Dass mit mehr Makroschocks zu rechnen sei, war relativ klar: Schließlich waren die Zentralbanken nach einer sehr langen Phase der erstaunlich lockeren Geldpolitik auf einen Straffungskurs eingeschwenkt. Die Schocks (z.B. die Volatilitätsspitze Anfang Februar, die Handelskonflikte, die politische Krise in Italien und jüngst die Krise in der Türkei) hatten jedoch keine dauerhaften Auswirkungen auf die Volatilitätskennzahlen, die in der Regel die Credit Spreads treiben. Allerdings kam es wiederholt zu Rentenmarktrallyes, weil die Anleger nach sicheren Häfen suchten. Unsere Prognose, dass es zu stärkeren Volatilitätsausschlägen kommen werde, beeinflusste also unsere Renditeprognose. Nun stellen wir uns die Frage, wie derzeit die Koexistenz von Volatilität und Renditen aussieht: Können die Renditen ansteigen, wenn die Zahl der Schockereignisse zunimmt?
Am Aktienmarkt ist die Volatilität nur geringfügig höher als Anfang 2018, und am Rentenmarkt hat sich die Volatilität vor allem in Europa kaum von ihrem Allzeittiefstand zu Beginn des Jahres entfernt. Selbst in den USA, wo die Renditen zu Jahresbeginn deutlich anstiegen, bewegt sich die Volatilität am Rentenmarkt wieder in Richtung der Allzeittiefstände vom Dezember 2017.
Nun stehen wir vor folgendem Dilemma: Wir haben die Entwicklung der Spreads in diesem Jahr zutreffend eingeschätzt und rechnen mit weiteren Volatilitätsspitzen. Dennoch sind die Spreads derzeit niedrig, jedenfalls im Vergleich zum fairen Wert, der sich aus unseren Volatilitätsmodellen ergibt (abgesehen vom US-High-Yield-Segment). Wenn wir uns gegen den Konsens stellen wollen, müssten wir wohl eine taktische Übergewichtung empfehlen.
Dies können wir jedoch nicht, weil wir nach wie vor der Auffassung sind, dass bis zum Jahresende 2018 noch zahlreiche Makro-Stolperfallen bestehen, aufgrund derer sich die Volatilität wieder erhöhen könnte. Im weiteren Jahresverlauf 2018 dürften einander widersprechende Einflussfaktoren das Geschehen an den Märkten bestimmen: Einerseits ist das US-Wachstum kräftig und die Unternehmensgewinne sind hoch, andererseits bestehen beträchtliche Makrorisiken. Aus der Türkei dürften weitere schlechte Nachrichten kommen. Wenn die Verhandlungen über den italienischen Haushalt im weiteren Monatsverlauf die kritische Phase erreichen, sollten die Spannungen zunehmen. Der Handelskonflikt schwelt weiter, und in den USA stehen die Zwischenwahlen an. Und bis zum Jahresende wird die Fed ihren Leitzins bis zum Jahresende wohl noch zweimal anheben und die EZB ihre QE-Käufe beenden. Außerdem wird zum Jahresende hin mehr Klarheit über den Brexit herrschen, und selbst wenn dieser „sanfter“ verläuft als noch vor einigen Monaten befürchtet, könnten sich die Verhandlungen zunächst schwierig gestalten. Je näher der Austrittstermin rückt, desto klarer könnte das Risiko eines „No-Deal-Szenarios“ in bestimmten Risikomärkten eingepreist werden. Kurz, da einige dieser Faktoren bereits in den Spreads berücksichtigt sind,rechnen wir zum Jahresende hin lediglich mit einer leichten weiteren Spreadausweitung, selbst wenn sich unser Makroszenario bewahrheitet.
Es überrascht nicht, dass High-Yield-Anleihen mit kürzeren Laufzeiten, deren Cashflows stärker vom weiterhin kräftigen Wachstum abhängen, besser abgeschnitten haben als Investment-Grade-Anleihen mit längeren Laufzeiten, die stärker vom Welthandel beeinflusst werden. Der Mechanismus ist zwar klar, die Entwicklung erscheint jedoch – vor allem in USD – übertrieben. Daher ziehen wir IG-Anleihen sowohl in EUR als auch in USD gegenüber HY-Anleihen vor. Relativ gesehen halten wir EUR-IG-Anleihen für attraktiver als ihre USD-Pendants. In Europa sollten die monetären Bedingungen noch einige Zeit lang akkommodierend bleiben; bei negativen Zinsen am kurzen Ende bleibt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen IG-Anleihen hoch. In den USA dagegen hebt die Fed ihren Leitzins weiter an, die Unternehmen kaufen weiterhin im großen Stil Aktien zurück und es finden umfangreiche Fusionen und Übernahmen statt. Insofern ist das Umfeld für IG-Anleihen gegebenenfalls ungünstiger. EUR-IG-Anleihen haben in diesem Jahr aufgrund binnenwirtschaftlicher Risiken unterdurchschnittlich abgeschnitten. Diese Risiken könnten jedoch zum Jahresende hin abklingen, was für unser Szenario spricht – ungeachtet kurzfristiger, politisch bedingter Mark-to-Market-Risiken. Auch Wechselkursüberlegungen sprechen für EUR-Papiere.
Sowohl in Europa als auch in den USA setzen wir weiter auf Kredite, insbesondere nach der Spread-Rallye bei HY-Anleihen im Laufe des Sommers und angesichts der Tatsache, dass wir im weiteren Jahresverlauf eine Spreadausweitung erwarten. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen Krediten und Anleihen unverändert, zumal Anleihen bei allgemein sinkenden Spreads im Juli überdurchschnittlich abschnitten. Über weitere Strecken des ersten Halbjahres hinweg haben sich Kredite – vor allem in Europa – im Zuge der Spread-Ausweitung überdurchschnittlich geschlagen. Damit rechnen wir auch weiterhin, da sich die Credit Spreads moderat weiter ausweiten sollten und die Volatilität im weiteren Jahresverlauf zunehmen sollte. Gleichzeitig dürften die Makro-Fundamentaldaten relativ robust bleiben. Das Umfeld für Kredite ist also nach wie vor sehr günstig.
Unsere Prognose „nach der Sommerpause“ gliedert sich wie folgt:
- Jüngste Prognosen für USD-, EUR- und GBP-Credit Spreads
- Makro-Überblick
- IG- und HY-Bewertungen
- Rücknahme der QE-/CSPP-Käufe der EZB
Außerdem fassen wir wichtige Ereignisse und Risiken für Unternehmensanleihen zum Jahresende hin zusammen: Zu nennen wären der Brexit, der Handelskonflikt, Italien, die Zwischenwahlen in den USA und die Schwellenländer.
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