1. Research
22. März 2023
Inflation, Zinserhöhungen, Zentralbanken und Finanzstabilität stehen aktuell im Fokus der Märkte. Immerhin fällt in den letzten Monaten der Preisdruck bei den Großhandels- und Erzeugerpreisen und potenziell auch bei der Inflation. Zudem könnten die aktuellen Finanzmarktturbulenzen das wirtschaftliche Umfeld schwächen und die Inflation weiter dämmen. Ob angesichts einer lockeren Fiskalpolitik und eines boomenden Arbeitsmarktes die Inflation unter das 2%-Ziel fällt, bleibt aber unklar. [mehr]
Deutsche Bank Resea rch 1 Jochen Möbert , jochen . moebert @db.com, +49 69 910 31727 Eric Heymann, eric.heymann@db.com , +49 69 910 31 730 Stefan Schneider, stefan - b.schneider@db.com , +49 69 910 31790 22. März 2023 Deutschland: Konjunktur kurzgefasst Schlüsselthem a der Woche : Banken, Zentralbanken, Zinsen und Inflation Mit Argusaugen schauen die Finanzmärkte auf Inflation, Zinsen , Finanzstabilität und Zentralbanken . Am Sonntag übernahm die UBS die Credit Suisse . Von staatlicher Seite wurden CHF 9 Mrd. als Verlustaus gleich an die UB S gezahlt. Auch dürfte der Bail - in der Gläubiger von AT1 - Bankanleihen bei gleichzeitigem Bail - o ut des Eigenkapitals , der in dieser Form wohl nur unter den s chweizer Anleihebedingungen möglich ist, in Höhe von CHF 16 Mrd. die Märkt e noch lange beschäftigen . Das globale Volumen der ausstehenden AT1 - Anleihen beträgt rund EUR 260 Mrd. Diese dürfte n größtenteils von institutionellen Investoren gehalten werden. Als Vorsichtsmaßnahme zur Beruhigung der Märkte hat die Schweizer ische Nation albank zudem CHF 100 Mrd. an Liquiditätshilfen bereitgestellt. D ie EZB klopfte letzte Woche die europäischen Banken auf potenzielle Ansteckungseffekte aus dem Credit - Suisse - Debakel ab. Um Ansteckungseffekte zu vermeide n, w urden auch die sieben große n Zentr albanken aktiv. A m Sonntag verkündeten sie , ihre bisher wöchentlich durchgeführten USD - Swapgeschäfte täglich vorzunehmen. Diese Erleichterungen dürfte n einige Zeit lang fortbestehen . Die Zentralbanken stecken in der Zwickmühle. S ie müssen einerseits die Finanzstabilität gewährleisten , an dererseits die nach wie vor zu hohe Inflation bekämpfen . Die EZB priorisierte letzte Woche die Inflationsbe kämpfung, trotz de r negativen Auswirkungen auf die Bewertungen und potenziell negative r Auswirkungen auf die Finanzstabilität, und erhöhte die Leitzinsen um weitere 50 Basispunkte. Der Einlagensatz erhöhte sich damit auf 3%. Diese Woche stehen die Zinsentscheidungen der Fed und der Bank of England an. Wir erwarten auch hier weitere Zinserhöhungen, jeweil s um 25 Basispunkte. Dabei kommt der Kommunikation der Maßnahmen - wie schon letzte Woche bei der EZB - eine Schlüsselrolle zu. W ie schon vor der EZB - Sitzung preisen die Finanzmärkte einen Zinsschritt nur mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit ein. Zudem k önnten auch kurzfristige Entwicklungen Einfluss nehmen . Aufgrund der hohen globalen Unsicherheit haben beide Entscheidungen auch ungewöhnlich hohe Bedeutung für den Euroraum. Folgen für Wirtschaftswachstum und Inflation Falls die Spannungen an den Finanzmärkten anhalten, dürfte der Höchstzins im aktuellen Zinsanhebungs zyklus (Terminal rate) bald erreicht sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es im Zuge der Finanzmarkttur bulenzen zu deutlich restriktiveren Finanzierungskonditionen komm t , die d as bereits lahmende Kredit wachs tum weiter schwächen . D ie Vers pannungen am Finanzm a rkt könnte n dann schnell auf die Realwirtschaft überschwappen und in einer Rezession münden . Folglich könnte auch die Inflation nachgeben. Ob diese dann aber wied er unter das 2% - Z iel fällt, bleibt jedoch offen , d a andererseits d ie lockere Fiskalpolitik fortbe stehen dürfte und der Inflation neue Impulse geben könnte . Von der Entwicklung der Inflation wird es abhän gen, ob die Zentralbanken in ihrem aktuellen Dilemma gefangen bleiben oder im Rezessionsfall die Zinsen senken könn t en. W irtschaftliches Update Deutschland : - Preisentwicklung (Februar). Letzte Woche gab das Sta tistische Bundesamt bereits bekannt, dass die Großhandelspreise im Februar fielen . Am Montag wurde nun auch ein weiterer Rückgang der Erzeuger preise bekanntgegeben . Im Februa r verzei c hneten sie ihren fünfte n Rückgang gg. V ormonat in Folge , allerdings lagen sie immer noch um 15 , 8 % über Vorjahr . Ursächlich hierfür ist vor allem die Beseitigung von Lieferkettenengpässen und der Rückgang von Energie - und Rohstoffpreisen. Bleiben weitere Ange botsschocks aus, sollte n Großhandels - und Erzeugerpreise und perspektivisch ebenso die Verbrau cherpreis e weiter nachgeben . Hierbei könnte die Gesamtinflation schneller fallen als die Kernrate, die stärker von Zweitrunden , Inflationserwartungen und der Lohnentwicklung getrieben ist . D ie Gesamti nfla tion dürfte am Jahresende deutlich unter 5% liegen. - Hauspreise erhol t en sich im Februar . N egative Realzinsen, Inflationsschutz, Mangel an Wohnraum und anziehendes Mietwachstum ließen uns lediglich eine Preisdelle erwarten ( Ausblick Deutschland vom März ) . Nachdem die Hauspreise laut Europace - Index von März 2022 bis Januar 2023 zehn Mo nate in Folge fielen, lege n sie nun wieder zu . Der letzte Woch e veröffentlichte Wert für Februar zeigt einen kräftig en Preisanstieg um 2,1% ggü. Vormonat für neue Häuser. Die Preise für neue Häuser wa ren auch über die letzten 12 Monate sehr stabil . Neue Häuser dürften generell hohe energetische Stan Deutsche Bank DB Resea rch 2 © Copyright 2023. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Research, 60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research" gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Ver fassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen kön nen ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informations zwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. 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Zwar sind die Unternehmens- und Haushaltsschulden im internatio nalen Vergleich hoch, gemessen am BIP lagen sie im Jahr 2022 bei fast 150% und 129%, jedoch betru gen die Staatsschulden lediglich rund 27% des BIP. Zudem hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Zuge ihres Fixkursregimes in den vergangenen Jahren eifrig Euro, Dollar und andere Währungen eingesammelt. Zwischenzeitlich waren diese mehr als CHF 1.000 Mrd. wert, durch die Kursrückgänge der vergangenen Monate notiert das Portfolio aktuell bei rund CHF 800 Mrd. Der Franken verbilligt sich in den letzten Tagen nur geringfügig und notiert gegenüber dem Euro weiterhin unter der Parität. ⎯ Gemischtes Konjunkturbild in den USA. Einige Indikatoren sind jüngst auf vergleichsweise tiefe Ni veaus gefallen. Der NFIB Small Business Optimism Index liegt aktuell bei 90,9 Punkten (in etwa im 10%-Perzentil). Auch der Philly Fed Business Conditions Index fiel mit -8,0 im März nach zwei positiven Werten im Januar und Februar erneut in den negativen Bereich, wie bereits im gesamten zweiten Halb jahr 2022. Der Philly Fed Manufacturing Index liegt sogar bei -23,2 Punkten. Entsprechend ist der In vestitionsausblick gedämpft. Für das erste Quartal erwarten wir einen Rückgang der Bruttoanlageinves titionen um 2,3% annualisiert, ggü. Vorquartal. Dagegen brummt der US-Arbeitsmarkt immer noch. Die Arbeitsmarktberichte im Jahr 2023 übertrafen zumeist die Erwartungen. Auch die Initial jobless claims, die Zahl der neuen Arbeitslosen pro Woche, liegen auf niedrigem Niveau. Löhne und Kaufkraft legen folglich weiter zu. Dieser Nährboden für ein kräftiges Konsumwachstum dürfte auch das BIP im ersten Quartal erhöhen. Aktuell prognostizieren wir ein Plus von 2,6%, der GDPNow-Indikator der Atlanta Fed, ein rein statistischer Index ohne den Einfluss einer Analystenmeinung, sogar 3,2%. Wirtschafts- und ordnungspolitische Maßnahmen: ⎯ Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen. Der aktuelle Gesetzentwurf der Regierung sieht ein Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen ab 2024 vor. Ganz überraschend kommt diese Idee nicht. Schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht: „Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden." Reine Öl- und Gasheizungen waren damit also bereits ausgeschlossen. Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine wurde das Datum auf 2024 vorgezogen. Jetzt, wo es konkret wird, scheint es offensichtlicher zu werden, wie ambi tioniert diese Vorgabe ist. Jeder weiß um die Engpässe im Handwerk sowie um die langen Lieferzeiten bei Wärmepumpen. Es ist auch hinlänglich bekannt, dass die Umrüstung von Bestandsgebäuden von einer Öl- oder Gaszentralheizung auf eine Wärmepumpe mit hohen Kosten verbunden ist, die viele Hausbesitzer überfordern dürfte, selbst wenn der Staat Zuschüsse gewährt. Eine solche Umrüstung ist zudem bei vielen Gebäuden technologisch herausfordernd. Hinzu kommt, dass der Effekt für den Klima schutz unsicher ist, etwa weil wetterabhängige erneuerbare Energien nicht rund um die Uhr den zusätz lichen Strom für die Wärmepumpen liefern und gerade die Fotovoltaik in der Heizperiode nur wenig zur Stromversorgung beiträgt. Schon in unserem ausführlichen Bericht zur deutschen Energiewende von 2016 haben wir folgende Fragen aufge worfen: „ Welche ordnungspolitischen Maßnahmen können den Gebäudeeigentümern zugemutet werden, was ist also (wirtschaftlich) verhältnismäßig und politisch mehrheitsfähig? Wie hoch ist die Leistungsfähigkeit des Staates, Subventionen für den Umbau des Ge bäud esektors bereitzustellen? " Diese Fragen werden die Politik angesichts der Sprengkraft des Themas in den kommenden Wochen mehr denn je beschäftigen.
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