10 Jahre nach der Globalen Finanzkrise: Wie eine Schuldenkrise mihilfe neuer Schulden und der Gelddruckmaschine übertüncht wurde
Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite untersuchen wir, wie sich die Finanzwelt seither verändert hat und warum wir im Zuge der Krisenbewältigung in vielerlei Hinsicht neue Probleme geschaffen haben. Am Ende unserer Analyse steht eine Einschätzung der Performance nach der Lehman-Pleite. Auch wenn es hier klare Verlierer gibt, war es sicherlich ein besonders gutes Jahrzehnt für Anleger. Zu verdanken war dies freilich vor allem den Zentralbanken.
Globale Verschuldung – höher als vor der Finanzkrise
Das Wachstum nach der Krise wurde zum Teil über Schulden finanziert. Zwar haben sich die Schuldenstände über alle Sektoren hinweg erhöht. Regierungen und nichtfinanzielle Unternehmen, die sich dank niedriger Zinsen so oder so schon kräftig bedienten, sahen sich zudem gezwungen, Kredite in Anspruch nehmen zu müssen. Ist man der Ansicht, dass die Globale Finanzkrise eine Schuldenkrise war, gibt es nicht wirklich Fortschritte zu vermelden, auch wenn die Zusammensetzung der Schulden weltweit inzwischen „sicherer" sein mag. Zwar sind die Banken heute weniger verschuldet und weisen höhere Eigenkapitalquoten auf, sodass künftige Krisen den Finanzsektor wohl nicht wieder an den Rand des Kollaps bringen. Gleichwohl bleibt er fragil.
Während in den Industrieländern insbesondere die Staatsverschuldung im Verlauf der letzten zehn Jahre neue Rekordstände erreichte, entfällt in den Schwellenländern der Löwenanteil auf die nichtstaatlichen Sektoren. Zu den Ländern, die seit Ausbruch der Krise einen rapiden Anstieg der Schuldenquote im nichtfinanziellen Privatsektor verzeichnen, gehört auch China. Da die Politik hier mit massiven Lockerungsmaßnahmen reagierte, ist der Anstieg der Verschuldung sozusagen ein Nebenprodukt der Finanzkrise. Dies erinnert an frühere Kreditbooms in den USA, Japan, Thailand und Spanien – die alle in einer Krise endeten.
Wie wurde das Finanzsystem gerettet und die weitere Verschuldung gefördert?
Bei der Bewältigung der Finanzkrise haben die Zentralbanken eine entscheidende Rolle gespielt. Kumuliert hat sich die Bilanzsumme der Fed, EZB, BoJ und BoE gegenüber dem Stand von vor zehn Jahren nahe verdreifacht. Das Ausmaß der geldpolitischen Interventionen weltweit war beispiellos.
Eine Kehrseite der massiven QE-Programme und expansiven Geldpolitik war der Verfall der Anleiherenditen, die auf Rekordtiefs fielen und zunehmend sogar unter null rutschten. Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise sind die Anleihemärkte weltweit weit von der Normalität früherer Zeiten entfernt.
In der Folge wurde zwar die Staatsfinanzierung erleichtert, wodurch sich die Probleme (abgesehen von der steigenden Verschuldung) aber nur verlagert haben – vor allem auf den Finanzsektor. Schließlich sind negative Zinsen eine große Herausforderung für das Finanzsystem. Zwar schnitten US-Banken von 1990 bis in die 2000er Jahre bereits besser ab als ihre europäischen Pendants. Seit Ausbruch der Finanzkrise haben letztere aber deutlich weiter an Boden verloren.
So liegen die Eigenkapitalrenditen der US-Banken derzeit im niedrigen zweistelligen Bereich, während sie bei europäischen Banken im Schnitt nur noch rund 7% betragen, verglichen mit hohen zweistelligen Werten vor der Lehman-Pleite. Dank strikterer Regulierung sind die Banken inzwischen zwar mit deutlich mehr Eigenkapital ausgestattet. Gleichzeitig schmälern die aus Sicht der EZB zur Konjunkturankurbelung erforderlichen Negativzinsen deren Rentabilität erheblich. Mittel- bis langfristig stellt dies auch eine Gefahr für die wirtschaftliche Stabilität dar. Denn Banken spielen nach wie vor eine wichtige Rolle für den Erfolg einer Volkswirtschaft. Ihre Rentabilität und die Entwicklung des Aktienkurses sind häufig entscheidend für die Kreditvergabe.
War die Globale Finanzkrise mit ursächlich für das Erstarken des Populismus?
Die Gründe für das Erstarken des Populismus werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Als mögliche Ursachen gelten vor allem Ungleichheit, Globalisierung, verhaltenes Lohnwachstum und Immigration. Aber zählt auch die Finanzkrise dazu?
Ganz von der Hand zu weisen ist dies nicht, zumindest insofern als sich die Politik weltweit nach dem ersten Schock (vor allem in Europa) für einen Mix aus ultra-lockerer Geldpolitik und restriktiverer Finanzpolitik entschied und damit den Trend der vorangegangenen Jahrzehnte verschärfte, in denen das Kapital die Oberhand hatte. In der Folge schossen die Gewinne wieder in die Höhe, während die Löhne bei gleichzeitiger Kürzung sozialer Leistungen kaum stiegen. Das ganze letzte Jahrzehnt war geprägt durch einen strikten Sparkurs. Auch wenn der Nährboden für den Populismus über mehrere Jahrzehnte gelegt wurde, ist das Erstarken extremer Strömungen in vielen Ländern wohl der Krisenpolitik geschuldet. Mehr Zuspruch erhielten populistische Parteien zuletzt vor dem 2. Weltkrieg. Gleichzeitig nehmen die Sorgen angesichts politischer Risiken weltweit zu. Größter Unsicherheitsfaktor ist derzeit die USA.
Sollte die Globale Finanzkrise tatsächlich mit ursächlich für das Erstarken des Populismus sein, dürfte sie noch lange nicht ausgestanden sein. Schließlich sind populistische Bewegungen weltweit auf dem Vormarsch.
Einschätzung der Performance nach der Krise
Die Ironie der Geschichte ist: Seit der Lehman-Pleite sind die Renditen – von einigen Ausnahmen abgesehen – erfreulich. Zu nennen ist hier vor allem die nahezu unaufhaltsame Rallye der US-Aktienmärkte. Europäische Aktien hingegen schnitten aufgrund der vergleichsweise lustlosen Entwicklung des DAX meist unterdurchschnittlich ab. In der vergangenen Dekade waren massive Interventionen und Assetpreisinflation kein universelles Phänomen. Die Jagd nach Rendite erwies sich gleichwohl als kluge Strategie, da Rohstoffe einen Teil der Verluste bei Anlagen mit negativen Renditen wettmachten. Die große Frage ist: Gilt das auch für die nächsten zehn Jahre?
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