Anfang November hat die EU-Kommission neue CO₂-Grenzwerte für Pkw (und leichte Nutzfahrzeuge) vorgeschlagen, die 2025 bzw. 2030 eingehalten werden müssen. Danach sollen die durchschnittlichen CO₂-Emissionen neu zugelassener Pkw in der EU um 15% bis zum Jahr 2015 und um 30% bis 2030 sinken. Als Referenzwert dient dabei der Grenzwert von 95 Gramm CO₂ pro Kilometer (2016: 118,1 g/km), der im Durchschnitt der Neuwagenflotte bis spätestens 2021 erreicht werden muss; die 95 Gramm CO₂ pro Kilometer entsprechen ca. einem Verbrauch von 3,6 Litern Diesel bzw. 4,1 Litern Benzin pro 100 Kilometer Fahrleistung. Das vorgeschlagene Reduktionsziel kann noch nicht in einen absoluten CO₂-Grenzwert in Gramm pro Kilometer übersetzt werden, denn die bisherigen Grenzwerte basieren auf einem anderen Prüfzyklus als die künftigen (Umstellung vom „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) auf die realitätsnähere „Worldwide harmonised Light vehicles Test Procedure“ (WLTP)).
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht weniger anspruchsvolle CO₂-Grenzwerte für Autohersteller vor, deren Absatz von (lokal) emissionsfreien oder -armen Autos im Jahr 2025 mehr als 15% und 2030 mehr als 30% der gesamten Neuzulassungen ausmacht; es handelt sich hierbei im Wesentlichen um Elektroautos (inklusive Fahrzeuge mit Brennstoffzelle) sowie Plug-in-Hybride. Zugleich sind Strafen vorgesehen, sollten die CO₂-Grenzwerte von den Autoherstellern überschritten werden. Diese belaufen sich auf EUR 95 für jedes Gramm über dem herstellerspezifischen Grenzwert. Dieser Strafbetrag wird auf alle Pkw aufgeschlagen, die das betreffende Unternehmen in der EU verkauft. Sollte beispielsweise ein Autohersteller seinen Grenzwert um 5 Gramm überschreiten, wird für alle neuzugelassenen Pkw des Herstellers eine Strafzahlung in Höhe von EUR 475 fällig.
Die Reaktionen auf den Vorschlag der EU-Kommission fielen unterschiedlich aus. Während ökologisch orientierte NGOs die Vorschläge als wenig ambitioniert bezeichnen, spricht die Automobilindustrie von einer extremen Herausforderung; sie stellt in Frage, ob die CO₂-Grenzwerte erreicht werden können.
Diese unterschiedlichen Beurteilungen waren zu erwarten. Fakt ist: Die vorgeschlagenen CO₂-Grenzwerte können im Durchschnitt der Neuwagenflotte, die auch künftig vom Kleinwagen bis zum Pick-up reichen wird, allein mit Verbrennungsmotoren nicht erreicht werden. Auch wenn weitere Effizienzfortschritte zu erwarten sind, stößt man letztlich an die Grenzen der Physik. Insofern erzwingt die Regulierung eine Abkehr vom Verbrennungsmotor. Und da batterieelektrische Autos – unabhängig vom Strommix – per politischer Definition als Null-Emissionsfahrzeuge gelten, ist verständlich, dass die Automobilindustrie in den nächsten Jahren immer mehr Elektroautos (und Plug-in-Hybride) auf den Markt bringen möchte.
Ein Grundproblem ist bislang jedoch nicht gelöst: Der durchschnittliche Autokäufer spielt nicht mit und lässt derzeit Autos mit alternativen Antriebstechnologien weitgehend links liegen. Dies gilt vor allem für jene Länder, in denen der Kauf von Elektrofahrzeugen nicht (massiv) subventioniert wird. Dort, wo hohe staatliche Förderungen gewährt werden, erreichen Elektrofahrzeuge & Co. inzwischen dagegen nennenswerte Marktanteile an den Neuzulassungen (z.B. über 40% in Norwegen im 3. Quartal 2017). Der wichtigste Trend beim Neuwagenkauf auf EU-Ebene insgesamt ist derzeit allerdings die Marktverschiebung weg vom Diesel-Pkw hin zum Benziner.
Mehrere Optionen denkbar: Marktergebnis, Subventionen, Strafzahlungen
Bezüglich des Einhaltens (bzw. auch des Nicht-Einhaltens) der vorgeschlagenen CO₂-Grenzwerte sind verschiedene Szenarien denkbar:
- Technologieoptimistisch: Erstens könnten der technische Fortschritt in der Elektromobilität in den nächsten Jahren schnell voranschreiten und die Kosten für die entsprechenden Fahrzeuge stark sinken. In der Folge würden Elektroautos vor allem deshalb gekauft, weil sie den Kunden im Gesamtpakt überzeugen. Durch den steigenden Marktanteil würden die CO₂-Grenzwerte dann quasi als ordnungspolitisch motiviertes Marktergebnis eingehalten.
- Interne Subventionierung: Zweitens könnten die Autohersteller den Absatz von Elektrofahrzeugen quersubventionieren, um ausreichend hohe Marktanteile zu erzielen und die CO₂-Grenzwerte einzuhalten. Dies könnte vor allem dann notwendig sein, wenn die Autokäufer bei alternativen Antriebstechnologien auch künftig zurückhaltend bleiben. So ist es sehr unsicher, in welchem Ausmaß die bisherigen Nachteile von Elektroautos (höhere Anschaffungskosten gerade im Volumensegment, geringe Reichweite, unzureichende Ladeinfrastruktur usw.) bis 2030 verringert werden. Bei rein ökonomischer Betrachtung würden die Autohersteller die Höhe der notwendigen Subventionen mit den beim Nicht-Einhalten der CO₂-Grenzwerte fälligen Strafen vergleichen. Eine Quersubventionierung lohnt sich dann, wenn die Subventionen für Elektrofahrzeuge niedriger ausfallen als etwaige Strafzahlungen für den gesamten Absatz des jeweiligen Unternehmens.
- Staatliche Subventionierung: Drittens könnte der Staat (wie heute in einigen Ländern schon üblich) zusätzlich zu den CO₂-Grenzwerten den Absatz von Elektroautos subventionieren, wenn er das aus klimapolitischer Sicht für eine gute Idee hält. Auch so würde die Marktdurchdringung von Elektroautos steigen. Das wäre dann eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche.
- Strafzahlungen: Viertens könnten Autohersteller die skizzierten Strafen zahlen, sollten sie den CO₂-Grenzwert verfehlen, weil die Autokäufer nicht genügend Elektrofahrzeuge oder Autos mit niedrigen Emissionswerten kaufen. Dies würde sich rein rechnerisch dann lohnen, wenn die Strafzahlungen niedriger ausfallen als die ansonsten notwendige Rabatte auf Elektroautos (Quersubventionen). Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Autohersteller diese rein ökonomische Betrachtungsweise anstellen würden. Denn es ist relativ wahrscheinlich, dass ökologisch orientierte NGOs die betreffenden Unternehmen wegen des Verfehlens der Grenzwerte dauerhaft öffentlich anprangern würden – zusätzlich zu den ohnehin geleisteten Strafzahlungen. Der Imageschaden müsste also ebenfalls ökonomisch bewertet werden.
Es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir bis 2030 eine Mischung der verschiedenen Optionen sehen. Die reale Entwicklung dürfte von Land zu Land und von Autohersteller zu Autohersteller unterschiedlich ausfallen.
CO₂-Grenzwert mit einigen grundsätzlichen Nachteilen
Es ist offenkundig, dass die Kosten für die CO₂-Vermeidung im Straßenverkehr, die durch die CO₂-Grenzwerte angestrebt werden sollen, im Vergleich zu anderen CO₂-Vermeidungsmaßnahmen sehr hoch ausfallen werden. Allerdings hat man sich fast ein wenig daran gewöhnt, dass die CO₂-Vermeidungskosten in der Klimaschutzpolitik nur eine untergeordnete Rolle spielen. Man könnte manchmal meinen, dass die finanziellen Ressourcen, die für den Klimaschutz eingesetzt werden, kein limitierender Faktor seien.
Fest steht ferner, dass die CO₂-Grenzwerte für neu zugelassene Pkw wichtige Einflussfaktoren auf die tatsächlichen CO₂-Emissionen im Straßenverkehr komplett außer Acht lassen (z.B. gesamte Fahrleistung pro Pkw, individuelles Fahrverhalten).
Problematisch bleibt schließlich auch, dass die tatsächlichen CO₂-Vermeidungen durch die Grenzwerte selbst dann recht gering ausfallen, wenn der Anteil von Elektroautos schnell steigen sollte. Denn durch die Elektromobilität werden letztlich CO₂-Emissionen aus dem Straßenverkehr in den Stromsektor verschoben, der nicht klimaneutral ist; positiv ist jedoch, dass die CO₂-Emissionen im Stromsektor durch den EU-Emissionshandel gedeckelt sind. Für die lokalen Schadstoff- und Lärmemissionen ist ein hoher Anteil von Elektroautos unbestritten positiv.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass es klimapolitische Instrumente gibt, die ökologisch treffsicherer und ökonomisch effizienter sind als CO₂-Grenzwerte für Pkw. Letztlich muss aber der Autokäufer mitspielen, wenn die vorgeschlagenen CO₂-Grenzwerte eingehalten werden sollen.