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Logistik koppelt sich von Industriekonjunktur ab – aber wie lange noch?

Autor
Analyst
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Deutsche Bank Research Management
Stefan Schneider

Trotz der Rezession der deutschen Industrie konnte die Logistikwirtschaft ihre Umsätze bis zuletzt steigern. Diese Entkopplung der Logistik, eine der größten Branchen in Deutschland, von der Industriekonjunktur ist ungewöhnlich. Für das Umsatzwachstum der Logistik sind mehrere Faktoren maßgeblich: die brummende Bauwirtschaft, mehr kleinteilige Lieferungen durch E-Commerce, die steigende Bedeutung der Mehrwertdienste sowie Preiseffekte. Im 1. Halbjahr dürfte die Rezession in der Industrie jedoch auch in der Logistik ihre Spuren hinterlassen. Wir rechnen damit, dass die nominalen Umsätze in der Branche im 1. Halbjahr 2019 in etwa stagnieren oder sogar sinken.

Logistik koppelt sich zuletzt von Industriekonjunktur ab
AG_Heymann_2019_Industrie_Verkehr_Lagerei.xlsx  Tabelle1 Diagramm 6
Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research
Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland ist im 1. Quartal 2019 zum dritten Mal in Folge gesunken (Q1 2019 gg Q4 2018: real -0,1%). Aktuelle Stimmungsindikatoren sowie die enttäuschende Entwicklung der Auftragseingänge zum Jahresauftakt (Q1 2019: real -4,1% gg. Vq.) deuten darauf hin, dass die Schwächephase vorerst anhalten wird.

Während sich die Industrie also in einer Rezession befindet, verzeichnete die Branche „Verkehr und Lagerei“ bis zuletzt Umsatzzuwächse. Zwar schwächte sich das Wachstum zum Jahresende 2018 etwas ab (Zahlen für das 1. Quartal 2019 liegen noch nicht vor). Im Gesamtjahr 2018 nahmen die nominalen Umsätze in der Branche aber um knapp 4% zu (2017: +5,8%), während bei der Industrieproduktion nur dank des hohen Niveaus zu Jahresbeginn ein Plus um 1,2% erreicht werden konnte.

Etwa 80% des Umsatzes im Sektor Verkehr und Lagerei entfallen auf Logistikdienstleistungen (Gütertransport und -umschlag, Lagerei, Speditionen, Post-, Kurier- und Expressdienste). Personenbezogene Transportdienstleistungen machen die übrigen 20% aus (z.B. ÖPNV und Eisenbahnen, Taxibetriebe, Luftfahrt). Insgesamt dürfte die Branche 2018 einen Umsatz von knapp EUR 350 Mrd. erzielt haben und zählt damit zu den größten Wirtschaftszweigen des Landes. Ihre konjunkturelle Entwicklung ist damit auch gesamtwirtschaftlich relevant.

Wegen des hohen Logistikanteils war die nominale Umsatzentwicklung im Bereich Verkehr und Lagerei in den letzten Jahren stets eng mit der Industrieproduktion in Deutschland korreliert. Schließlich ist die arbeitsteilige Industrie der wichtigste Auftraggeber für die Logistikbranche und hat in den vergangenen Jahrzehnten entsprechende Tätigkeiten an externe Unternehmen ausgelagert. Die Entkopplung zwischen dem Umsatz in der Logistik und der Industrieproduktion am aktuellen Rand ist also sehr ungewöhnlich.

Woran könnte diese Entkopplung liegen? Wachstumsimpulse für die Logistik gingen von der brummenden Bauwirtschaft aus. Denn ein mengenmäßig hoher Anteil des Verkehrsaufkommens entfällt auf Baumaterialien sowie auf Bauschutt. Die Post-, Kurier- und Expressdienste profitieren vom stabilen Wachstum des privaten Verbrauchs und der steigenden Bedeutung von E-Commerce, der mit mehr kleinteiligen Lieferungen einhergeht. Ferner bieten Logistikunternehmen im Rahmen der Kontraktlogistik immer häufiger sogenannte Mehrwertdienste für ihre industriellen Kunden an (z.B. Bestandsmanagement, Abwicklung von Finanztransaktionen mit Kunden, Qualitätskontrolle, zusätzliche Montagearbeiten, Etikettierung von Produkten, Regalservice, Aufbau von Call Centern). Wenngleich nicht ganz eindeutig, wie solche Mehrwertdienste in der amtlichen Statistik verbucht werden, dürften sie doch zum Umsatzwachstum beigetragen haben. Schließlich waren Preiseffekte für das nominale Umsatzplus der Logistik maßgeblich. Hohe Lohnabschlüsse, gestiegene Preise für Dieselkraftstoffe sowie knappe Laderaumkapazitäten zählen zu den Preistreibern.

Trotz der bis zuletzt positiven Umsatzentwicklung im Bereich Verkehr und Lagerei dürfte die Rezession der Industrie auch bei den Logistikunternehmen Spuren hinterlassen. Wir rechnen damit, dass die nominalen Umsätze in der Branche im 1. Halbjahr 2019 in etwa stagnieren oder sogar sinken. Auf eine gedämpfte Entwicklung deutet z.B. der Logistik-Indikator hin, der vom ifo Institut zusammen mit der Bundesvereinigung Logistik (BVL) berechnet wird und in den letzten Quartalen rückläufig war. Auch die ifo Geschäftserwartungen in der Logistikbranche liegen am aktuellen Rand deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt. Trotz des zu erwartenden konjunkturellen Rücksetzers bleibt die Logistik mittelfristig insgesamt eine Wachstumsbranche, in der allerdings auch der Wettbewerb intensiv bleiben wird.
 
 

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