23. Februar 2023
Im zweiten Halbjahr hat das Kreditvolumen mit Unternehmen und Selbstständigen weiter kräftig zugelegt (EUR +42 Mrd.), selbst ohne Notkredite an Energiefirmen (EUR 13 Mrd.). Das Plus ggü. Vorjahr liegt bei 8,2%, v.a. dank der kurz- und mittelfristigen Kredite. Förder- und Auslandsbanken gewannen Marktanteile. Der rapide Zinsanstieg dürfte das Wachstum 2023 stark bremsen. Termin- expandierten zulasten von Sichteinlagen. Die Finanzierungsalternativen schnitten eher schwach ab. Die deutsche Wirtschaft dürfte im Winterhalbjahr in eine technische Rezession rutschen. Aufgrund der anschließenden Erholung ist für das Gesamtjahr 2023 immerhin eine Stagnation zu erwarten. Der private Verbrauch leidet unter dem inflationsbedingten Kaufkraftverlust, auch wenn die Energiepreise zuletzt zurückgegangen sind. Die Ausrüstungsinvestitionen und der Bau dürften sogar schrumpfen, Rückenwind könnte dagegen von der staatlichen Nachfrage kommen.
[mehr]Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater – Konjunktur kommt mit blauem Auge davon
Jan SchildbachMarc Schattenberg
Im zweiten Halbjahr hat das Kreditvolumen mit Unternehmen und Selbstständigen weiter kräftig zugelegt (EUR +42 Mrd. Deutschland - Monitor Unternehmensfinanzierung Unternehmensfinanzierung Historische r Kredit boom vor dem Ende . Nach einem Rekordanstieg in Q3 hat sich das Kreditgeschäft mit Unternehmen und Selbstständigen in Q4 beruhigt. Auch ohne die Notkredite an Energiefirmen kam in H2 ein kräftiges Kreditplus von insgesamt EUR 42 Mrd. zusammen; der Bestand liegt 8,2% höher als vor einem Jahr. Bei wichtigen Treibern wie der Energie-Unsicherheit, der Inflation und den Sorgen vor einer Rezession entspannte sich die Lage aber zuletzt. Ent sprechend dürfte das Kreditwachstum 2023 deutlich an Fahrt verlieren. 2022 legten vor allem kurz- und mittelfristige Kredite an Energiefirmen und ein breites Spektrum weiterer Branchen zu. Nach einem Intermezzo, in dem fast alle Ban kengruppen profitierten, liegen Förderbanken und Auslandsbanken mittlerweile weit vor der Konkurrenz. Die Banken verschärften die Kreditstandards in Q3 so wie Q4 jeweils moderat und konnten die Zinsmarge ausweiten; die Nachfrage ließ zuletzt deutlich nach. Die Finanzierungsalternativen schnitten (abgesehen vom Leasing) eher dürftig ab - die Emission von Anleihen verlor zunehmend an Schwung und blieb bei Commercial Paper und Aktien im gesamten zweiten Halbjahr kraftlos. Historischer Zinsanstieg geht weiter. Einer der wichtigsten Dämpfer für das Kre ditgeschäft im Jahr 2023 werden die massiv gestiegenen Zinsen sein, die in manchen Kategorien schon über der 4%-Marke liegen und damit so hoch wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Während die Zinsen für Termineinlagen ebenfalls kräftig angezogen haben, steht dies bei Sichteinlagen noch aus. Bis dahin dürften Zuflüsse schwerpunktmäßig im Terminbereich erfolgen. Insge samt blieb in den letzten Monaten das Einlagenwachstum mit zuletzt 4,7% ggü. Vorjahr kontinuierlich hinter dem Kreditwachstum zurück. Eine Verlangsamung ist 2023 sehr wahrscheinlich. Konjunktur Robustes BIP - Wachstum zu Beginn der zweiten Jahreshälfte, jedoch leichte r Rückgang im Schlussquartal . In Q3 sorgte der private Verbrauch noch für deutli che Wachstumsimpulse. Auch die Ausrüstungsinvestitionen gaben Rückenwind. Dagegen dämpften vor allem die Bauinvestitionen das Wac hstum. In Q4 schrumpfte das BIP im Vorquartalsvergleich leicht. Laut Erstmeldung war insbe sondere der private Verbrauch rückläufig. Wachstumsp rognose für 2023 nach oben revidiert, da nur noch leichte techni sche Rezession im Winter 2022/23 zu erwarten. Wichtige ökonomische Para meter haben sich verbessert. Eine Rationierung von Gas ist unwahrscheinlich geworden und die Energiepreise sind insgesamt zurückgegangen. Zudem dürfte die chinesische Wirtschaft nach Ende der Pandemiebeschränkungen an Schwung gewinnen. Somit könnte das deutsche BIP trotz eines schwachen Jahresauftakts zumindest das Vorjahresniveau erreichen. Autoren Jan Schildbach +49 69 910-31717 jan.schildbach@db.com Marc Schattenberg +49 69 910-31875 marc.schattenberg@db.com Editor Stefan Schneider Deutsche Bank AG Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland E-Mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 www.dbresearch.de DB Research Management Stefan Schneider 23. Februar 2023 Kredit vergabe Jetzt folgt d e r Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Unternehmensfinanzierung in Deutschland Kreditvolumen Nach einem Rekordanstieg in Q3 (EUR +56,5 Mrd. bzw. +3,6% ggü. Vorquartal) hat sich die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige zum Jahres ende hin beruhigt (EUR -1,4 Mrd.; -0,1%). Auch ohne die Notfallkredite an Un ternehmen aus dem Energiesektor, die im Sommer einer der wichtigsten Treiber waren, aber in Q4 teilweise schon wieder zurückgezahlt wurden, kam H2 trotz dem auf eine sehr kräftige Kreditexpansion in Höhe von insgesamt EUR 41,9 Mrd. Dank der jüngsten Verlangsamung ging der Vorjahresvergleich allerdings wieder auf 8,2% zurück, nachdem er zwischenzeitlich sogar zweistellige Werte erreicht hatte (ebenfalls ein Allzeithoch). Bei mehreren Faktoren, die für den Kreditboom verantwortlich waren, entspannte sich die Lage in den letzten Wo chen etwas - bei den Energiepreisen, der allgemeinen Inflation und der Unsi cherheit, ob es zu einer Rezession kommt. Demzufolge dürfte das Kreditwachs tum 2023 noch stärker als ohnehin erwartet an Fahrt verlieren, zumal struktu relle Herausforderungen für die deutsche Volkswirtschaft zunehmend in den Vordergrund rücken (zu den Details des aktuellen Konjunkturverlaufs und -aus blicks siehe Teil 2 im Anschluss). Im Euroraum insgesamt verlief die Entwicklung zwar ähnlich, aber doch wesent lich gedämpfter. Auch hier hielt die starke Kreditdynamik bis in den Herbst hin ein an (auch wenn das Expansionstempo vor der Finanzkrise unübertroffen blieb), bevor sie sich zum Jahresende hin abkühlte. In Q3 lag das Kreditplus mit nichtfinanziellen Unternehmen bei EUR 125 Mrd. (+2,5% ggü. Vq.), wovon aller dings fast die Hälfte auf Deutschland entfiel. In Q4 folgte dann sogar eine mode rate Schrumpfung des ausstehenden Kreditvolumens (EUR -33 Mrd., -0,6%). Der 12-Monats-Vergleich verringerte sich spürbar von über 8% auf 5,5%. Hinsichtlich einzelner Branchen in Deutschland hielt das starke Kreditwachstum in der Breite in H2 an. Zum einen waren es Hilfskredite der staatlichen Förder banken an Energieunternehmen, die von der Gaskrise unmittelbar betroffen sind - sie werden statistisch in verschiedenen Wirtschaftszweigen erfasst: Ver kehr (inkl. Energietransport) (Kreditbestand im Dezember +16 ½% ggü. Vor jahr), Handel (+14%) und Versorger/Bergbau (+7 ½%, nach einer teilweisen Rückzahlung zum Jahresende aufgrund der Verstaatlichung und damit verbun denen Eigenkapitalzufuhr bei einem großen Gasimporteur). Zusammen kamen diese drei Bereiche in den letzten sechs Monaten auf Notkredite von gut EUR 13 Mrd. Aber selbst ohne die Notkredite war der Kreditanstieg der höchste in einem Q3 seit der Euro-Einführung und der zweithöchste in einem Q4 seit der Finanzkrise 2008. So kletterten die Kreditvolumina mit dem Verarbeitenden Gewerbe im Ge samtjahr um 9,1%. Mit viel Schwung entwickelten sich auch die Darlehen an Dienstleister (+6,9%). Lediglich bei den Selbstständigen war zuletzt etwas die Luft raus (+3,5%). Unter den einzelnen Industriebranchen ist die Bandbreite weiterhin sehr groß. Spitzenreiter bleiben Kernbranchen der deutschen Volkswirtschaft - die Chemie (+31% ggü. Vj.), gefolgt vom Maschinenbau/Auto (+15%). Am anderen Ende des Spektrums liegen Metall und Ernährung (jeweils +3%) sowie Baustoffe, die als einziger Wirtschaftszweig sogar ein schrumpfendes Kreditbuch verzeichnen (-2%). Die Dienstleistungsbranchen werden unverändert von den Beteiligungs gesellschaften angeführt (+17%). Ebenso dynamisch läuft das Geschäft (immer noch) bei den Wohnungsunternehmen (+8%) sowie den unternehmensnahen Dienstleistungen, d.h. Telekom/Beratung/Werbung (+7%), während zwei Bran chen, die während der Corona-Pandemie im Zentrum des Interesses standen, in den vergangenen 12 Monaten kaum zulegen konnten: Tourismus/Gastronomie (+2%) und Gesundheit (+3%). -2 0 2 4 6 8 10 12 17 18 19 20 21 22 ggü. Vorjahr ggü. Vorquartal Kredite an inländische Unternehmen und Selbstständige* 1 % * ohne sonstige Finanzinstitute Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research -15 -10 -5 0 5 10 15 17 18 19 20 21 22 Verarbeitendes Gewerbe Dienstleistungssektor Selbstständige ... nach Branche 2 % ggü. Vorjahr Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research -20 -10 0 10 20 30 40 17 18 19 20 21 22 Kurzfristige Kredite Mittelfristige Kredite Langfristige Kredite ... nach Fristigkeit* 3 * ohne sonstige Finanzinstitute Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research % ggü. Vorjahr -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 17 18 19 20 21 22 Kreditbanken darunter Großbanken darunter Auslandsbanken Landesbanken Sparkassen Kreditgenossenschaften ... nach Bankengruppe* 4 * ohne sonstige Finanzinstitute % ggü. Vorjahr Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research 2 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Bei den sonstigen Branchen expandieren die Kredite an den Bau - sicher nicht zuletzt inflationsbedingt - sehr stark (+11%), während Ausleihungen an die Landwirtschaft weiter fast stagnieren (+1%). Mit Blick auf die Fristigkeiten zeigen sich einmal mehr die krisenbedingten Trei ber des jüngsten Kreditbooms, der allerdings auf einer ungebrochen robusten Grunddynamik aufbaut. So erhöhten sich die langfristigen Kredite (Laufzeit > 5 Jahre) um 5,3% ggü. Vj. Ein deutlich höheres Wachstumstempo legten die mit tel- (+17%) und kurzfristigen Kredite hin (Laufzeit < 1 Jahr; +18%, mit Brems spuren am aktuellen Rand). Hier schlug sich der akute Liquiditätsbedarf der Energie-, aber eben auch vieler anderer Unternehmen nieder. Vom Kreditboom profitierten zwischenzeitlich viele Bankengruppen . Die aller meisten von ihnen erzielten in Q3 das höchste Wachstum im Vorjahresvergleich seit Beginn der Währungsunion, die Auslandsbanken seit der Übernahme der Hypovereinsbank durch die italienische Unicredit 2005. Mittlerweile hat sich das Bild wieder stärker differenziert: Die Hilfskredite im Zuge der Energiekrise brach ten die Förderbanken (einschl. DZ Bank) an die Spitze (+28% ggü. Vj.), wie schon in der Corona-Zeit. Dahinter liegen die Auslandsbanken (+21%). Erst mit großem Abstand folgen die Genossenschaftsbanken (+7,6%), Sparkassen (+5,8%), Großbanken (+5,4%) und Landesbanken (+4,1%). Andere Finanzierungsquellen Der Markt für Commercial Paper von Nichtbanken hat im Gesamtjahr 2022 stag niert. An ein gutes H1 schloss sich - wie so oft - ein schwaches zweites Halb jahr an, sodass unter dem Strich eine Nettoemission von gerade einmal EUR 24 Mio. zu Buche stand. Bei Unternehmensanleihen haben sich in H2 zunehmend mehrere Gegenwinde bemerkbar gemacht: i) deutlich höhere Zinsen, ii) fehlende Stützungskäufe der EZB und iii) die anstehende Verringerung des von der EZB gehaltenen Portfo lios durch Auslaufen der Papiere und ausbleibende Reinvestitionen („Quantita tive Tightening"). Nach ordentlichen EUR 4,5 Mrd. in Q3 wurden in Q4 netto nur noch Papiere in Höhe von EUR 1,3 Mrd. ausgegeben. Für 2022 insgesamt ergab sich damit eine weitgehende Normalisierung auf einem Niveau von EUR 18 Mrd. Im Eurogebiet als Ganzes sah es deutlich schlechter aus. Hier brach die Emission auf gerade einmal EUR 9,6 Mrd. ein - verglichen mit sonst übli chen EUR 60-80 Mrd. Außerhalb Deutschlands schrumpfte das Marktvolumen. Das Leasing hat nach einem sehr guten H2 im Gesamtjahr mit einem Plus von 4% ggü. 2021 auf EUR 44,9 Mrd. (Neugeschäft) abgeschnitten. Dank eines Schlussspurts kam das größte Einzelsegment, das Pkw-Geschäft, noch auf ei nen leichten Zuwachs von 2%. In den ebenfalls bedeutenden Kategorien Lkw & Busse sowie Maschinen gab es eine Steigerung von zusammen 5%. Mit am er folgreichsten lief es in der Büroelektronik (+14%). Der kleine, aber recht volatile Immobilienbereich konnte um 23% auf knapp EUR 1 Mrd. zulegen. Das Umfeld für Aktienemissionen blieb in den vergangenen Monaten schwierig. Es gab zwar einen größeren Börsengang im Automobilsektor, allerdings kamen in diesem Fall keine neuen Aktien auf den Markt. Ebenso nicht enthalten ist die Kapitalzufuhr (von > EUR 20 Mrd.) im Zuge der Verstaatlichung eines großen Energieimporteurs. Davon abgesehen fanden auch in H2, trotz zuletzt wieder steigender Kurse, keine größeren Kapitalerhöhungen oder Börsengänge statt. Somit betrug das Volumen im Gesamtjahr lediglich EUR 4,6 Mrd., der schwächste Wert seit 2016. Einlagenvolumen Nach einem außergewöhnlichen Plus in Q3 - dem mit EUR 64,5 Mrd. nominal größten seit der Wiedervereinigung - normalisierten sich die Einlagen von Un ternehmen und Selbstständigen in Q4 etwas, wie auch auf der Kreditseite. Ein -5 0 5 10 15 20 25 17 18 19 20 21 22 Anleihen inländischer nichtfinanzieller Unternehmen, Nettoemission 6 Mrd. EUR Quellen: EZB, Deutsche Bank Research -6 -4 -2 0 2 4 6 17 18 19 20 21 22 Commercial Paper inländischer Nichtbanken, Nettoemission 5 Mrd. EUR Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research 0 2 4 6 8 10 12 14 17 18 19 20 21 22 Mobilien Immobilien Mrd. EUR Leasinggeschäft, Neuvolumen* 7 * Statistischer Bruch in Q1 2018. Entspricht nicht dem Gesamtmarkt. Quelle: BDL 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 17 18 19 20 21 22 Aktienemissionen inländischer Unternehmen (einschl. Finanzinstitute) 8 Mrd. EUR Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research 3 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon moderater Rückgang von EUR 12,8 Mrd. reduzierte den 12-Monats-Vergleich auf 4,7%. Selbst in Q3 war die Veränderungsrate allerdings niedriger als in der Corona-Zeit und bleibt auch aktuell deutlich hinter dem Kreditwachstum zurück, was für einen Abbau der „Vorsichtskasse", eventuell aber auch für Liquiditäts probleme bei manchen Unternehmen sprechen könnte. Zwischenzeitlich hatten dieselben Faktoren, die zur massiven Kreditausweitung führten, auch zur stär keren Einlagenhaltung beigetragen - insbesondere der erhöhte Bedarf an Wor king Capital, die Unsicherheit mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, den Fort gang der Inflation und die Energiekrise sowie die Sorgen vor einer Rezession. Hinzu kommen die steigenden Zinsen auch für Einlagen, selbst wenn diese mit der Erhöhung der Inflationsraten bislang nicht Schritt halten konnten und die re ale Verzinsung damit sogar noch negativer geworden ist. Zumindest aus einer reinen Cashflow-Sicht sind Bankeinlagen für Unternehmen heute weniger unat traktiv als vor einem Jahr. Bemerkenswert: Die praktisch mehr als ein Jahrzehnt anhaltende Substitution, die strukturelle Umschichtung von Termin- in Sichtein lagen, ist zu Ende. Grund dürften vor allem die verbesserten Zinskonditionen sein (Details siehe unten). Die Termingelder sprangen in H2 um insgesamt EUR 67 Mrd. in die Höhe, das entspricht ungefähr dem kombinierten Minus der Jahre 2019-21. Gleichzeitig waren die Sichteinlagen rückläufig (EUR -15 Mrd.). Sie brachen zwischen September und Dezember ein, nachdem sie im Vorquartal noch gestiegen waren. Solange sich hier die Zinsen von den allgemeinen Markt trends abgekoppelt haben, dürfte sich das langjährige Wachstum der Sichteinla gen nicht mehr fortsetzen. Ergebnisse des Bank lending surveys der EZB Im zweiten Halbjahr verschärften die Banken die allgemeinen Kreditstandards moderat (gemeldet von netto jeweils 19% der Institute in Q3 sowie Q4). Das ist etwas mehr als zu Beginn der Corona-Pandemie, aber kein Vergleich mit der Fi nanzkrise. Ähnlich sah es bei tatsächlich vergebenen Krediten aus; auffällig hier nur, dass die Marge bei durchschnittlichen Krediten stärker ausgeweitet wurde als bei riskanteren (gemeldet von je 29% bzw. 19% der Banken). Die größere Zurückhaltung der deutschen Banken bei „Standard"-Krediten war auch der ein zige wesentliche Unterschied zur Branche im Euroraum insgesamt. Während die Kreditnachfrage in Deutschland nach zuvor starken Zuwächsen in Q3 effektiv noch stagnierte, ließ sie in Q4 deutlich nach (berichtet von 32% der Banken). Hauptbremser waren eine geringere Investitionsneigung und die mas siv gestiegenen Zinsen. In Euroland als Ganzes fiel der Rückgang weniger kräf tig aus (11%). Für das laufende Quartal erwarten die deutschen Banken eine Fortsetzung des jüngsten Trends, d.h. eine weitere Verschärfung der Kreditstandards und ein spürbares Minus bei der Kreditnachfrage. Fundamental anders sieht es auch beim Aggregat der EWU-Banken nicht aus. Zinssätze Im Kredit-Neugeschäft hat sich die beispiellose Zinsrallye der letzten Monate bis zum Jahresende fortgesetzt. Einzig bei Krediten mit langer Zinsbindungsfrist (> 5 Jahre) kletterten die Zinsen zuletzt etwas mit angezogener Handbremse (sie liegen mit durchschnittlich 3,3% auch unter den kürzeren Fristen, was die Markterwartung widerspiegelt, dass die Zinsen in nicht zu ferner Zukunft schon wieder sinken dürften). Kleinere Kredite (< EUR 1 Mio.) an Kapitalgesellschaften und Kredite an Selbstständige und Personengesellschaften kosten aktuell mehr als 4% und damit so viel wie letztmals 2011. Auf der Einlagenseite ist bemerkenswert, wie sehr die Zinsen für Sichteinlagen (immer noch nur 11 Bp.) und die für Termingelder (schon 1,7%) auseinander laufen. Das wird sehr wahrscheinlich nicht von Dauer sein. Jan Schildbach (+49 69 910-31717, jan.schildbach@db.com) 1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 1.500 1.600 -40 -20 0 20 40 60 80 17 18 19 20 21 22 Termineinlagen, ggü. Vorquartal (links) Sichteinlagen, ggü. Vorquartal (links) Volumen insgesamt** (rechts) Mrd. EUR Sicht- und Termineinlagen von inländi schen Unternehmen & Selbstständigen* 9 * einschließlich sonstiger Finanzinstitute ** Enthält Anstieg um EUR 1,1 Mrd. in Q3 20 aufgrund statistischer Umklassifizierungen. Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 Q1 2 0 Q3 2 0 Q1 2 1 Q3 2 1 Q1 2 2 Q3 2 2 Q1 2 3 Deutschland Euroraum * Q1 23 erwarteter Wert ... verschärft ... gelockert Bank lending survey: Kreditstandards für Unternehmen* 10 Quellen: Bundesbank, EZB -40 -20 0 20 40 60 80 Q1 2 0 Q3 2 0 Q1 2 1 Q3 2 1 Q1 2 2 Q3 2 2 Q1 2 3 Deutschland Euroraum ... gestiegen Bank lending survey: Nachfrage nach Unternehmenskrediten* 11 * Q1 23 erwarteter Wert Quellen: Bundesbank, EZB ... gesunken 4 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon -20 -10 0 10 20 30 40 50 Q4 1 9 Q2 2 0 Q4 2 0 Q2 2 1 Q4 2 1 Q2 2 2 Q4 2 2 Deutschland Euroraum ... verschärft ... gelockert Bank lending survey: Kreditkonditionen für Unternehmen insgesamt 12 Quellen: Bundesbank, EZB -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 Q4 1 9 Q2 2 0 Q4 2 0 Q2 2 1 Q4 2 1 Q 2 2 2 Q4 2 2 Deutschland Euroraum ... gesunken ... darunter Margen für durchschnittliche Unternehmenskredite 13 Quellen: Bundesbank, EZB ... gestiegen 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 17 18 19 20 21 22 Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, ≤ EUR 1 Mio. Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, > EUR 1 Mio. Kredite an Selbstständige und Personengesellschaften % Ø-Zins im Kredit-Neugeschäft, nach Kredithöhe 15 Quelle: EZB 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 17 18 19 20 21 22 Kredite mit Zinsbindung ≤ 1 Jahr Kredite mit Zinsbindung von 1-5 Jahren Kredite mit Zinsbindung > 5 Jahre ... nach Zinsbindungsfrist 16 %, Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Quelle: EZB -1,0 -0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 17 18 19 20 21 22 Sichteinlagen Termineinlagen % Ø-Zins auf Einlagen von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften (Neugeschäft) 17 Quelle: EZB -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 Q4 1 9 Q2 2 0 Q4 2 0 Q2 2 1 Q4 2 1 Q2 2 2 Q4 2 2 Deutschland Euroraum ... gesunken ... darunter Margen für riskantere Unternehmenskredite 14 Quellen: Bundesbank, EZB ... gestiegen 5 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Stabile Wirtschaft trotz technischer Rezession im Winter - Ende des vergangenen Sommerhalbjahres sorgte der private Verbrauch noch einmal für deutliche Wachstumsimpulse. Auch von den Ausrüstungsin vestitionen kam in Q3 Rückenwind. Dagegen dämpften vor allem die Bauin vestitionen das Wachstum. In Q4 schrumpfte das BIP dann im Vorquartals vergleich leicht. Laut Statistischem Bundesamt war insbesondere der pri vate Verbrauch rückläufig. - Dank verbesserter ökonomischer Rahmenbedingungen haben wir die Wachstumsprognose für 2023 nach oben revidiert. Eine Gasrationierung ist nun unwahrscheinlich, die Energiepreise sind zurückgegangen und Chinas Wirtschaft dürfte im Jahresverlauf mehr Schwung gewinnen als zunächst er wartet. Daher könnte das deutsche BIP zumindest das Vorjahresniveau er reichen. Dennoch ist im Winter 2022/23 eine technische Rezession zu er warten. Schwaches Q4 könnte leichte technische Rezession einläuten Laut Erstmeldung des Statistischen Bundesamtes schrumpfte das deutsche BIP in Q4 2022 um 0,2% ggü. Vq. Wie üblich gab es dazu nur eine knappe verbale Einschätzung (Details am 24. Feb.), wonach insbesondere der private Ver brauch rückläufig war. Bis dahin hielt sich die deutsche Wirtschaft noch überra schend robust. In Q3 legte das BIP um 0,5% ggü. Vq. zu. Trotz schon deutlicher Kaufkraftverluste (Verbraucherpreisindex in Q3: 8,5% ggü. Vj.) stützte vor allem die Nachfrage der privaten Haushalte das Wachstum. Auch von den Ausrüs tungsinvestitionen kamen leichte positive Impulse. Im Gegensatz dazu dämpf ten die Bauinvestitionen, die Nettoexporte und die Vorratsveränderungen das Wachstum. Die staatlichen Konsumausgaben blieben in Q3 unverändert. Im Jahresdurchschnitt 2022 konnte die deutsche Wirtschaft trotz zunehmender Ge genwinde um 1,8% (2021: 2,6%) expandieren. Wachstumsprognose für 2023 nach oben angepasst Wenngleich sich wichtige ökonomische Rahmenbedingungen zwischenzeitlich verbessert haben, dürfte der Start in das laufende Jahr ähnlich schwach ausfal len wie das Schlussquartal 2022. Die Wirtschaftsleistung könnte in Q1 erneut um etwa ¼% ggü. Vq. schrumpfen. In diesem Fall würde die technische Rezes sion jedoch weit schwächer ausfallen als noch Anfang Herbst 2022 zu befürch ten war. Daher haben wir unsere Wachstumsprognose für das Jahr 2023 um 1 %-Punkt nach oben angepasst. Das deutsche BIP dürfte im Durchschnitt des laufenden Jahres auf Vorjahresniveau verbleiben und nicht zurückgehen, wie noch im Herbst 2022 zu befürchten war. Zu den positiven Faktoren zählen die günstigen Gasspeicherstände, gesunkene Energiepreise, die diversen staatlichen Unterstützungen und nicht zuletzt die re duzierten Verbräuche der Haushalte und Unternehmen. Auf Jahressicht dürfte die deutsche Wirtschaft auch von der umfassenden Rücknahme der Pandemie beschränkungen in China profitieren. Die von uns in der zweiten Jahreshälfte erwartete US-Rezession könnte allerdings einen Teil dieser positiven außenwirt schaftlichen Dynamik ausbremsen. Die Binnennachfrage dürfte erst einmal noch vom inflationsbedingt hohen Kaufkraftverlust der privaten Haushalte bestimmt werden. Zudem ist zu erwarten, dass die Bauinvestitionen weiter unter dem Zinsumfeld leiden werden. Deutschland: Konjunkturprognose % ggü. Vj. 2021 2022 2023P Reales BIP 2,6 1,8 0,0 Privater Konsum 0,4 4,6 0,5 Staatsausgaben 3,8 1,1 1,1 Anlageinvestitionen 1,2 0,2 -1,9 Ausrüstungen 3,5 2,5 -1,1 Bau 0,0 -1,6 -4,3 Lager, %-Punkte 0,5 0,6 0,2 Exporte 9,7 3,2 3,4 Importe 9,0 6,7 4,3 Nettoexport, %-Punkte 0,8 -1,3 -0,3 VPI (nat. Def.) 3,1 6,9 6,5* Staatsverschuldung, % BIP 68,6 67,7 66,1 Arbeitslosenquote, % 5,7 5,3 5,4 Budgetsaldo, % BIP -3,7 -2,6 -2,6 *Prognose basiert auf dem Datenstand vor Veröffentlichung der Revisionsergebnisse am 22.02.2023 . Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research -15 -10 -5 0 5 10 15 -10 -6 -2 2 6 10 19 20 21 22 23 % ggü. Vq. (links) % ggü. Vj. (rechts) Prognose Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research Nur leichte technische Rezession im Winter 2022/23 zu erwarten 18 19 6 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Privater Verbrauch robust im Sommer, danach aber schwächer Trotz bereits deutlich gestiegener Verbraucherpreise und spürbar eingetrübtem Konsumklima expandierte der private Verbrauch in Q3 um 1% ggü. Vq. (Q2: 0,9%) und stützte das BIP-Wachstum mit 0,5 %-Punkten. Vor allem die Nach frage nach tourismusbezogenen Dienstleistungen (Beherbergungen und Gast stätten Q3: 5,9% ggü. Vq.) sorgte für Rückenwind. Hingegen schrumpften die realen Einzelhandelsumsätze (Q3: -0,7% ggü. Vq.) schon leicht. In Q4 be schleunigte sich deren negative Dynamik (-2,7% ggü. Vq.) dann noch weiter. Auch die bis November vorliegenden Dienstleistungsumsätze von Beherbergun gen und Gastgewerbe schwächten sich zuletzt deutlich ab. Die allgemeine Unsi cherheit, anhaltende Konjunktursorgen sowie der rasante Anstieg der Verbrau cherpreise (VPI-Spitzenwert von 10,4 % ggü. Vj. im Okt.) ließen das Verbrau chervertrauen im Oktober auf ein Rekordtief von -42,8 abstürzen. All diese Da ten untermauern den vom Statistischen Bundesamt für Q4 bereits verbal ange deuteten Rückgang des privaten Verbrauchs. Fiskalische Unterstützungen („De zember-Abschlag", Absenkung der MwSt. für Gaslieferungen auf 7%) und Nach holeffekte beim Kauf von Kraftfahrzeugen (Neuzulassungen (VDA) Q4: 29,6% ggü. Vj.) dürften das Ausmaß aber begrenzt haben. Der Verlust realer Kaufkraft, ein weiterhin gedämpftes Konsumklima und nicht zuletzt ein negativer Überhang dürften im Vorquartalsvergleich auch in Q1 für einen zumindest leicht rückläufigen privaten Verbrauch sorgen. Im Verlauf des Sommers dürfte dann aber eine Erholung einsetzen, sodass im Gesamtjahr 2023 ein Wachstum des Konsums der privaten Haushalte von etwa ½% zu er warten ist. Bauinvestitionen in Q3 weiter rückläufig, Ausrüstungen mit mehr Schwung Die Bruttoanlageinvestitionen legten in Q3 nur leicht (0,2% ggü. Vq.) zu. Maß geblich war der erneute Rückgang der Bauinvestitionen um 1,4% ggü. Vq. (Q2: -3,2%), der das BIP-Wachstum in Q3 um 0,1 %-Punkte dämpfte. Anhaltend hohe Baupreise (Q4: 16,9% ggü. Vj., Q3: 16,5%) und deutlich gestiegene Bau zinsen bremsen die Bauinvestitionen empfindlich. Während die Meldungen von Materialengpässen (Q4: 26,4; Q3: 32,7) spürbar zurückgegangen sind, fehlen weiterhin auf vielen Baustellen Fachkräfte. Zudem zogen die Stornierungen von Wohnungsbauprojekten im Verlauf von Q4 (ifo Nov: 16,7%) deutlich an und la gen auch im Januar noch bei knapp 14%. Diese Faktoren lassen auch im Win terhalbjahr nur eine schwache Entwicklung der Bauinvestitionen erwarten. Für das Gesamtjahr 2023 zeichnet sich eine schwere Baurezession ab, die Bauin vestitionen könnten um 4 ½% zurückgehen. Bei den Ausrüstungsinvestitionen (Q3: 2,7% ggü. Vq.; Q2: 1,1%) setzte sich der Aufwärtstrend im Sommerhalbjahr fort. Sie stützten das Wirtschaftswachstum mit 0,2 %-Punkten. Nachlassende Lieferengpässe und eine stabile Kapazitäts auslastung (Q3: 85%) dürften dazu beigetragen haben, dass die inländischen Investitionsgüterumsätze in Q3 um 4,7% ggü. Vq. zulegen konnten. Die im Schlussquartal deutlich rückläufigen Auftragseingänge (-4% ggü. Vq.) dürften, zusammen mit der anhaltend gedrückten Stimmung in der Industrie (PMI Q4: 46,1), zu einer spürbar nachlassenden Dynamik der Ausrüstungsinvestitionen geführt haben. Im Jahr 2023 könnten sie um gut 1% schrumpfen. Arbeitsmarkt stabil auch zum Jahreswechsel 2022/23 Der deutsche Arbeitsmarkt ist nach wie vor ein Stabilitätsanker für die deutsche Wirtschaft. In saisonbereinigter Rechnung legte die Erwerbstätigkeit in Q3 und -12 -8 -4 0 4 8 12 16 17 18 19 20 21 22 Quelle: Statistisches Bundesamt %, ggü. Vq., sb. Privater Verbrauch war im Sommer 2022 ein Stabilitätsanker 21 -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 20 21 22 23 GfK Konsumklima Anschaffungsneigung Sparneigung (rechts) Konsumklima im Herbst auf Tiefpunkt, vorerst ist Sparen Trumpf 20 Index Index Quelle: GfK -16 -12 -8 -4 0 4 8 12 16 16 17 18 19 20 21 22 Investitionen, insgesamt Ausrüstungsinvestitionen Bauinvestitionen Bauinvestitionen in Q3 weiter rückläufig, Ausrüstungen gewinnen an Schwung 22 % ggü. Vq., sb. Quelle: Statistisches Bundesamt 7 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Im Zuge der stetigen Beschäftigungsausweitung wäre auch ein weiterer Rück gang der Arbeitslosigkeit zu erwarten gewesen. Dem stand zum einen aber der Sonderfaktor der Registrierung erwerbsfähiger Flüchtlinge aus der Ukraine ent gegen, die seit 1. Juni über die Jobcenter Sozialleistungen beziehen können und damit auch in der Arbeitsmarktstatistik erfasst werden. 1 Zum anderen nahm aber auch die um diesen Sondereffekt bereinigte Arbeitslosenzahl von August bis November um gut 40.000 Personen zu. Im Dezember und Januar war sie aber wieder rückläufig (insg. -15.000 (sb)). Tarifverhandlungen für rund 11 Mio. Beschäftigte Angesichts der massiven inflationsbedingten Kaufkraftverluste dürften vor allem Forderungen der Arbeitnehmer nach kräftigem Inflationsausgleich den Ton in den Tarifverhandlungen des Jahres 2023 angeben. Beispielsweise fordert die Gewerkschaft ver.di für den Öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden eine Entgeltsteigerung von 10,5% (zweite Verhandlungsrunde am 22./23. Feb.). Ins gesamt werden im kommenden Jahr für knapp 11 Mio. Arbeitnehmer neue Tarif verträge ausgehandelt. Zu den größten Gruppen (knapp oder mehr als 1 Mio. Beschäftigte) zählen der schon genannte Öffentliche Dienst von Bund und Ge meinden, der Einzelhandel in den verschiedenen Regionen, wie auch der Groß- und Außenhandel und nicht zuletzt der Öffentliche Dienst der Länder (ohne Hessen). Diese, aber auch die vielen kleineren Bereiche, dürften sich wohl an den Tarifabschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie oder dem der chemi schen Industrie orientieren. Diese sind eine Kombination aus noch relativ mode raten prozentualen Lohnsteigerungen und kräftigen Einmalzahlungen in Form von steuer- und abgabenfreien „Inflationsausgleichsprämien". Nach diesem Muster dürften die Tariflöhne in Jahr 2023 um gut 4% zulegen. Dank der zu er wartenden Einmalzahlungen könnten die Effektivverdienste sogar um gut 5% ansteigen. Deutsche Industrie hält sich wacker Angesichts der Gegenwinde aus Richtung der Energie- und anderer Erzeuger preise hielt sich das Verarbeitende Gewerbe in H2 2022 relativ robust. Die Pro duktion legte in Q3 um 0,5% ggü. Vq. (Q2: -0,9%) zu und stagnierte in Q4. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem die energieintensiven Industriezweige (u.a. Chemie, Metallerzeugung, Glas, Verarbeitung Steine und Erden) ihre Produktion zum Teil deutlich zurückfuhren. Stabilisiert wurde die Entwicklung hauptsächlich durch die Fertigung von Fahr zeugen und -teilen sowie durch den sonstigen Fahrzeugbau. Ein allgemein un terstützender Faktor war die Entspannung der Materialengpässe. Im Januar meldeten laut ifo-Befragung „nur" noch gut 48% der Industrieunternehmen, von 1 Im Januar 2023 waren 188.885 Personen ukrainischer Staatsangehörigkeit als arbeitslos erfasst und 345.839 in Unterbeschäftigung (u.a. Integrationskurse, entlastende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen oder zeitweise arbeitsunfähig). 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 22Q1 22Q2 22Q3 22Q4 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Beveridge-Kurve für Deutschland 24 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bank Research Vakanzrate Arbeitslosenquote in % 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 400 450 500 550 600 650 700 750 800 850 900 16 17 18 19 20 21 22 Offene Stellen (links) Arbeitslosenquote (rechts) '000 % Deutscher Arbeitsmarktweiter stabil, Sonderfaktor ukrainische Kriegsflüchtlinge 23 Quelle: Bundesagentur für Arbeit 70 75 80 85 90 95 100 105 110 19 20 21 22 Verarbeitendes Gewerbe insgesamt Energieintensive Industriezweige Index, 2015 = 100, sb. Produktion energieintensiver Industrie zweige deutlich zurückgegangen 25 Quelle: Statistisches Bundesamt 8 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor Q4 jeweils um 1,1% ggü. Vj. zu, auf einen neuen Höchstwert von 45,7 Mio. (nicht saisonbereinigt 45,9 Mio.) im Q4. Die sozialversicherungspflichtige Be schäftigung entwickelte sich ähnlich gut und erreichte nach vorläufiger Schät zung im November einen Rekordstand von 34,65 Mio. Personen. Gleichwohl ließ die positive Dynamik des Stellenaufwuchses im Vorjahresvergleich zuletzt etwas nach. Zwar melden laut ifo-Befragung viele Unternehmen (Jan.: 43,6%) einen Mangel an Fachkräften, jedoch besteht häufig eine Diskrepanz zwischen dem Anforderungsniveau der zu besetzenden Stellen und den Qualifikationen potenzieller Arbeitskräfte. Diese sogenannten Probleme des „Job-Matchings" lassen sich mit einer „Beveridge-Kurve" illustrieren. Kreditvergabe: Jetzt folgt der Kater - Konjunktur kommt mit blauem Auge davon Knappheiten betroffen zu sein, während es zu Beginn von Q3 noch gut 73% wa ren. Der deutsche Außenhandel und damit auch das Verarbeitende Gewerbe dürfte vom Anziehen der Konjunktur in China (BIP 2023: 6%) Rückenwind erfah ren. Allerdings könnte dieser Schwung von einer US-Rezession in der zweiten Jahreshälfte ausgebremst werden. EZB: Leitzinsprognose um 50 Bp. angehoben, auf 3,75% im Juni Aufgrund der aktuellen Wirtschaftsentwicklung in der EWU (robuster Arbeits markt, hartnäckige Kerninflation) und der Kommentare von EZB-Ratsmitgliedern erwarten wir nun im März und im Mai Zinsanhebungen um je 50 Basispunkte (Bp.), gefolgt von weiteren 25 Bp. im Juni. Die Zielrate des Einlagensatzes er warten wir somit nun bei 3,75% (zuvor 3,25% im Mai). Dabei dürfte die EZB zu nehmend datengetrieben agieren. Im März wird die EZB zudem mit dem Ab schmelzen der Zentralbankbilanz beginnen. Dafür sollen die APP-Reinvesti tionen von März bis Juni um durchschnittlich EUR 15 Mrd. pro Monat reduziert werden. Darüber hinaus sind weitere TLTRO- Rückzahlungen fällig. Zinssenkungen wohl nicht vor Mitte 2024 Die Entscheidung, wie lange das Leitzinsniveau von 3,75% beibehalten werden soll - und wann implizit mit einer Senkung der Zinssätze zu rechnen ist - wird auf der Überzeugung beruhen, dass die Inflation(-serwartungen) mittelfristig wieder nachhaltig bei 2% verankert sind. Dahingehend lassen wir unser Ba sisszenario vorerst unverändert und rechnen ab Juni 2024 mit Zinssenkungen von je 25 Bp. pro Quartal, bis Ende 2025 ein weitgehend neutrales Niveau (2 %) erreicht sein wird. Je höher die Leitzinsen angehoben werden, desto größer wird die Gefahr, dass die EZB die Zügel zu stark anzieht. Angesichts des derzeit robusten Arbeits marktes mag die Gefahr nicht übermäßig groß erscheinen, jedoch wirkt die Straffung der Geldpolitik mit einer langen Verzögerung. Wenn sich die Risiken dann doch realisieren, könnte dies infolge der Verzögerungseffekte aber erst im Nachhinein offenbar werden. Die Kreditvergabe der Banken könnte in einem solchen Szenario wahrscheinlich erste Hinweise geben. In dieser Situation könnte die EZB die Zinssätze auch früher als Mitte 2024 und schneller als die 25 Bp. pro Quartal senken. Marc Schattenberg (+49 69 910-31875, marc.schattenberg@db.com) © Copyright 2023. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Research, 60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research" gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Ver fassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen kön nen ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informations zwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorste henden Angaben oder Einschätzungen wird keine Gewähr übernommen. In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis zur Erbringung von Bankge schäften und Finanzdienstleistungen verfügt und unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleis tungsaufsicht (BaFin) steht. 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In Australien sollten Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. -1 1 3 5 7 9 11 17 18 19 20 21 22 EWU HVPI EWU Kernrate Kerninflation in der EWU erweist sich bislang als hartnäckig 26 % ggü. Vj. Quelle: Eurostat 9 | 23. Februar 2023 Deutschland-Monitor