,2% sinken wird. Dies wäre der dritte jährliche Rückgang in Folge, nachdem der Marktanteil im Jahr 2019 mit 7,9% ein Allzeithoch erreicht hatte. Es gibt strukturelle Gegen winde, die das chinesische Wachstum und die Importnachfrage belasten: ers tens die zunehmenden geopolitischen Spannungen, zweitens die schrumpfende Erwerbsbevölkerung, drittens die relativ hohe Verschuldung der Unternehmen und viertens die Tatsache, dass es Jahre dauern könnte, bis sich ein neues Gleichgewicht auf dem Immobilienmarkt einstellt. Die Geopolitik und die schwe ren Lieferkettenengpässe während der Pandemie sind vermutlich die wichtigs ten Faktoren für den Exportrückgang. Beides hat zu einem Abbau der globalen 80 90 100 110 -30 -10 10 30 94 98 02 06 10 14 18 22 Industrieproduktion Reale Exporte Güter & DL ifo Exporterwartungen (rechts) Wachstumsraten von Produktion, Exporten und ifo Exporterwartungen 4 linke y - Achse: % gg. Vj. (Produktion u. Exporte) rechte y - Achse: Index Quellen: Deutsche Bank Research, EU - Kommission, Statistisches Bundesamt FR NL UK IT AT PL CH BE ES SE HU y = - 0,74x + 11,53 R² = 0,41 -10 -5 0 5 10 5 10 15 20 25 2022 und 2023 Güterexporte in größte europäische Absatzmärkte 5 y - Achse: % ggü. Vorjahr in 2023 x - Achse: % ggü. Vorjahr in 2022 Quellen: Deutsche Bank Research, Statistisches Bundesamt Eine Double - Dip - Rezession 22 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Wertschöpfungsketten und einer Stärkung der kontinentalen Wertschöpfungs ketten geführt, worauf wir bereits im Jahr 2020 hingewiesen haben. 1 Dabei ste hen die globalen Wertschöpfungsketten von beiden Seiten unter Druck: China strebt mit seiner 2020 eingeführten „Dual-Circulation"-Strategie eine geringere Abhängigkeit vom Westen an, und Deutschland ist (wie viele andere westliche Länder) bestrebt, seine China-Abhängigkeit von globalen Wertschöpfungsketten zu reduzieren. Kürzlich hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft gezeigt, dass der Rückgang der Exporte auch stark mit der Produktionssteigerung deutscher Unternehmen in China zusammenhängt. Dadurch stiegen sowohl die deutschen Primäreinnahmen aus China in der Leistungsbilanz als auch die reinvestierten Gewinne in China. 2 Die politischen Ziele beider Länder lassen erwarten, dass der Rückgang des chinesischen Marktanteils an den Warenexporten noch ei nige Jahre anhalten wird. Deutsche Unternehmen wollen ihren Absatz und ihre Beschaffung diversifizie ren, eine Strategie, die als „China Plus One" bezeichnet wird. Viele geopoliti sche Analysen weisen darauf hin, dass Indien und ASEAN an Bedeutung ge winnen werden. Für Indien hat sich dies bereits in den letzten Jahren abge zeichnet. Heute sind die Warenexporte nach Indien um 50% höher als 2019; für 2023 erwarten wir einen Zuwachs von 15% gegenüber dem Vorjahr. Die Ex porte in die ASEAN-Länder sind weniger dynamisch gewachsen. Im Jahr 2023 werden die Gesamtexporte in die ASEAN-Länder voraussichtlich um 6% gegen über dem Vorjahr steigen. Beide Märkte sind mit Marktanteilen von 1,1% für In dien und 1,9% für alle ASEAN-Länder noch relativ klein. Der Marktanteil dieser elf Länder ist zusammen fast halb so groß wie der Anteil Chinas. Das Wachs tum in Indien und den ASEAN-Ländern muss also etwa doppelt so hoch sein, um den Rückgang in China zu kompensieren. Es wird einige Zeit dauern, bis diese Länder die Lücke schließen können. Im Jahr 2023 sanken die Warenexporte nach Russland um 34% gegenüber dem Vorjahr, ein weiterer Einbruch, nach -45% im Jahr 2022. Nominal schrumpften sie von EUR 26,6 Mrd. im Jahr 2021 auf voraussichtlich etwa EUR 10 Mrd. im Jahr 2023. Es scheint, dass die Sanktionen teilweise umgangen wer den, da sich die Warenexporte in die zentralasiatischen und transkaukasischen 1 Moebert, Jochen (2020): Globaler Gegenwind macht kontinentale Wertschöpfungsketten attrakti ver. Talking Point, 20. Juli 2020. 2 Vincent Stamer (2023): Deutsche Exporte ausgebremst: China ersetzt "Made in Germany", KIEL, POLICY BRIEF, Nr. 167 September 2023. -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Primäreinkommen Reinv. Gewinne Exportlücke Deutsche Firmen profitieren von Produktion in China 6 EUR Mrd. Quellen: Deutsche Bank Research, Institut für Weltwirtschaft (Vincent Stamer) Eine Double - Dip - Rezession 23 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Länder (Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Ar menien, Aserbaidschan und Georgien) von EUR 3,1 Mrd. im Jahr 2021 auf ver mutlich mehr als EUR 7 Mrd. im Jahr 2023 mehr als verdoppelt haben. Auch die Warenexporte in die Türkei sind im gleichen Zeitraum von EUR 21,3 Mrd. auf rund EUR 31 Mrd. erheblich gestiegen. Die sehr hohen realen BIP-Wachstums raten von 11,4% im Jahr 2021, 5,5% im Jahr 2022 und voraussichtlich immer noch 4,0% im Jahr 2023 sind wahrscheinlich der entscheidende Faktor. Infolge dessen stieg der Anteil der Türkei an den gesamten deutschen Warenexporten von 1,5% im Jahr 2021 auf 2,0% im Jahr 2023, und der Anteil der zentral- und transkaukasischen Länder Asiens stieg von 0,2% auf 0,5%, während der Markt anteil Russlands von 1,9% im Jahr 2021 auf 0,6% im Jahr 2023 sank. Maue Erholung für Exporte im Jahr 2024 und 2025 Ein auf den ifo Exporterwartungen basierendes Fehlerkorrekturmodell impliziert für 2023 einen Rückgang der realen Exporte von Waren und Dienstleistungen um 1,2% gegenüber dem Vorjahr, während die Nettoexporte positiv zum BIP Wachstum beitragen werden (+0,2 %-Punkte), da die realen Einkommensver luste der privaten Haushalte zu einem noch stärkeren Rückgang der Importe führen. Angesichts der oben erwähnten strukturellen Gegenwinde rechnen wir mit einer langsamen Erholung der Exporte (2024: 0,4%, 2025: 0,5%). Die Im porte könnten in den Jahren 2024 und 2025 aufgrund des robusten Arbeits marktes und vermutlich höherer Löhne etwas schneller steigen als die Exporte, was zu einem negativen Beitrag der Nettoexporte zum BIP-Wachstum führt (2024: -0,4%-Punkte, 2025: -0,2%-Punkte). Jochen Möbert (+49 69 910-31727, jochen.moebert@db.com) 0 1 2 3 4 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Türkei Zentralasiatische und Transkaukasische Länder Russland 2013 - 2023 Marktanteile von Güterexporten 7 in % der Güterexporte insgesamt Quellen: Deutsche Bank Research, Statistisches Bundesamt Eine Double - Dip - Rezession 24 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Privathaushalte suchen bessere Verzinsung - Zurückhaltung bei der Immobilienfinanzierung - Die Privathaushalte schichteten massiv Gelder von Niedrigzinsprodukten in besser verzinste Termineinlagen und Anleihen um, insbesondere in Spar briefe. - Der Boom bei der Immobilienfinanzierung ist vorbei, aber netto ist die Kre ditaufnahme weiterhin positiv und in etwa so hoch wie vor der Niedrigzins phase. Die Talsohle könnte in Sicht sein. Die Bankeinlagen der privaten Haushalte in Deutschland sind im ersten Halb jahr um den Rekordbetrag von EUR 38 Mrd. gesunken. Der Hauptgrund war die Zinsentwicklung, welche die Banken für verschiedene Produkte jedoch sehr un terschiedlich gestalteten. Da die Zinssätze für Sichteinlagen (0,3%) und Spar einlagen (0,5% im Neugeschäft) nur wenig stiegen, schichteten die Sparer mas siv Gelder um. Sie zogen EUR 79 Mrd. an Sichteinlagen ab und legten EUR 83 Mrd. an Termingeldern zu durchschnittlich 2,8% neu an. Spareinlagen wurden in Höhe von EUR 35 Mrd. aufgelöst. Die Gelder flossen zu einem großen Teil in Anleihen. Der Sparbrief - von Kreditinstituten emittierte Anleihen, die durch die Einlagensicherung abgedeckt sind - erlebte eine Renaissance (EUR +35 Mrd.) bei Verzinsungen von um die 3%. Die privaten Haushalte legten bei attraktiven Renditen auch außergewöhnlich viel Geld in Anleihen an, die v.a. von der öf fentlichen Hand oder Unternehmen begeben wurden (letzte Daten für Q1). Un ter dem Strich führte die divergierende Zinsentwicklung zu Umschichtungen im Finanzvermögen, nicht jedoch zu einem Entsparen, was zusätzlichen Konsum hätte finanzieren können. Dies ist auch an der leichten Erhöhung der Sparquote in H1 abzulesen (11,3% nach 11,1% in H2 2022). Für das laufende Halbjahr ist eine weitere Reallokation zu erwarten. Allerdings dürfte der wiedererwachte Wettbewerb um Einlagen zwischen den Instituten attraktivere Konditionen zur Folge haben und die Einlagen stabilisieren. Auf der Kreditseite ließ ein weiterer Zinsanstieg die Neuvergabe von Immobili enkrediten auf die Hälfte des Vorjahresniveaus sinken. Der Zinssatz für neue Ausreichungen kletterte bis auf 4,1%. Allerdings wurden auch weniger Tilgun gen auf laufende Darlehen geleistet, sodass der Kreditbestand netto um EUR 5 Mrd. zunahm. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage hatten die Banken ihre Richtli nien für die Kreditvergabe seit Mitte 2022 mehrfach verschärft, in der Folge wur den mehr Kreditanträge abgelehnt. Allerdings gingen aufgrund des Wettbe werbsdrucks die Margen zurück und mittlerweile erwarten die Banken eine Sta bilisierung der Kreditnachfrage. Die Talsohle bei der Immobilienfinanzierung könnte erreicht sein. Die Er schwinglichkeit von Immobilien sollte sich kaum weiter verschlechtern, da die re alen Einkommen in etwa stabil bleiben dürften, ebenso wie das Zinsniveau. Die Preise für Wohnimmobilien geben derzeit nach, insbesondere für Bestandsim mobilien mit energetischem Sanierungsbedarf. Der Mangel an Wohnraum lässt aber mittelfristig keine deutlichen Preisrückgänge erwarten, sodass sich die Kre ditaufnahme in der jetzigen Größenordnung einpendeln könnte. Dies wäre un gefähr so viel wie vor dem Kreditboom während der Niedrigzinsphase. Der Zinssatz für neue Konsumentenkredite stieg seit Jahresanfang kräftig auf durchschnittlich 8,1%. Obendrein dämpften die Inflation und wirtschaftliche Un sicherheit die Konsumlaune der Privathaushalte, v.a. bei langlebigen Gütern. Die Banken verschärften auch hier ihre Kreditrichtlinien, außerdem stiegen die Margen. Insgesamt führte dies zu einem leichten Rückgang (EUR -0,3 Mrd.) bei den Konsumentenkrediten. Für das aktuelle Halbjahr ist keine große Änderung zu erwarten. 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800 2.000 2.200 2.400 2.600 2.800 -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 18 19 20 21 22 23 Spareinlagen Termineinlagen Sichteinlagen Einlagenbestand gesamt Private Haushalte suchen bessere Verzinsung 1 Mrd. EUR, ggü. Vorquartal (links), Bestand (rechts) Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research 800 900 1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 0 4 8 12 16 20 24 19 20 21 22 23 ggü. Vorquartal (links) Gesamt (rechts) Mrd. EUR Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research Immobilienkredite - Talsohle erreicht? 2 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 23 Immobilienkredite Konsumentenkredite Kreditzinsen steigen kräftig 3 Quellen: EZB, Deutsche Bank Research Durchschnittliche Zinssätze für Neukredite in % Eine Double - Dip - Rezession 25 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Die sonstigen Kredite und Debetsalden der Haushalte schrumpften ebenfalls geringfügig um EUR 0,3 Mrd. Sie spielen jedoch mit einem Anteil am Kreditbe stand von etwa 3% eine untergeordnete Rolle. Insgesamt zeigen das Sparverhalten der Haushalte und die Kreditvergabe der Banken an diese deutlich, dass sich die Straffung der Geldpolitik schnell und kräftig in der Realwirtschaft niedergeschlagen hat. Heike Mai (+49 69 910-31444, heike.mai@db.com) -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 Q1/21 Q3/21 Q1/22 Q3/22 Q1/23 Q3/23 Immobilienkredite Konsumentenkredite … gestiegen … gesunken Bank lending survey: Kreditnachfrage* Quellen: Deutsche Bundesbank, Deutsche Bank Research 4 *Q3/23 erwarteter Wert Eine Double - Dip - Rezession 26 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Re chtsruck bei den Landtagswahlen dürfte zu mehr politischem Pragmatismus auf der Bundes ebene führen - Bekämpfung der Wachstumsflaute - bisher kein allzu starker Impuls für Strukturreformen. Trotz schwindender Umfragewerte und trüber Wachs tumsaussichten scheint der Appetit der Bundesregierung auf umfassende Strukturreformen begrenzt zu sein. Angesichts der immer noch relativ ro busten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wächst das Gefühl der Dringlich keit von Strukturreformen nur langsam. Da die drei Koalitionspartner unter schiedliche wirtschaftspolitische Ansätze zur Bekämpfung der Wachstums flaute verfolgen (tendenziell mehr Industriepolitik und staatliche (Investiti ons-)Ausgaben bei den Grünen gegenüber fiskalischem Konservatismus und angebotsseitigen Reformen bei der FDP), ist das Ausmaß der Refor men momentan eher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkt. - Wachstumschancengesetz und Bürokratieabbau als erste Schritte. Die jüngsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Plan kön nen als ein erster (kleiner) Schritt zur Bekämpfung der strukturellen Wachs tumsschwäche angesehen werden. Der erneute Gesetzgebungsschub wird wahrscheinlich eher zu inkrementellen Fortschritten beim Bürokratieabbau führen. - Umfragehoch und W ahlergebnisse der AfD dürften in den nächsten Mona ten zu mehr politischem Pragmatismus auf Bundesebene (insbesondere in der Migrationspolitik) führen. Obwohl wir nicht von einer Regierungsbeteili gung der AfD auf Landesebene ausgehen (weder nach den Wahlen in Bay ern und Hessen noch im nächsten Jahr), dürfte ihr starkes Abschneiden den allgemeinen politischen Diskurs weiter beeinflussen. So bereitet die Bun desregierung derzeit ein Gesetzespaket zur Migration vor, welches erleich terte Abschiebungen und einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt bein haltet. Die Länder beraten über mehr Sach- anstelle von Geldleistungen. - CDU - Wahlsiege und Auswirkungen auf die Bundespolitik. Die Wahlergeb nisse in Bayern und Hessen werden wie erwartet zu keinen größeren Ver schiebungen im Machtgefüge auf Länderebene führen. Die erneute Wahl niederlage der FDP könnte es schwieriger machen, sich bis zum Jahres ende auf die Reform der EU-Fiskalregeln zu einigen. Erstarken der AfD und Analyse der jüngsten Landtagswahlen Die Beliebtheit der Bundesregierung erreichte Ende September einen neuen Tiefstand - keine offensichtlichen Anzeichen dafür, dass die öffentliche Stim mung in den nächsten Monaten drehen könnte. Die Beliebtheit der Regierung hat in den letzten Wochen einen weiteren Rückschlag erlitten und erreichte Ende September einen neuen Tiefstand von 38% (siehe Grafik 2). Hartnäckige Inflation, trübe Wachstumsaussichten und anhaltende Koalitionsstreitigkeiten haben zum Rückgang der Zustimmungsraten beigetragen. Da der Haushalts entwurf für 2024 Ausgabenkürzungen und eine Neugewichtung der Ausgaben (z.B. zugunsten des Verteidigungsressorts) vorsieht, dürfte es für die Ampel-Ko alition nicht allzu leicht sein, enttäuschte Wähler zurückzugewinnen (mehr dazu in unserem jüngsten Update über die Reformbestrebungen der Bundesregie rung). Umfragehoch der AfD dürfte zu mehr pol itischem Pragmatismus führen . In vie len europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien zu einem festen Bestandteil der politischen Landschaft geworden (siehe Grafik 3). In Deutsch land hat die Kombination aus Unzufriedenheit mit den politischen Antworten der 0 5 10 15 20 25 30 35 40 20 21 22 23 CDU/CSU SPD Grüne FDP Linke AfD Wahl Krieg in der Ukraine % der Stimmen, wöchentlicher Durchschnitt der aktuellen Umfrageergebnisse* * Umfragen der führenden Meinungsforschungs institute (Allensbach, Kantar, Forsa, FG Wahlen, Infratest, INSA). Quellen: Wahlrecht.de, Deutsche Bank Research Pandemie Ampelkoalition im Umfragetief 1 GEG Novelle 0 10 20 30 40 50 60 70 Sep. 21 Mrz. 22 Sep. 22 Mrz. 23 Sep. 23 SPD Grüne FDP Zustimmungswerte in Umfragen, in % Quellen: Wahlrecht.de, Deutsche Bank Beliebtheit der Ampelkoalition erreicht bisherigen Tiefpunkt 2 0 5 10 15 20 25 30 35 40 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 FPÖ RN Fratelli AfD VOX Zustimmungswerte, in % Quellen: Politico Polls of Polls, Deutsche Bank * Gemäss Definition von PopuList 2.0 Erstarken von rechtspopulistischen Parteien* in der EU 3 Eine Double - Dip - Rezession 27 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland etablierten Parteien und wachsende Besorgnis über Zuwanderung (siehe Grafik 4) zu steigenden Zustimmungsraten für die AfD beigetragen. Jenseits kurzfristi ger Schwankungen der Wählerpräferenzen gibt es jedoch einige Anzeichen da für, dass sich diese auch strukturell verschoben haben. Dabei handelt es sich um (i) eine anhaltende Veränderungsmüdigkeit in einem Zeitalter der Polykri sen/der grünen und digitalen Transformation und (ii) die sogenannte Normalisie rung rechtspopulistischer Parteien. Jüngste Forschungen zeigen, dass eine „bürgerlich-nationalistische Normalisierungsstrategie" zum Erfolg rechter Par teien in Österreich, Frankreich und Deutschland beigetragen hat. Rechten Par teien ist es gelungen, Wähler jenseits ihrer Kernklientel anzuziehen, indem sie deren Sorgen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwanderung aufgrif fen. 3 Diese Normalisierung manifestiert sich in Verschiebungen bei an sich trä gen Variablen wie dem Wählerpotenzial von Parteien. In Deutschland ist der Anteil der Wähler, die eine Stimmabgabe für die AfD ausschließen, von 70% im Jahr 2021 auf 58% im September 2023 geschrumpft (Grafik 5). Landtagswahlen in Bayern und Hessen - CDU/CSU - Wahlsiege wie erwartet Landtagswahlen haben ihre eigene Dynamik, aber die derzeit geringe Beliebt heit der Bun desregierung spiegelt sich auch in den Länderergebnissen wider. Am 8. Oktober fanden im zweit- und fünftgrößten Bundesland, gemessen am BIP (Grafik 6), auf die gemeinsam rund ein Viertel der Deutschen Wählerschaft entfällt, Wahlen statt. Die Landtagswahlen werden als wichtiger Stimmungstest für die Bundesregierung nach zwei Jahren im Amt und somit zur Hälfte der lau fenden Legislaturperiode angesehen. Auch wenn diese in der Regel einer eige nen Dynamik folgen, dürfte sich die derzeitige Unzufriedenheit mit der Ampelko alition in Berlin (Grafik 7) auf die Wahlentscheidungen bei den jüngsten Land tagswahlen ausgewirkt haben. Viele Politikfelder im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung (wie Energie-, Klima-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik) 3 Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) (2022). Rechtspopulismus verstehen und was man dagegen tun kann 0 100 200 300 400 500 600 700 800 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23* Steigende Anzahl an Asylanträgen 4 Anzahl Anträge, '000 Quellen: BAMF, Deutsche Bank * Januar bis September, ohne Geflüchtete aus der Ukraine 28 16 24 30 40 38 40 39 39 46 45 39 56 68 65 42 30 26 24 24 21 23 24 28 0 20 40 60 80 100 Sep '23 Jul '22 Sep '18 Sep '23 Jul '22 Sep '18 Sep '23 Jul '22 Sep '18 Sep '23 Jul '22 Sep '18 AfD Grüne SPD CDU/CSU Wahl dieser Partei ist keine Option Unentschlossen Maximales Wählerpotenzial* % der Stimmen Quellen: INSA, Deutsche Bank Wähler, die der Partei die Stimme geben oder dies in Betracht ziehen Bewegung bei trägen Indikatoren deu tet auf strukturelle Veränderung hin 5 47 38 46 55 0 10 20 30 40 50 60 Bayern Hessen aus Überzeugung aus Protest AfD Wahl ist nicht nur Protestwahl 6 AfD Wähler, Grund für Wahlentscheidung, in % Quellen: infratest dimap, Deutsche Bank 0 250 500 750 1000 NRW Bayern BW Sachsen-Anhalt Hessen Berlin Rest DE Nominales BIP in 2022, Mrd. EUR Quellen: Statista, Deutsche Bank Landtagswahlen in zwei der größten deutschen Bundesländer 7 Eine Double - Dip - Rezession 28 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland wurden von den Wählern als Schlüsselthemen angesehen. Aber auch Politikfel der wie Bildung und Verkehr, für die überwiegend die Länder zuständig sind, waren für die Wähler ebenfalls von entscheidender Bedeutung. 4 Bei der Analyse der Wahlergebnisse von Ba yern und Hessen zeichnen sich ei nige gemeinsame Trends ab (Grafiken 8 und 9): Erstens gehen CDU/CSU als klare Sieger aus der Wahl hervor. Zweitens schnitten alle drei Parteien der Am pelkoalition schlechter ab als bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2018. Drittens konnte die AfD ihren Wähleranteil deutlich steigern (zweitstärkste Kraft in Hessen mit 18,4% und drittstärkste Partei in Bayern mit 14,6%). Aber sie überschritt die 20 %-Marke nicht, welche sie derzeit in bundesweiten Umfragen erreicht. Bayern - Fortsetzung der Mitte - Rechts - Koalition. Wie für die traditionell konser vative Hochburg erwartet, ging die CSU als klare Siegerin aus dieser Wahl her vor. Mit 37,0% konnte sie den 2018 erreichten Gesamtstimmenanteil fast halten, fuhr aber (gemessen am Stimmenanteil) dennoch das schlechteste Ergebnis für die Partei seit 1954 ein. Der Junior-Koalitionspartner der CSU, die Freien Wäh ler (FW), konnten deutlich zulegen und bekamen 15,8% der Stimmen (Abbil dung 8). Die Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass die regierende Mitte Rechts-Koalition aus CSU und FW wahrscheinlich an der Macht bleiben wird. Ministerpräsident Söder (CSU) bestätigte nach der Wahl, dass er mit den Freien Wählern weiterregieren möchte. 5 Hessen - Fortsetzung der schwarz - grünen - Koalition. In Hessen gingen die CDU und der amtierende Ministerpräsident Boris Rhein, der seit seinem Amtsantritt im Mai 2022 zum ersten Mal eine Wahl bestritt, mit einem Stimmenanteil von 34,6% als klare Sieger hervor (Grafik 9). Die Grünen und SPD verloren je rund 5 %-Punkte und fielen hinter die AfD zurück, welche mit einem Stimmenanteil von 18,4% zur zweitstärksten Kraft wurde. Der FDP gelang es gemäß den vorläufi gen Ergebnissen knapp, die 5%-Hürde zu überwinden und im Landtag zu blei ben. Am Wahlabend kündete Ministerpräsident Rhein an, dass er eine „Koalition aus der Mitte heraus" 6 bilden will und lud die Grünen, SPD und FDP zu Gesprä chen ein. 7 Obwohl die Bildung einer CDU-SPD-Koalition rechnerisch möglich ist, scheint die Fortsetzung der eingespielten schwarz-grünen Koalition aus heutiger Sicht das wahrscheinlichere Ergebnis der Gespräche zu sein. Umfragehoch und Wahlergebnisse der AfD dürften in den nächsten Monaten zu mehr politischem Pragmatismus auf Bundesebene führen. Die AfD hat bewie sen, dass sie ihre guten Umfragewerte in tatsächliche Wahlerfolge umwandeln kann und dies auch in westdeutschen Bundesländern. Die restlichen Parteien werden sich daher mit der Frage beschäftigen, wie sie die rechtspopulistischen Kräfte in Schach halten können, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehen den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September 2024 (Grafiken 10 und 11). Obwohl wir nicht von einer Regierungsbeteiligung der AfD auf Lan desebene ausgehen (weder nach den Wahlen in Bayern und Hessen noch im nächsten Jahr), dürfte ihr starkes Abschneiden den allgemeinen politischen Dis kurs weiter beeinflussen. So bereitet die Bundesregierung derzeit ein Gesetzes paket zur Migration vor, welches sowohl erleichterte Rückführungen abgelehnter Asylbewerber, als auch einen erleichterten Zugang von Migranten zum Arbeits markt beinhaltet. Die Länder beraten über mehr Sach- anstelle von Geldleistun gen. 4 ZDF Politbarometer Extra, 29. September 2023, CDU legt in Hessen zu - CSU in Bayern schwach 5 Handelsblatt, 9. Oktober 2023, Söder will Koalition mit Freien Wählern fortsetzen 6 SZ, 8. Oktober 2023, Die große Boris-Show 7 Spiegel, 8. Oktober 2023, Nancy Faesers Debakel in Hessen, „Ich konnte euch leider nicht hel fen" 37,0 8,4 14,4 3,0 15,8 14,6 37,2 9,7 17,6 5,1 11,6 10,2 0 10 20 30 40 CSU SPD Grüne FDP FW AfD Wahlresultat Oktober 2023* Wahlresultat Oktober 2018 Bayern - CSU gewinnt mit Abstand 8 Gesamtstimmenanteile, in % * Vorläufiges Wahlergebnis Quellen: Landeswahlleiter des Freistaats Bayern, Deutsche Bank 34,6 15,1 14,8 5,0 3,1 18,4 27,0 19,8 19,8 7,5 6,3 13,1 0 10 20 30 40 CDU SPD Grüne FDP Linke AfD Wahlresultat Oktober 2023* Wahlresultat Oktober 2018 Landesstimmen, in % * Vorläufiges Wahlergebnis Quellen: Statistisches Landesamt Hessen, Deutsche Bank Hessen - CDU siegt, gefolgt von der AfD auf dem 2. Platz 9 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 CSU SPD Grüne FDP AfD FW CDU SDP Grüne FDP AfD Bayern Hessen Aktuelle Umfragen* Letztes Wahlergebnis % der Stimmen * Umfragen vom 3. und 4. Mai 2023 Quellen: Wahlrecht.de, Deutsche Bank CDU/CSU führt in den Umfragen für Bayern und Hessen 10 Eine Double - Dip - Rezession 29 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Weitere Auswirkungen auf die Bundespolitik - noch mehr Fiskalkonservatismus auf EU - Ebene? Die Wahlsiege der CDU werden ihren politischen Einfluss als wichtigste Oppositionspartei nicht merklich erhöhen, da die Zusammensetzung des Bundesrates unverändert bleiben dürfte. Für die Bundesregierung dürfte es weder einfacher noch schwieriger werden, Gesetze, die die Länder betreffen (z.B. Steuerpolitik), im Bundesrat zu verabschieden. Für die FDP setzt sich die Serie der Wahlniederlagen fort: 8 Die Partei schafft den Wiedereinzug in den hessischen Landtag voraussichtlich nur sehr knapp und verpasst ihn in Bayern. Daher dürfte die FDP ihr fiskalkonservatives Profil weiter stärken, was eine Eini gung über die neuen EU-Fiskalregeln bis zum Jahresende erschweren könnte, wie Finanzminister Lindner bereits in Santiago de Compostela andeutete. 9 Das schwache Abschneiden der SPD-Spitzenkandidatin Faeser in Hessen, wo sie mit der SPD lediglich einen Stimmenanteil von 15,1% erreichte, könnte sie in ih rer Funktion als Bundesinnenministerin schwächen. Nachdem ihr die Partei spitze ihre Unterstützung ausgesprochen hat, wird sie aber Teil des Scholz-Ka binetts bleiben. 10 Politische Landschaft im Wandel Zunehmend zersplitt ertes Parteiensystem - steht die Gründung einer neuen lin ken Partei an? Die anhaltende Fragmentierung der politischen Landschaft (Gra fik 12) könnte sich weiter beschleunigen, sollte Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründen. Die Partei würde sich an wirtschaftspolitisch linke, aber sozial konservative Wähler wenden. Wagenknecht hat angedeutet, dass sie bis Ende des Jahres eine Entscheidung bekannt geben wird. Die größte Herausforderung scheint im Moment der Aufbau der Parteistrukturen zu sein. Die neue Partei könnte dann zur Wahl des Europäischen Parlaments im Juni 2024 antreten, be vor sie im Herbst 2025 für den Bundestag kandidiert. 11 Umfragen schätzen das hypothetische Wählerpotenzial der neuen Linkspartei auf 20% 12 . Dies ist etwas höher als das der bestehenden Linkspartei. 13 Da nur 6% der Befragten ange ben, dass sie die neue Partei auf jeden Fall wählen würden, bleibt abzuwarten, ob diese potenzielle neue Linkspartei dann an der 5 %-Hürde für den Einzug ins Parlament scheitern würde. Die 5%-Klausel ist ein zentraler Mechanismus, der die politische Fragmentierung in Deutschland begrenzt. Sie könnte auch die Freien Wähler daran hindern, sich als nationale Partei zu etablieren, was die Partei nach dem Wahlerfolg in Bayern anzustreben scheint. 14 Ein Erstarken der politischen Ränder würde zusätzlichen Druck auf die politi sche Mitte ausüben. Die Gründung einer neuen linken Partei würde in erster Li nie die bestehende Linke schwächen. Das Ausscheiden von Abgeordneten würde die Fraktion ins Wanken bringen und die bestehende Linkspartei würde 2025 wahrscheinlich nicht in den Bundestag einziehen können. Es ist eher un wahrscheinlich, dass die neue Linkspartei die AfD schwächen würde, selbst wenn sie einen Teil der AfD-Wähler mit einem Anti-Migrationskurs anziehen könnte. Eine Stärkung der politischen Ränder würde zusätzlichen Druck auf die politische Mitte ausüben und die Regierungsbildung noch komplexer machen. 8 Die FDP verpasste den Wiedereinzug ins Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2023 und in den niedersächsischen Landtag im Oktober 2022. Zudem verlor die FDP auch Stimmenanteile bei den Regionalwahlen in Bremen (Mai 2023), Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein (Mai 2022, vgl. Wahlrecht.de). 9 DW, 15. September 2023, Lindner: Deutsche Wirtschaft trotz Rezession stark 10 Spiegel, 9. Oktober 2023, Scholz hält nach Wahlschlappe in Hessen an Innenministerin Faeser fest 11 Welt, 24. September 2023, Gründe deine Partei, aber mache es jetzt; Augsburger Allgemeine, 24. September 2023, Sahra Wagenknecht - die Frau, auf die viele hoffen und vor der noch mehr zittern 12 Handelsblatt, 25. September 2023, Umfrage sieht hohes Wählerpotential für Wagenknecht-Partei 13 INSA schätzt ein maximales Wählerpotential von 15% für die Linke 14 SZ, 8. Oktober 2023, Freie Wähler, Das Rathaus ist nicht genug Anstehende Landtagswahlen im Jahr 2024 11 Quelle: Wahlrecht.de Datum Landtagswahlen in ... Regierungs koalition 1. Sept. Sachsen 1. Sept. Thüringen Minderheits regierung 22. Sept. Brandenburg * Politische Parteien CDU SPD Grüne Linke 0 50 100 '23* 2017 2009 2002 1994 1987 1980 1972 1965 1957 1949 CDU/CSU SPD FDP Grüne Linke AfD Sonstige Deutschlands Parteienlandschaft im Wandel 12 Quellen: Bundeswahlleiter, Wahlrecht.de, Deutsche Bank * 7 - Tage Umfragemittelwert, 30. September 2023 Zweitstimmenanteile bei Bundestagswahlen, in % Eine Double - Dip - Rezession 30 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Mehrparteienkoalitionen über die politischen Lager hinweg sind bereits wahr scheinlicher geworden und Deutschland wird wahrscheinlich weiterhin von Drei erkoalitionen regiert werden. Dies impliziert eine Fortsetzung der konsensorien tierten Politik und einen Trend zu Kompromissen in Sinne des kleinsten gemein samen Nenners, was die Wahrscheinlichkeit weitreichender Strukturreformen verringert. Marion Mühlberger (+49 69 910-31815, marion.muehlberger@db.com) Ursula Walther (+44 203 281-4564 , ursula.walther@db.com) Eine Double - Dip - Rezession 31 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Geldpolitik: Eine geduldige EZB - Eine echte Rezession wird in der EWU wahrscheinlich vermieden werden, und die Überzeugung, dass die Inflation nachhaltig zum Ziel zurückkehrt, wird sich nur langsam durchsetzen. - Wir gehen weiterhin von einer längeren Pause der EZB aus. Die EZB dürfte ihre Leitzinsen im September - möglicherweise schon im Juni - senken und erst 2025 allmählich auf ein neutrales Niveau zurückführen. Die EZB hat ihren Einlagensatz im September um 25 Basispunkte auf 4,00% angehoben. Steigende Energiepreise könnten sich in höheren Löhnen und Infla tionserwartungen niederschlagen, aber 4,00% dürfte in diesem Zyklus der Höchstsatz sein. Da der HVPI nun rasch sinkt, dürfte sich das Restrisiko einer weiteren Anhebung rasch verflüchtigen. Die Frage ist, wie lange die Leitzinsen bei 4,00% verharren werden. Das realistische Zeitfenster für die erste Senkung ist März bis September 2024. Für eine Zinssenkung im März wäre aber eine ausgeprägte Rezession erforderlich. Dies ist nicht unsere Basisprognose - ob wohl es Risiken in dieser Richtung gibt und die Vermeidung eines Arbeitskräfte abbaus notwenige Bedingung für die Vermeidung eines deutlichen Wirtschafts einbruchs ist. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen für einen längeren Zeitraum beibehält Es gibt mehrere Gründe, warum eine längere Pause wahrscheinlicher ist. 1.) die große Unsicherheit. Die Entwicklung von Wirtschaft, Transmission und Inflation ist unsicherer denn je. Die Pandemie, geopolitische Spannungen und der Klima wandel sind strukturelle Schocks. Inflationsmodelle, die anhand historischer Da ten kalibriert wurden, sind daher unzuverlässiger. Da die Inflation über dem Ziel wert liegt und die Inflationserwartungen nicht fest verankert sind, dürfte die EZB dazu neigen, die Zinsen länger hoch zu halten. 2.) Strukturelle Inflationspersis tenz. Die verbreiteten, mehrjährigen Lohnabschlüsse verleihen der Inflation in jedem Fall eine gewisse Persistenz. Im Zusammenhang mit einem großen Preisschock und einem großen Aufholprozess bei den Reallöhnen besteht die Gefahr, dass ein Anstieg der Lohninflation um 4-5% über mehrere Jahre zu Zweitrundeneffekten führt. 3.) Historische Erfahrungen. Die Bundesbank war bei den Ölschocks der 1970er Jahre erfolgreicher in der Bekämpfung der Inflation als andere Zentralbanken in Europa, da sie ihre Zinssätze über längere Zeit räume hoch gehalten hat. Die EZB könnte sich im aktuellen Umfeld an dieser Erfahrung orientieren. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Leitzinsen bis September 2024 beibe halten wird, um sie dann um 25 Basispunkte pro Quartal zu senken, bis sie Ende 2025 bei 2,50% liegen. Das vorsichtige Tempo spiegelt unsere Erwartung wider, dass die EZB ab Ende 2024, wenn die Inflationsrate unter 2% sinkt, all mählich zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Inflation nachhaltig auf das Zielniveau zubewegt hat, sodass sie den restriktiven geldpolitischen Kurs all mählich lockern kann. Mit 2,50% bleiben die Leitzinsen in unserem Basisszena rio etwas über ihrem neutralen Niveau von 1,50-2,00%. Dies spiegelt unsere Ansicht wider, dass die Inflationsverlangsamung unter 2% in den Jahren 2024 2025 nicht von Dauer ist und dass die mittelfristigen Inflationsprognosen leicht über dem Zielwert bleiben werden. Im Rahmen unseres Basisszenarios für Wachstum und Inflation ist es möglich, dass die erste Zinssenkung bereits im Juni 2024 erfolgt. Für eine noch frühere Zinssenkung ist eine harte Landung er forderlich. Eine Double - Dip - Rezession 32 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Mehr QT - auch wenn die Leitzinsen sinken Da der geldpolitische Kurs in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich restrik tiv bleiben wird, erwarten wir, dass die EZB mehr QT durchführen wird, selbst wenn die Leitzinsen sinken. QT würde nur dann pausieren, wenn die EZB zu ei nem stimulierenden geldpolitischen Kurs übergehen muss. Da die Option flexib ler PEPP-Reinvestitionen ein wichtiges Instrument gegen die Fragmentierung ist, wird die EZB unserer Meinung nach zögern, vor Ende 2024 aus den PEPP Reinvestitionen auszusteigen. Um die QT weiter voranzutreiben, sind daher di rekte Verkäufe aus dem APP-Portfolio erforderlich. Weiteres QT wird die Kosten der EZB-Bilanz senken. Es ist möglich, dass die EZB auch weitere „kosteneffizi ente" Änderungen bei der Durchführung der Geldpolitik vornimmt. Diese könn ten in ihrem Umfang relativ begrenzt sein. Die EZB ist verpflichtet, die Verhält nismäßigkeit - einschließlich der Kosteneffizienz - ihres geldpolitischen Kurses und der Art und Weise, wie er umgesetzt wird, kontinuierlich zu bewerten. Ände rungen aus Gründen der Kosteneffizienz dürfen jedoch den gewünschten geld politischen Kurs nicht beeinträchtigen. Derzeit besteht der gewünschte geldpoli tische Kurs darin, einen ausreichend restriktiven Kurs für eine ausreichend lange Zeit beizubehalten. Nachdem die EZB den Leitzins im September auf 4,00% angehoben hat, ist sie der Ansicht, dass der Kurs nun ausreichend res triktiv ist. Weiteres QT dürfte daher nur am Rande eine Rolle spielen. Mark Wall (+44 20 754-52087, mark.wall@db.com) Stefan Schneider (+49 69 910-31790, stefan-b.schneider@db.com) Eine Double - Dip - Rezession 33 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Marc Schattenberg, Sebastian Becker & Jochen Möbert (+49 69 910-31727, jochen.moebert@db.com) Deutschland: Datenkalender DX Datum Uhrzeit Daten Berichtszeitraum DB Schätzung Letzter Wert 24.10.2023 9:30 PMI Verarbeitendes Gewerbe (Flash) Oktober 41,0 39,6 24.10.2023 9:30 PMI Dienstleistungssektor (Flash) Oktober 51,0 50,3 25.10.2023 10:00 ifo Geschäftsklima (Index, sb.) Oktober 86,0 85,7 30.10.2023 10:00 Reales BIP (% gg. Vq., sb.) - Schnellmeldung Q3 2023 - 0,3 0,0 30.10.2023 14:00 Vorläufiger VPI (% gg. Vj.) Oktober 3,9 4,5 30.10.2023 14:00 Vorläufiger VPI (% gg. Vm.) Oktober 0,1 0,3 30.10.2023 14:00 VPI ohne Energie und Nahrungsmittel (% gg. Vj.) Oktober 4,5 4,6 30.10.2023 14:00 VPI ohne Energie und Nahrungsmittel (% gg. Vm.) Oktober 0,3 0,2 31.10.2023 8:00 Einzelhandelsumsätze (Index, sb.), % gg. Vm.* Oktober 0,8 - 1,2 02.11.2023 9:55 Arbeitslosenrate (%, sb.) Oktober 5,7 5,7 03.11.2023 8:00 Warenexporte (% gg. Vm., sb.) September 0,0 - 1,2 03.11.2023 8:00 Warenimporte (% gg. Vm., sb.) September 1,0 - 0,4 03.11.2023 8:00 Handelsbilanz (EUR Mrd., sb.) September 15,5 16,6 06.11.2023 8:00 Auftragseingang im Ver. Gewerbe (% gg. Vm., sb.) September - 1,5 3,9 07.11.2023 8:00 Industrieproduktion (% gg. Vm., sb.) September 0,6 0,5 *lt. Statistischem Bundesamt auch früherer Veröffentlichungstermin möglich Quellen: Deutsche Bank Research, Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, ifo, Markit Eine Double - Dip - Rezession 34 | 1 7 . Oktober 2023 Ausblick Deutschland Finanzmarktprognosen DX US JP EWU GB CH SE DK NO PL HU CZ Leitzinssatz, % Aktuell 5,375 - 0,10 4,00 5,25 5,75 12,09 7,00 Dec - 23 5,375 - 0,10 4,00 5,25 5,25 10,00 6,75 Mar - 24 5,375 0,10 4,00 5,25 4,50 7,75 5,75 Jun - 24 4,875 0,10 4,00 5,00 3,75 6,00 4,75 3M Geldmarktsatz, % Aktuell 5,66 0,02 Dec - 23 4,75 0,00 Mar - 24 0,00 Jun - 24 0,00 Rendite 10J Staatsanleihen, % Aktuell 4,56 0,76 2,72 4,32 Dec - 23 4,40 0,70 2,60 4,00 Mar - 24 4,25 0,70 2,50 4,00 Jun - 24 4,10 0,80 2,50 3,95 Wechselkurse EUR/USD USD/JPY EUR/GBP GBP/USD EUR/CHF EUR/SEK EUR/DKK EUR/NOK EUR/PLN EUR/HUF EUR/CZK Aktuell 1,06 149,13 0,86 1,23 0,96 11,57 11,52 4,53 386,70 24,53 Dec - 23 1,07 145,00 0,88 1,22 0,98 11,50 11,00 4,80 395,00 25,00 Mar - 24 Jun - 24 1,15 130,00 0,90 1,28 0,98 11,25 10,75 Quellen: Bloomberg Finance LP, Deutsche Bank Research Eine Double-Dip-Rezession 35 | 17. Oktober 2023 Ausblick Deutschland Deutschland: Datenmonitor DX Q3 2022 Q4 2022 Q1 2023 Q2 2023 Q3 2023 Apr 2023 Mai 2023 Jun 2023 Jul 2023 Aug 2023 Sep 2023 Konjunkturumfragen Gesamtwirtschaft ifo Geschäftsklima 87,7 86,9 91,2 91,3 86,3 93,5 91,7 88,6 87,4 85,8 85,7 ifo Geschäftserwartungen 79,4 80,3 88,0 88,0 83,1 91,8 88,5 83,8 83,6 82,7 82,9 Produzierendes Gewerbe ifo Verarbeitendes Gewerbe 89,6 88,8 94,3 93,0 86,3 96,5 93,5 89,1 87,1 85,8 85,9 Produktion (% gg. Vp.) 0,8 0,0 1,1 -0,6 0,4 0,2 -0,9 -1,5 0,5 Auftragseingang (% gg. Vp.) -0,3 -3,5 0,0 0,5 0,1 6,2 7,6 -11,3 3,9 Grad der Kapazitätsauslastung 85,1 84,9 84,6 84,2 82,9 Bauhauptgewerbe Produktion (% gg. Vp.) -1,1 -0,8 3,6 -0,8 1,2 0,7 -3,4 2,1 -3,5 Auftragseingang (% gg. Vp.) -2,6 -1,0 -4,0 2,0 -1,3 3,5 -2,0 9,6 ifo Bauhauptgewerbe 92,7 90,3 91,7 92,0 87,0 93,0 92,0 90,9 89,0 86,4 85,6 Konsumentennachfrage EC Konsumentenbefragung -26,2 -25,1 -17,4 -13,3 -14,8 -13,2 -13,0 -13,7 -13,5 -15,2 -15,8 Einzelhandelsumsätze (% gg. Vp.) -0,4 -2,2 -0,2 0,8 0,4 1,2 -0,8 0,0 -1,2 Neuzulassungen PKW (% gg. Vj.) 0,5 29,6 6,5 19,3 17,7 12,6 19,2 24,8 18,1 37,3 -0,1 Außenhandel Auslandsaufträge (% gg. Vp.) 1,6 -5,3 1,7 -0,5 -0,8 6,8 12,0 -12,7 3,9 Exporte (% gg. Vp.) 2,1 -0,4 -0,6 -1,0 1,3 0,2 0,5 -1,9 -1,2 Importe (% gg. Vp.) 3,1 -5,5 -4,7 -2,1 0,4 1,5 -2,9 -1,3 -0,4 Nettoexporte (EUR Mrd.) 10,4 30,4 45,7 49,4 16,1 14,6 18,7 17,7 16,6 Arbeitsmarkt Arbeitslosenquote (%) 5,5 5,5 5,5 5,6 5,7 5,6 5,6 5,7 5,7 5,7 5,7 Veränderung Arbeitslosigkeit (Tsd. gg. Vp.) 151,7 34,0 6,3 59,0 43,3 25,0 12,0 31,0 2,0 20,0 10,0 Beschäftigung (% gg. Vj.) 1,1 1,1 0,9 0,7 0,8 0,7 0,7 0,7 0,8 ifo Beschäftigungsbarometer 100,6 99,0 99,8 98,8 96,6 100,1 98,1 98,3 97,1 97,0 95,8 Preise, Löhne und Arbeitskosten Preise HVPI (% gg. Vj.) 9,4 10,8 8,8 6,9 5,7 7,6 6,3 6,8 6,5 6,4 4,3 Kern-HVPI (% gg. Vj.) 3,8 5,2 5,5 5,6 5,8 5,6 5,1 6,1 6,2 6,3 4,8 Harmonisierter PPI (% gg. Vj.) Rohstoffe ohne Energie (% gg. Vj.) 12,4 1,9 -15,0 -23,5 -24,9 -25,1 -20,2 -15,5 -18,3 Rohöl, Brent (USD/Bbl) 98,7 89,6 84,2 78,6 86,0 84,1 76,4 75,5 80,2 85,2 92,6 Inflationserwartungen EC Haushaltsumfrage 53,3 42,9 26,3 21,5 22,4 23,8 22,8 17,9 19,5 23,4 24,4 EC Unternehmensumfrage 56,2 49,3 26,2 9,8 3,7 14,6 8,8 6,1 3,4 2,8 5,0 Lohnstückkosten (gg. Vj.) Lohnstückkosten 2,8 5,3 6,1 7,4 Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer 2,9 4,1 5,5 6,2 Arbeitnehmerentgelt je Stunde 1,3 6,4 5,2 5,9 Monetärer Sektor (gg. Vj.) M3 6,8 5,1 3,0 2,0 3,1 2,8 2,0 0,8 -0,8 Trend von M3* 3,0 2,6 1,9 0,7 Kredite an Unternehmen und Privatpersonen 8,2 6,8 5,5 4,0 5,0 4,7 4,0 3,0 0,0 Kredite an öffentliche Haushalte 18,5 7,3 -7,1 -9,2 -7,7 -6,0 -9,2 -3,1 -5,4 % gg. VP = Veränderung gegenüber der Vorperiode; * zentrierter 3M-Durchschnitt Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, Europäische Kommission, Eurostat, Statistisches Bundesamt, HWWI, ifo, S&P Global, HCOB Ausblick D eutschland Unsere Publikationen finden Sie unentgeltlich auf unserer Internetseite www.dbresearch.de Dort können Sie sich auch als regelmäßiger Empfänger unserer Publikationen per E - Mail eintragen. Für die Print - Version wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Marketing 60262 Frankfurt am Main Fax: +49 69 910 - 31877 E - Mail: marketing.dbr@db.com Schneller via E - Mail: marketing.dbr@db.com  Eine Double - Dip - Rezession ................................ ..... 17. Oktober 2023  „Halbzeitbilanz" - Reformen zur Bewältigung der neuen Wachstumsherausforderung ........................... 27. Juli 2023  Nur eine technische Rezession? Wirklich ? ...................... 2 9 . Mai 2023  Die deutsche Wirtschaft - ein Jahr danach ................... 1 3 . März 2023  Neue globale Realitäten ................................ ........ 21. Dezember 2022  Kein Konjunkturabsturz , aber immer noch Rezession ................................ .. 25. November 2022  Auf dem Weg in die Rezession ................................ ......... 19. Juli 2022  Ringen mit der Zeitenwende ................................ .............. 24. Mai 2022  Krieg in der Ukraine - Neue Realitäten 2.0 ..................... 9. März 2022  Ausblick 2022: Neue Realitäten ............................ 17. Dezember 2021  Ärger in der Luft ................................ ..................... 10. November 2021  Halbzeitbilanz: Realwirtschaft auf Kurs, aber höhere Inflation ................ 14. Juni 2021  Deutsche Wirtschaft startklar für den Aufschwung - Wahlumfragen hängen in der Schwebe ........................... 11. Mai 2021  Robustes BIP 2021, trotz Q1 - Rückschlag - Inflation klettert auf 2% ................................ .............. 19 . Februar 2021  Ausblick 2021: Corona - Konjunktur ........................ 14 . Dezember 2020  November Lockdown = Q4 BIP Knockdown ........... 4 . November 2020  Deutsche Wirtschaft unerwartet robust ................ 25. September 2020  Wie stark fällt die Erholung in Q3 aus? ...................... 12 . August 2020  Allmählich aus der Konjunkturschlucht ............................... 1. Juli 2020  Liebling, wir haben die Wirtschaft geschrumpft! ............... 13. Mai 2020  Deutsche Konjunktur weiterhin sehr zerbrechlich ..... 12. Februa r 2020  Ausblick 2020: Vorsicht, zerbrechlich! ................... 19. Dezember 2019  Schwache Konjunktur und Groko - Turbulenzen ....... 4. November 2019  Klimapaket: Kein Kurswechsel i n der Fiskalpolitik ................... 30. September 2019  Nur eine „technische Rezession"? Die Risiken sind entscheidend! ................................ .. 20. August 2019  Schwarz - Grün im Bund - schmerzhafte Kompromisse drohen ................................ ... 8. Juli 2019  Nicht über den Berg, Politik ist keine Hilfe ....................... 17. Mai 2019  Export und Autos bremsen die Konjunktur aus ................ 8. April 2019 © Copyright 2023. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Research, 60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research" gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Ver fassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen kön nen ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. 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