5. November 2018
Anleger versuchen bereits seit Längerem, ESG-Informationen in ihre Anlageentscheidungen einfließen zu lassen. Bislang jedoch haben ESG-Fonds schlechter abgeschnitten als der Markt. In dieser Ausgabe betrachten wir, wie die neuesten Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen den Anlegern in die Hand spielen. Big Data hilft, Greenwashing aufzudecken, und liefert zukunftsgerichtete Marktsignale, die bessere Ergebnisse bieten als der Markt. Anleger, die die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf den Fair Value von Aktien einschätzen wollen, können nur profitieren.
[mehr]Big Data – Frischer Wind im ESG-Investing
Jim ReidLuke TemplemanSahil Mahtani
Anleger versuchen bereits seit Längerem, ESG-Informationen in ihre Anlageentscheidungen einfließen zu lassen. Big Data – Frischer Wind im ESG-InvestingNovember 2018 Big Data – Frischer Wind im ESG-Investing Cover story Big Data – Frischer Wind im ESG-Investing Anleger versuchen bereits seit Längerem, ESG-Informationen in ihre Anlageentscheidungeneinfließenzu lassen. Bislang jedoch haben ESG- Fonds schlechter abgeschnitten als der Markt. In dieser Ausgabe betrach ten wir, wie die neuesten Ent wicklungen im Bereich künstliche IntelligenzundmaschinellesLernen den Anlegern in die Hand spielen. Big Datahilft,Greenwashingaufzudecken, undliefertzukunftsgerichteteMarkt signale, die bessere Ergebnisse bieten als der Markt. Anleger, die die Aus- wirkungen von ESG-Faktoren auf den FairValuevonAktieneinschätzen wollen,könnennurprofitieren. Konzept 3 RisikeninPortfolioszumindern,sondernbieten zudemdieMöglichkeit,aufÄnderungender öffentlichenMeinungzureagieren.Auchder Genera tionenwechsel spielt eine Rolle, denn jün- gereAnlegerunterstützeneherverantwortungs- bewusste Investments als ältere Generationen. Die makroökonomischen Vorteile von ESG-Fak- torenwerdenebenfallszunehmenderkannt, beispiels weise die Förderung der Erwerbsbetei- ligungunddieReduzierungderErwerbsunfähig- keit.SowohlnachEinschätzungvonExpertenals auchderbreiterenÖffentlichkeitdürftedasThe- ma ESG daher längerfristig hoch im Kurs stehen. IndieservierzehntenAusgabeunseres MagazinsKonzeptwerfenwireinenwohlwollen- den, aber kritischen Blick auf die besten neuen Ideen in einem nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestalteten Anlageuniversum. Unsere Leitartikel befassen sich mit den Ergebnissen des neuen, aufkünstlicherIntelligenzbasierendenSystems derDeutschenBank,αDig.NachErhebung der Daten von 1.000 Unternehmen kann die maschinelleLernInfrastrukturdenKontexteines ESG-Berichts erfassen. Auf diese Weise lässt sich dieTextflutaufdasWesentlichebeschränken. Werden diese Informationen als Grundlage für Kauf- und Verkaufssignale verwendet, lassen sich damitüberdurchschnittlicheErgebnisseerzielen. DieAlgorithmenvonαDigwerdenzu- dem so geschult, dass sie natürliche Sprache in Medienberichten erfassen und Wendepunkte für Vondenweltweitgrößten Fondsmanagern behaupten neunvonzehn,eineverantwor- tungsbewusste Anlagestrategie zuverfolgen.Seltsamdabeiist, dassnurzweiFünftelvonihnen tatsächlichESGKriterien,alsodieThemenberei- cheUmwelt,SozialesundUnternehmensführung (environmental, social, governance) in die Ermitt- lungdesFairValueeinerAktieeinfließenlassen. OffensichtlichfälltesInvestmentAnalysten schwer,nichtfinanzbezogeneESGInformationen alsDatengrundlagefürInvestmentszunutzen. UnterdessenverzeichnetdasverwalteteVermö- gen mit ESG-Schwerpunkt ein atemberaubendes Wachstum von knapp 20% im Jahr. Hier können die neuesten Entwicklungen imBereichkünstlicheIntelligenzundBigData helfen. Durch maschinelles Lernen können Algo- rithmeninzwischenbeimAnalysierenweniger typischerFinanzinformationenZusammen hänge herstellen. Auf diese Weise entstehen Kauf- und Verkaufssignale, die nachweislich besserabschneidenalsderMarkt,imGegensatz zuherkömmlichenAlgorithmen,dieschlechter abschneiden, da sie lediglich auf Stichworten basierendeDatensammelnoderdieÄnderungen in den Unternehmensberichten nachverfolgen. AuchStaatsfondsundgroßePensions- fonds erkennen allmählich die Bedeutung von ESGDaten.Diesetragennichtnurdazubei, Editorial Konzept Konzept Unternehmenidentifizierenkönnen.Beinhaltet ein Nachrichtenartikel beispielsweise die Worte „beschuldigt“ und „Vergleich“, fällt es herkömm- lichenStichwortAggregatorenschwerzube- stimmen,aufwelchemderbeidenBegriffeder Fokus liegt, und somit, ob sich aus dem Artikel positiveodernegativeSignalefüreinenTitel ergeben.Dadurch,dassαDigInformationenin einenKontextstellenkann,könneninnerhalbder nächstenvierMonateumzweiProzentpunkte bessereErgebnisseerzieltwerden. Des Weiteren betrachten wir, wie Big Data Anlegerdabeiunterstützenkann,beidenzahl- reichen Unternehmen, die „Grünfärberei“ betrei- ben,denDurchblickzubehalten.Beidiesem Phänomen werden umfangreiche Berichte über Nachhaltigkeitveröffentlicht,diesichletztlich als intransparent und bedeutungslos erweisen. Herkömmliche ESG-Bewertungssysteme sind in dieserHinsichthäufigüberfordert. IneinemanderenArtikelzumakroökono- mischenAspektenzeigenwir,dasssozialeund GovernanceThemenkeinLuxussind,densich nur Industrieländer leisten können. Stattdessen gibt es handfeste Belege dafür, dass solide Richt- linieneineVoraussetzungfürWirtschaftswachs- tum sind. BeimThemaUmweltbeschäftigenwiruns damit, dass viele Analysten einen falschen Fokus auf die unmittelbaren CO 2 -Emissionen eines Unternehmens legen, ohne dabei die Emissio- nenderLieferkettezuberücksichtigen.Dass einVergleichderdirektenEmissionennahezu unbedeutendist,zeigtsichandemBeispiel,dass die CO 2 -Emissionen von Samsung 150-mal höher sind als die von Apple. Betrachtet man jedoch diegesamteLieferkette,istdieDifferenzdeut- lichgeringer.Unterdessenlenktdiezunehmende BeliebtheitvonGreenBondsvonwichtigenThe- menab,dieeszubehandelngilt.Hierzuzählen beispielsweise die Notwendigkeit international einheitlicherDefinitionenunddiesteigenden Zertifizierungskosten. SchließlichwerfenwireinenBlickaufdie derzeitdrängendstenGovernanceThemenund zeigenfünfunkonventionelleIdeenauf,diedie Qualität von Wirtschaftsprüfungen verbessern könnten. Die Debatte über die Förderung von ZweiKlassenAktienwirdindesdurchvier vernünftige Vorschläge beigelegt, beispiels- weisedieBeschränkungdesEinsatzesvon ZweiKlassenAktienmitunbegrenzterLaufzeit. VorabfindenunsereLeserkurzeZusam- menfassungen der Artikel, um auf den Ge- schmackzukommen.WirwünschenvielSpaß bei der Lektüre und freuen uns auf Ihre Ideen und Anmerkungen. Jim Reid Wenn Sie Feedback geben oder mit den Verfassern in Kontakt treten möchten, wendenSiesichbittezunächstanIhren Kundenberater der Deutschen Bank oder schreiben Sie an luke.templeman@db.com oder sahil.mahtani@db.com. Inhalt 06 InKürze 10 ESG und Big Data – Anlegen mit Alpha-Dig 14 ESGundBigData–NeueMethoden,um„Grünfärberei“zu entlarven 18 ESGundEntwicklungaufinternationalerEbene–KeinLuxus, sondern Notwendigkeit 24 Scope3Emissionen–DasKleinviehunddergroßeRest 28 Aktien–WieFondsmanagerESGKriterienzurErmittlungdes FairValueeinsetzenkönnen 34 Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirtschaftsprüfungen verbessern könnten 40 Anleihemärkte–DieSchattenseite„grüner“Finanzierungen 44 Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomischer Perspektive 50 ZweiKlassenAktien–MilliardäreundihreThronfolger Konzept Konzept14 InKürze Konzept 6Konzept 6 ESG und Big Data – Anlegen mit Alpha-Dig AndyMoniz,SpyrosMesomeris, LukeTempleman Kaum, dass moderne Algorithmen begon- nen haben, die Medien und Unternehmens- berichteaufnichtfinanzielleInformationen (insbesonderemitESGBezug)zudurchkämmen, haben die Unternehmen bereits reagiert und achten auf bewusstere Wortwahl. Daher bedarf esnunausgeklügelterkünstlicherIntelligenz, umentsprechendeLernprozessedurchzuführen undInformationenineinenKontextzusetzen. GenaudiesemZweckdientdasneueαDig System der Deutschen Bank. Ein Portfolio mit Long-Positionen in Unternehmen, die wenige wesentliche(abersubjektive)Änderungenan ihren Berichten vornehmen, und Short-Positionen inUnternehmen,diemehrÄnderungenvorneh- men,verzeichnetbeispielsweisemonatlicheine Out performance von 188 Basispunkten. Diese Art vonBigDataAnalysenentwickeltsichraschzur ZukunftimInvestmentbereich. ESG und Big Data – Neue Methoden, um „Grünfärberei“zuentlarven AndyMonizundSpyrosMesomeris DerzunehmendeFokusaufESGThemen hatdazugeführt,dasseinigeUnternehmenihre Berichtezwarumfangreicher,abergleichzeitig auch undurchsichtiger gestalten. Herkömmliche ESGRatingsystemewarendurcheinezunehmen- de„Grünfärberei“überfordert.Wirnutzendas neue,aufkünstlicherIntelligenzberuhendeSys- temderDeutschenBank,αDig,umdieESGBe- richtevon1.000Unternehmenauszuwertenund inErfahrungzubringen,welcheIndikatorenauf einezukünftigeüberoderunterdurchschnittliche Kursentwicklung hinweisen. Einige überraschen- deErgebnissezeigen,wiesichESGbezogene Ziele,Kennzahlen,Stimmungundlexikalische Vielfalt auf künftige Renditen eines Unterneh- mens auswirken. ESG und Entwicklung auf internationaler Ebene–KeinLuxus,sondernNotwendigkeit JimReid,LukeTempleman,SahilMahtani DieFörderungvonStandardsfürSoziales und Unternehmensführung ist bei Weitem kein Luxus,densichnurentwickelteVolkswirtschaf- ten leisten können, sondern kann das Wirt- schaftswachstum stärken, selbst in Schwellen- ländern.AnhanddesZusammenspielsmikround makroökonomischer Fakten gehen wir davon aus, dasseinezunehmendeDiversitätinderArbeits- weltzueinerhöherenErwerbsbeteiligungführen kann,dasseineReduzierungderArbeitsunfälle dieProduktivitätummehrereProzentpunkte steigern kann und dass moderatere Bonus- zahlungenanFührungskräftedieGesamtkapital- renditesteigernkönnen.TransparenzimHinblick auf ESG-Faktoren im Unternehmenssektor kann indeszugeringerenKapitalkostenführenund die Auswirkungen von Konjunkturabschwächun- genmindern.ESGistnichtnursozialverträglich, sondern auch aus nüchternen, harten wirtschaft- lichenGründenbegrüßenswert. Scope 3-Emissionen – Das Kleinvieh und der großeRest Caroline Cook Sollte es für Anleger eine Rolle spielen, dass die „Scope 1-“ und „Scope 2-Emissionen“ von Samsung 150-mal höher sind als die von Apple, obwohlbeideUnternehmenähnlicheUmsätze verzeichnen?Nein.Dennochvergleichenzuviele Anleger, die sich an ESG-Kriterien orientieren, nochimmerfälschlicherweiseDatenzuScope 1- und Scope 2-Emissionen aus dem einfachen Grund,dassdieseamhäufigstenveröffentlicht werden. Das ist jedoch ein Fehler. Stattdessen sollten Anleger Druck im Hinblick auf eine ver- mehrteOffenlegungder„Scope3Emissionen“ ausüben,beidenendieEmissionsdatenzur gesamten Lieferkette eines Unternehmens mit- berücksichtigt werden. Das Deutsche Carbon Alignment Framework analysiert die Diskre- panzzwischenderWertentwicklungunddem Emissions volumen in Fällen, in denen Unterneh- menihreScope3Datennichtoffenlegen. Aktien – Wie Fondsmanager ESG-Kriterien zurErmittlungdesFairValueeinsetzen können Jan Rabe Esmutetseltsaman,dassneunvonzehn derweltweitgrößtenFondsmanagerbehaupten, eine verantwortungsbewusste Anlagestrategie anzuwenden,undtrotzdemnurzweiFünftelvon ihnen angeben, ESG-Kriterien systematisch in die ErmittlungdesFairValueeinerAktieeinzubezie - hen. Ein Problem dabei ist, dass herkömmliche ESG-Bewertungssysteme rückwärtsgerichtet sind. DasneuezukunftsgerichteteRahmenwerkder DeutschenBankkannhierAbhilfeschaffen.Auf dieser Grundlage können wir feststellen, dass der MarktdieESGRisikenundChancenvielerTitel nicht berücksichtigt und dass unsere im Hinblick auf ESG-Kriterien führenden Unternehmen lang - fristig besser abschneiden als der Markt, obwohl siemitunterwieschlechtereTitelbewertetsind. 7 Konzept14InKürze Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirtschaftsprüfungen verbessern könnten LukeTempleman Esscheint,dasseinesderwenigenThemen inBezugaufWirtschaftsprüfungen,beidemsich alle Anleger einig sind, der Reformbedarf der Brancheist.DabereitsvieleAnsätzeimSande verlaufen sind, stellen wir fünf unkonventionelle Ideenvor,umfrischenWindindieDebattezu bringen.WirhinterfrageneineZusammenlegung von Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsabtei- lungen, überlegen, ob Wirtschaftsprüfer von Aufsichtsbehörden bestellt werden könnten, erwägenneueOffenlegungspflichtenfürWirt- schaftsprüferundkürzereMandateundfragen uns,warumveränderteAnreizefürdasManage- ment aggressivere Rechnungslegungspraktiken verhindern könnten. All diese Ideen haben auch Nachteile,eskönntejedochanderZeitsein,auch ungewöhnlicheVorschlägezuprüfen. Anleihemärkte – Die Schattenseite „grüner“ Finanzierungen DB Analysten EinigeStimmenäußernsichnochimmer kritischgegenüber„GreenBonds“undbezeich - nendiesealsbloßenMarketingTrick,undgewiss stimmt es, dass einige Unternehmen diesen Begriffehergroßzügigauslegen.DochGreen BondssindgroßimKommenundwerdenange - sichtsderzeitigerWachstumsratenbaldmehrals 15% des weltweiten Marktes für Unternehmens- anleihen ausmachen. Dennoch gibt es drei wichtigeProblemefürAnleger.Erstensexistiert derzeitnochkeineoffizielleDefinitiondavon,was Green Bonds ausmacht, und in dieser Hinsicht bestehenregionaldeutlicheUnterschiede.Zwei - tensist„Greenwashing“einernstzunehmendes Problem. Und drittens steigen mit wachsendem MarktauchdiezusätzlichenKostenimZusam - menhang mit Green Bonds. Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomi- scher Perspektive Andreas Bruckner, Sebastian Raedler ESG-Anlagen werden womöglich durch einegrößereBandbreitemakroökonomischer Variablenbeeinflusst,alsmanaufdenersten Blickmeinenkönnte.Zumeinensinddiemeisten ESGfreundlicheneuropäischenTiteläußerst zyklusabhängig–miteinerunverhältnismäßig starken Ausrichtung auf Investitionsgüter – und übertreffendenMarkttendenziellinPhasenstei- gender Anleiherenditen und Aktienkurse. So be- stehtbeieuropäischenInvestitionsgüterneinzu- nehmendesRisikoinBezugaufSchwellenländer, weshalb ihre Wertentwicklung mit den Schwan- kungenchinesischerEinkaufsmanagerindizes korreliert.NichtsdestotrotzbesitztderSektor defensive Eigenschaften und scheint gegenüber den Wellen des technologischen Wandels, die über viele europäische Branchen hereinbrechen, relativimmunzusein.ImZusammenspielmitden hohen ESG-Scores und der Wachstumserholung im Euroraum sollte dies dafür sorgen, dass der SektorfürdienaheZukunftgutaufgestelltist. ZweiKlassenAktien–Milliardäreundihre Thronfolger Sahil Mahtani ZweiKlassenAktiensindzwarumstritten, scheinen jedoch unvermeidbar. Einerseits bewei- senUnternehmenwieViacom,dassdifferenzierte StimmrechtsstrukturenzumProblemwerden können. Andererseits demonstrieren Unter- nehmen wie Google und Facebook, wie Unter- nehmenvonihnenprofitierenkönnen.Hierfür gibt es drei vernünftige Lösungsvorschläge. Ein ersterVorschlagwäreeinVerbotvonZweiKlas- senAktienmitunbegrenzterLaufzeit.Esbesteht kein triftiger Grund dafür, die Befugnisse von Führungspersonen über Generationen hinweg nochweiterzustärkenundsiesofüralleZeitden DisziplinierungsmechanismendesMarkteszu entziehen.DesWeiterensolltebeiallenAktivitä- tenderGrundsatzderEinfachheitimVordergrund stehen,weshalbZweiKlassenAktienfürbe- stimmteschnellwachsendeUnternehmenzwar erlaubt, jedoch nicht für alle Unternehmen vor- gesehen sein sollten. Ferner könnte eine Verringe- rungderinBezugaufStimmrechtebestehenden DiskrepanzzwischendenAktienklassendazu beitragen,eineübermäßigeMachtkonzentration zuverhindern. Konzept 8Konzept 8 Konzept14InKürze 9 9 DassAlgorithmenandenFinanzmärkten manchmalvolldanebenliegenkönnen,zeigt dersogenannte„HathawayEffekt“.ImJahr 2012 stellte ein amerikanischer Forscher fest,dassdieAktienvonWarrenBuffetts Berkshire Hathaway jedes Mal einen deutlichen Kursanstiegverzeichneten,wenneinFilmmit der Schauspielerin Anne Hathaway in die Kinos kam.Ebensoverblüffendwar,dassderKurs der Berkshire-Aktie auch auf Medienberichte reagierte, in denen der Name „Hathaway“ auftauchte(diesichhäufigaufdieHollywood Schauspielerinbezogen). Der Grund für diese sonderbare Korrelation sind wahrscheinlich algorithmische Handelssys- teme,dieTransaktionenaufBasisvonStichwort- suchen in Medienberichten durchführen. Dieses Beispiel macht deutlich, welche Probleme sich aus der Verwendung herkömmlicher Handels- algorithmenzumDurchsuchenunstrukturierter Datenquellen ergeben. EinnochtreffenderesBeispielliefertderfol- gende Ausschnitt aus einem Medienbericht von Anfang 2017. Es geht darin um ein Problem in der Unternehmensführung bei Rolls Royce. ESG und Big Data – Anlegen mit Alpha-Dig AndyMoniz,SpyrosMesomeris,LukeTempleman Laut Staatsanwaltschaft und der richterlichen Entscheidung im Zuge eines Vergleichs in einem Korruptionsverfahren mit weltweitem Ausmaß gehen die Bestechungsfälle bei Rolls Royce bis ins Jahr 1989 zurück, dabei hatte die Unternehmens- leitung bereits 2010 Kenntnis darüber, informierte jedoch nicht die Behörden... In dem Vergleich vereinbarte das Unternehmen eine Zahlung von über USD 800 Mio., um die Bestechungsvorwürfe beizulegen. SchonseiteinigerZeitwirdversucht,Me- dienberichte wie diese als Datengrundlage für Investmentszunutzen.Datenanbieterverwenden üblicherweise eine automatisierte Suchmaschi- ne, die Millionen von Datenquellen auf vorab festgelegte Stichworte untersucht, die in den ThemenbereichUmwelt,SozialesundUnterneh- mensführung(ESG)fallen.Daraufhinwerdendie identifiziertenStichwortehinsichtlichihrerHäufig- keit analysiert und so ein Bild des Unternehmens gezeichnet.EineSuchenachdenStichworten „Bestechung“, „informierte nicht“ oder „Staats- anwaltschaft“würdeindemzuvorgenannten Fall nahelegen, dass dieser Artikel im Hinblick auf ESG ein Negativindikator ist. Dabei wird jedoch Konzept 10 Konzept 10 derKontextdesArtikelsaußerAchtgelassen,aus dem sich ergibt, dass die Angelegenheit beigelegt wurde. Ein weiteres Beispiel aus dem englischen SprachraumbetrifftzweiSätzeausunterschied- lichen Medienberichten: ... the drug assisted hard-of-hearing patients ... ... a high-court hearing on Friday will determine damages ... Einem Menschen, der die englische Sprache beherrscht, fällt es natürlich leicht, den jeweili- genKontextdesBegriffs „hearing“ in den beiden Textenzuverstehen.ImerstenSatzbeziehtsich „hearing“ auf schwerhörige Patienten und es handeltsicheindeutigumeinenpositivenKontext, während „hearing“ imzweitenSatzeineGerichts- verhandlungbezeichnetunddamitineinemnega- tivenKontextsteht.EinMenschkannaußerdem ZusammenhängezwischenMedienberichten erkennen. Was ein Mensch jedoch nicht kann, ist MillionenvonMedienberichtenzulesen.Dereinzi- geWeg,denKontextbeiderAnalyseeinergroßen MengenichtfinanziellerDatenzuverstehen,be- stehtdarin,hochentwickeltekünstlicheIntelligenz zunutzenundtrainierteMachine LearningAlgo- rithmenzumEinsatzzubringen. HiersetztdasneueαDigSystemderDeut- schen Bank an. Diese intelligente Software hat gelernt,Medienberichtezuanalysieren,undkann im vorstehenden Rolls Royce-Fall sogar erkennen, dassindiesemspeziellenZusammenhangder Schwerpunkt auf den Worten „Vergleich“, „ver- einbaren“ und „beilegen“ liegt. Der Medienartikel wird somit als positiver ESG-Indikator gewertet. IndiesemspeziellenFallhattesichdieAktievon Rolls Royce sechs Monate nach Erscheinen des Artikels um ein Viertel besser entwickelt als der breitergefassteeuropäischeIndexunddieunter- durchschnittliche Entwicklung der vorangegange- nen sechs Monate mehr als wettgemacht. Eine solche Entwicklung eines von einem GerichtsverfahrenbetroffenenTitelsistnicht ungewöhnlich,derZeitpunktderReaktionanden Märkten kann jedoch überraschen. Und genau hierliegtdiegroßeChancefürBigDataund maschinellesLernen.UnsereModellezeigen, dass Unternehmen nach der Bekanntgabe eines Vergleichs in einem Rechtsstreit im Durchschnitt eineumzweiProzentpunktebessereWertent- wicklungverzeichnenalsihreWettbewerber. DieserEffekttrittjedochnichtunmittelbarein. DiesistderTatsachegeschuldet,dassAnleger bei der Verarbeitung von ESG-Informationen rechtineffizientsindundsichGewinneoder Verluste infolge dieser Informationen erst mit der Zeitmanifestieren.ZwischendemTagvorund demTagnachderBekanntgabeeinesVergleichs zeigtderAktienkursimDurchschnittkaumeinen positivenAusschlag.SelbstzweiMonatenach derBekanntgabeverzeichneteinTitelimDurch- schnitt eine den Markt nicht einmal um einen ProzentpunktübertreffendeWertentwicklung.Bis sich die überdurchschnittliche Entwicklung von zweiProzentpunkteneinstellt,dauertesvollevier Monate. Das Problem der Anleger besteht darin, dass beidenmeistenESGbezogenenEreignissen– genau wie bei Rechtsstreitigkeiten – eine quanti- tativeundzeitlicheEinschätzungsehrschwierig ist. Das vorstehende Beispiel von Rolls Royce zeigtjedoch,dassAnlegerüberdurchschnittliche Ergebnisseerzielenkönnen,wennsieESGbezo- geneEreignisseidentifizierenundquantifizieren können. Die Wertentwicklung eines Portfolios hängt jedoch von deutlich mehr ab als nur Rechts- streitigkeiten.SoverzeichneteinPortfoliomit Long-Positionen in Unternehmen, die über die Berichtszeiträumehinwegnurrelativwenige Veränderungen in ihren Berichten ausweisen, undShortPositioneninTiteln,dievieleVerän- derungen vorweisen, monatlich eine deutliche Out performance um 188 Basispunkte. Amerika- nische Anleger sollten sich daher freuen, dass börsen notierte Unternehmen weiterhin ausführ- licheQuartalsberichteveröffentlichenmüssen, während die Aufsichtsbehörden in Europa diese Pflicht2013abgeschaffthaben. Das folgende Beispiel soll verdeutlichen, wie sichausdemVerständnisdesKontextesInvest- mentsignale ergeben. Eine Analyse der Quartals- berichte amerikanischer Unternehmen aus den letztenzweiJahrzehntenzeigt,dassbeiBerück- sichtigungderGröße,Bewertungundfinanziellen Lage eines Unternehmens bei ansonsten gleichen AusgangsbedingungendasHinzufügendes Wortes„Defizit“imZusammenhangmitESGdie WahrscheinlichkeitumeinProzenterhöht,dass einTitelindendarauffolgendendreiMonaten eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung verzeichnet.WirddasWort„Widersprüche“ein- gefügt, verdoppelt sich diese Wahrscheinlichkeit, während sich bei dem Wort „Hindernisse“ die Wahrscheinlichkeit einer Underperformance des Titelsnahezuerneutverdoppelt. DadieUnternehmensichdieserTatsache bewusst werden, können sie die Wortwahl in ihren Berichten natürlich entsprechend anpassen. Unsere Analyse hat ergeben, dass Datenanbieter, dieESGBewertungenzuUnternehmenbereit- stellen,diesetendenziellbesserbewerten,wenn dieUnternehmenpositivkonnotierteBegriffe verwenden.ZudemscheinendieBewertungen tendenziellbesserauszufallen,jelängerderNach- haltigkeitsbericht ist. Viele Unternehmen werden daher der „Grün- färberei“(„Greenwashing“)ihrerNachhaltigkeits- berichtebezichtigt(eineausführlicheBeleuchtung 11 ESG und Big Data – Anlegen mit Alpha-Dig Schlussfolgerung: Anleger können weniger greifbare Informationen leicht übersehen Aufschlüsselung der Berichterstattung über FinanzthemenindenMedien nachThema NachrichtenwertvonESGThemen In den heutigen Zeiten von Big Data kann man davon ausgehen, dass Anleger nicht über alle verfügbaren Daten informiert sind. Wir haben eine Stichprobe von 100.000 Medien- berichten aus der Finanzwelt analysiert und festgestellt, dass es in den meisten dieser Artikel um „harte“ Finanzzahlen geht. Nur zwei Prozent der Artikel befassen sich mit ESG-Themen. Quelle: Deutsche Bank F i n a n z m e d i e n NEWS A k t i e n F e s t v e r z i n s l . W e r t p a p i e r e C o m p a n y n e w s U n t e r n e h m e n s g e w i n n e P r e s s e - m i t t e i l u n g e n E m p f e h l u n g e n v . A n a l y s t e n K a p i t a l m a ß n a h m e n USA E SG S onst . M akro FX R oh s toff e Politik E n e r gi e EU B RI C J a p a n ESG-bezogene Meldungen Konzept KEIN HUNGER KEINE ARMUT GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN NACHHALTIGE STÄDTE UND GEMEINDEN WENIGER UNGLEICHHEITEN NACHHALTIGE(R) KONSUM UND PRODUKTION MAßNAHMEN ZUM KLIMASCHUTZ LEBEN UNTER WASSER LEBEN AN LAND FRIEDEN, GERECHTIGKEIT UND STARKE INSTITUTIONEN HOCHWERTIGE BILDUNG GESCHLECHTER GLEICHSTELLUNG SAUBERES WASSER UND SANITÄR- VERSORGUNG BEZAHLBARE UND SAUBERE ENERGIE INDUSTRIE, INNOVATION UND INFRASTRUKTUR 2 3 4 5 6 7 9 11 10 12 13 14 15 16 1 0,4% 0,6% 0,3% 0,2% 0,3% 0,2% 0,2% 0,2% 0,4% 0,2% 0,5% Zyklische Konsumgüter Nichtzyklische Konsumgüter Energie Finanzwesen Gesundheitswesen Industrie Informationstechnologie Grundstoffe Immobilien Telekommunikation Versorger 3,2% 9,3% 3,6% 2,8% 18,7% 2,5% 2,1% 4,2% 3,1% 3,4% 1,6% 3,9% 2,3% 2,7% 3,5% 2,5% 2,9% 4,6% 2,2% 3,2% 4,6% 1,9% 2,0% 2,0% 1,2% 1,7% 1,5% 1,3% 2,0% 1,5% 1,4% 2,4% 1,3% 1,4% 3,8% 3,8% 1,3% 1,7% 1,9% 1,2% 3,5% 2,1% 0,6% 3,3% 1,2% 0,9% 1,3% 1,4% 0,9% 1,6% 0,8% 1,3% 1,4% 0,7% 4,0% 9,7% 6,1% 6,9% 8,7% 6,8% 11,3% 12,8% 8,3% 8,3% 15,4% 11,3% 1,9% 1,1% 0,9% 1,6% 1,3% 1,4% 1,8% 1,0% 1,0% 1,8% 1,0% Zyklische Konsumgüter Nichtzyklische Konsumgüter Energie Finanzwesen Gesundheitswesen Industrie Informationstechnologie Grundstoffe Immobilien Telekommunikation Versorger 3,6% 4,6% 5,0% 4,0% 2,0% 2,9% 3,3% 4,6% 5,8% 3,4% 3,0% 5,8% 5,7% 4,5% 2,4% 3,4% 4,5% 6,8% 6,1% 3,6% 5,3% 3,6% 3,0% 3,4% 16,0% 3,5% 2,5% 4,0% 5,4% 5,9% 4,3% 3,0% 7,5% 0,2% 0,5% 0,9% 0,1% 0,1% 0,4% 0,1% 0,4% 0,2% 0,0% 0,2% 4,6% 5,5% 7,0% 4,2% 4,3% 5,2% 4,9% 6,7% 5,8% 4,7% 4,6% 0,1% 0,1% 0,1% 0,0% 0,1% 0,0% 0,0% 0,0% 0,1% 0,2% 0,1% BerichtezurunternehmerischenNachhaltigkeit enthaltendurchausinteressante,nichtfinanzbezogene Informationen, diese sind jedoch mitunter schwer auszumachen TextanteilzumThemaNachhaltigkeitund EntwicklungszieleinNachhaltigkeitsberichten von Unternehmen Quelle: Deutsche Bank Konzept AuswahlESGbezogener Pressemeldungenzur DeepwaterHorizon Ölkatastrophe 2010 KünstlicheIntelligenzlernt,dieZusammenhänge zwischenESGbezogenenMedienberichtenzu beurteilen, um eine Über- oder Unterbewertung eines Ereignisseszuvermeiden Ölteppich Ölfilm aus- tretendes Öl Beseitigungs - kosten Vergleich Opfer Explosion Feuer Krise Fahrlässigkeit Rücktritt Schuld Vergehen 200 150 100 50 0 Governance Gesundheit & Sicherheit Umweltverschmutzung Veränderungen im Management Verzögerungen/Lieferausfälle Anzahl ESG-Themen Jan.-10 März-10 Mai-10 Juli-10 Sep.-10 Nov.-10 Jan.-11 März-11 Mai-11 Juli-11 Sep.-11 Nov.-11 Jan.-12 März-12 Mai-12 Juli-12 Sep.-12 Nov.-12 Jan.-13 März-13 Mai-13 Juli-13 Sep.-13 Nov.-13 Ölteppich Ölfilm aus- tretendes Öl Beseitigungs- kosten Vergleich Opfer Explosion Feuer Krise Fahrlässigkeit Rücktritt Schuld Vergehen 200 150 100 50 0 Governance Gesundheit & Sicherheit Umweltverschmutzung Veränderungen im Management Verzögerungen/Lieferausfälle Anzahl ESG-Themen Jan.-10 März-10 Mai-10 Juli-10 Sep.-10 Nov.-10 Jan.-11 März-11 Mai-11 Juli-11 Sep.-11 Nov.-11 Jan.-12 März-12 Mai-12 Juli-12 Sep.-12 Nov.-12 Jan.-13 März-13 Mai-13 Juli-13 Sep.-13 Nov.-13 Datum Schlagzeile 21.04.2010 ExplosionauffürBPbetriebenerTransoceanBohrplattformvor US-Golfküste 26.04.2010 US-Regierung: Ölteppich im Golf 36 Meilen vor der Küste 27.0 4. 2010 Hochrangige Demokraten im US-Repräsentantenhaus stellen NotfallplanvonBPundPlattformbetreiberTransoceaninfrage 05.05.2010 StahldomsollgrößtesÖlLeckvorUSGolfküsteabdichten 31.05.2010 WeißesHauswillhartdurchgreifen 07.0 6. 2010 ErfolgderBPAbdichtungsmaßnahmennichtbestätigt 23.06.2010 Pensionsfonds des Bundesstaates New York verklagt BP wegen erlittener Anlageverluste 15.07.2010 ZunehmendeBesorgnis,dassFondsnichtalleSchädenabdeckt 20.07.2010 Quellen berichten, BP-CEO Hayward bereitet Rücktritt vor 16.09.2010 USUmweltbehördeleitetUntersuchunggegenBPTexasCityRefinery ein 03.12. 2010 BPerklärt:WenigerÖlausgetretenalsvonUSAgeschätzt 17.0 8 . 2011 ÖlfilmvorBPPlattformThunderhorseimGolfvonMexikogesichtet 18.08.2011 BPmeldetÖlfilmimGolfvonMexiko 18.08.2011 BP stellt verschiedene Pressemeldungen richtig 31.0 8 . 2011 RussischeBeamteführenRazziainMoskauerNiederlassungdurch 08.06.2012 BP will Vergleich unter USD 15 Mrd. in Sachen Ölkatastrophe 2010 Quellen: Dow Jones Newswires, Deutsche Bank Konzept Steuerhinterziehung Transaktionen Verstoß Wettbewerb kartellrechtlich Bonuszahlungen Arbeitnehmer Gewerkschaft Rechtsstreit Vollstreckung Sammelklage Gemeinschaftsklage Justizministerium gesetzeswidrig Supreme Court gestohlen Strafanzeige Millionen-Vergleich Absprache irreführend Manipulation Betrugsfall Betrug Insider-Handel Schneeballsystem Geldwäsche Waschen Sanktionen Schadenersatz Bußgeld Bestechung untersucht Untersuchungen Ermittlungen Überprüfung Finanzkrise Verluste Zwangsvollstreckung Restrukturierung Insolvenz Kontrollen Geldwäschebekämpfung Aufsichtsbehörden Whistleblower Anschuldigungen Steuerhinterziehung Transaktionen Verstoß Wettbewerb kartellrechtlich Bonuszahlungen Arbeitnehmer Gewerkschaft Rechtsstreit Vollstreckung Sammelklage Gemeinschaftsklage Justizministerium gesetzeswidrig Supreme Court gestohlen Strafanzeige Millionen-Vergleich Absprache irreführend Manipulation Betrugsfall Betrug Insider-Handel Schneeballsystem Geldwäsche Waschen Sanktionen Schadenersatz Bußgeld Bestechung untersucht Untersuchungen Ermittlungen Überprüfung Finanzkrise Verluste Zwangsvollstreckung Restrukturierung Insolvenz Kontrollen Geldwäschebekämpfung Aufsichtsbehörden Whistleblower Anschuldigungen Quelle: Deutsche Bank Durch maschinelles Lernen werden datenbasierte WesentlichkeitsMatrizengeneriert,mitdenen bessereErgebnisseerzieltwerdenalsmit herkömmlichen Stichwort-Suchen Konzept diesesThemasfindetsichindemArtikel„Neue Methoden,um„Grünfärberei“zuentlarven“).Das αDigSystemsetztdaheraufNaturalLanguage Processing, also die maschinelle Verarbeitung natürlicherSprache,umzulernen,denKontext zuerfassen.AufdieseWeisekanndasSystem verschiedeneArtenvonTexteninUnternehmens- berichten unterscheiden und den entsprechenden ESGKategorienzuordnen,aufdieAnlegerbei derSuchenachoderBewertungvonTitelnfürihr Portfoliozurückgreifenkönnen.DasToolidenti- fiziertzudemneuenTextunderkenntdessenKon- text,umsoRückschlüsseaufdessenBedeutung zuziehen. Auch Anleger, die sich selbst für gut infor- mierthalten,könnenhiervonprofitieren.Diesliegt zumTeildaran,dassdieMediendemThemaESG noch keine besondere Bedeutung beimessen. Unsere Analyse von 100.000 Medienberichten ausderFinanzwelthatergeben,dasssichgerade einmalzweiProzentdavonmitESGThemenbe- fassen.ImGegensatzdazubeziehtsichmehrals die Hälfte der Artikel auf Unternehmensgewinne, rundeinFünftelbefasstsichmitKapitalmaßnah- menwieÜbernahmenundZusammenschlüssen und in den übrigen Artikeln geht es um Presse- mitteilungen der Unternehmen und Empfehlun- gen von Analysten. Ohne die Medien als Anhalts- punktmüssendieAnlegerdieVeröffentlichungen der Unternehmen also selbst durchforsten. Jeder,derschoneinmaleineoffizielle VeröffentlichungeinesUnternehmensgelesen hat, beispielsweise einen Geschäftsbericht oder einenForm10KBericht,weiß,wieschwierig esist,nützlicheInformationenausdem„Marke tingSprech“herauszufiltern.Daheristesnur verständlich, dass viele Anleger die von den UnternehmenveröffentlichtenESGInformationen entweder nicht beachten, oder schlicht nicht in derLagesind,siezumrichtigenZeitpunktinein Handelsgeschäftumzusetzen. Verstärkt wird dieses Problem durch die rasanteZunahmederverfügbarenInformationen. DerGrundfürdieseInformationsflutliegtnicht nurindersteigendenZahlderInformationsquel- len, sondern auch in den Unternehmensberichten selbst.Immerhinveröffentlicheninzwischenvier Fünftel der amerikanischen Unternehmen Berich- tezumThemaunternehmerischeVerantwortung. Das sind viermal so viele wie noch vor sieben Jahren.EineAnalysederandieSecuritiesandEx- change Commission gemeldeten Datenmengen zeigtzudem,dassdiesesichseitderFinanzkrise verfünffachthaben. DochnichtnurdieAnzahlderBerichtehat zugenommen,sondernauchderenUmfang.Ein Quartalsbericht an die SEC enthält heute durch- schnittlich 20.000 Wörter und damit mehr als doppeltsovielewienochvorzwanzigJahren. Jahresberichte sind auf durchschnittlich 50.000 Worte angewachsen und haben damit im Verhält- nisfastgenausostarkzugelegtwiedieQuartals- berichte.IndieserInformationsflutdenÜberblick zubehalten,istnichteinfach.Berichteüber Rechtsstreitigkeiten sind dabei nur ein Beispiel. WieunsereDatenzeigen,zählenRechtsstreitig keitenundRegulierungzwarzudengrößten Risiken für ein Unternehmen, ein Anleger muss sich jedoch im Durchschnitt durch drei Viertel des Risikoberichts eines Unternehmens durcharbei- ten,bevordieseüberhauptErwähnungfinden. Bei der Vorstellung, all diese neuen Infor- mationenfilternzumüssen,kanneseinem Anleger schwindelig werden, besonders da die meisten automatischen Filtersysteme nicht weit genugentwickeltsind,umzuverlässigKontexte zuerfassen.UnddadieMengederverfügbaren ESGDatenständigzunimmt,steigtdieGefahr, dass sich Anleger irgendwann abgehängt sehen. BereitsjetztwerdenESGDatenoftdeutlich späterveröffentlichtals„harte“Finanzzahlen. Studienhabenzudemergeben,dassAnlegerauf nachundnachveröffentlichte„weiche“nega- tive Nachrichten weniger stark reagieren, was dasProblemzusätzlichverschärft.Undwenn sieschließlichdochreagieren,kanndieentste- hende Volatilität noch mehr Unsicherheit nach sichziehen.AlsbeispielsweiseBP2010vonder ÖlkatastrophederDeepwaterHorizonbetroffen war,reagiertendieAnlegerzwarsehrschnellauf dieseMeldung,siekonntenjedochoffenbarnicht deren Auswirkungen auf den Aktienkurs von BP abschätzen.Indendarauffolgenden200Tagen lagderAktienkurszwischen303und648Pence. Ein aktuelles Beispiel für den Mehrwert von αDigistdieAnalysedesimFebruar2018von Facebook eingereichten Berichts. Von all den im Abschnitt „Risikofaktoren“ des Berichts behan- deltenThemenerhieltenRechnungslegungs- themeneinebesondersnegativeEinschätzung, dichtgefolgtvondernegativenEinschätzung inBezugaufProdukte.Wichtigistanzumerken, dassdasSystemzudemSchlusskam,dassdie schlechteEinschätzunginBezugaufdieProduk- te nicht vom Marktanteil herrührte, denn dieser wurde positiv beurteilt. Die nur wenige Monate späterveröffentlichtenFacebookErgebnissefür daszweiteQuartalenthieltendannWarnungen zuMargenundproduktbezogenemWachstum. Der Aktienkurs brach daraufhin um ein Fünftel einundverzeichnetedamitdenstärkstenWert- verlust,deneinamerikanischerTiteljeaneinem einzigenTaghinnehmenmusste. Backtesting anhand Machine-Learning- Algo rithmen hat ergeben, dass Unternehmen, die neueProblemeveröffentlichen,üblicherweiseim Laufe des folgenden Quartals negative Gewinn- überraschungen sehen. Dies ist auch nach Konzept 12 Konzept 12 Das Problem der Anleger besteht darin, dass bei den meistenESGbezogenen Ereignissen – genau wie bei Rechtsstreitigkeiten – eine quantitativeundzeitlicheEin schätzungsehrschwierigist. Berücksichtigung von Analystenprognosen und vorherigen Ereignissen der Fall. Besonders spür- bar sind diese Auswirkungen bei Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung, die von den Sell-Side-Analysten weniger stark berücksichtigt werden. Anlegerneigendazu,sichanbestimmten nichtfinanzbezogenenInformationeninden Unternehmensberichtenfestzuklammern.Dies giltinsbesondereimHinblickaufpotenzielle Rechtsstreitigkeiten. So hat unsere Analyse erge- ben, dass Aktienkurse auf neue Risiken reagieren, beidenendieBegriffe„Streitigkeiten“,„Schlich- tung“ und „Kläger“ fallen. Dennoch gibt es ein deutlichgrößeresBegriffsfeld,dasdieAnleger selbstimrichtigenKontextzuübersehenschei- nen.DazuzählenbeispielsweisedieWörter„ver- stoßen“,„Unstimmigkeiten“und„falscheinschät- zen“.UnsereRegressionsanalysezeigt,dassdiese Wörter auf einen bevorstehenden Wertverlust einerAktiehindeuten,Anlegerjedochoffenbar nichtinderLagesind,derenBedeutungzumZeit- punktderVeröffentlichungklarherauszulesen. ObwohlkünstlicheIntelligenzhierzuneh- mendKlarheitschafft,fälltesdenUnternehmen selbstschwer,dassiebetreffendeESGUmfeldzu verstehen. Eine von uns durchgeführte Umfrage unter400internationalenUnternehmenzeigt, dassnursiebenProzentderBefragtenihrUm- satzExposureinBezugaufdieNachhaltigkeits zielederVereintenNationengenaubeziffern konnten. Vier Fünftel der Unternehmen konnten nichteinmaleinequalitativeEinschätzungäußern. DiegroßeMehrheitderbefragtenUnternehmen gab schlicht an, ihnen mangele es in dieser Hin- sichtanTransparenz. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Unter- nehmen nur ungern Informationen über sich preisgeben. Betrachten wir beispielsweise den Gesundheitssektor: Unsere Analyse hat ergeben, dass sich im Durchschnitt nur ein Fünftel des Nachhaltigkeitsberichts eines Unternehmens in derGesundheitsbranchemitdenThemenGesund- heitundWohlbefindenbefasst.Ebensobeziehen sichdurchschnittlichnurachtProzentdesBe- richts eines Versorgungsunternehmens auf Klima- schutzundnursechsProzentdesBerichtseiner ImmobiliengesellschaftsindThemenimZusam- menhang mit nachhaltigen Städten gewidmet. Kein Wunder also, dass Anleger keine Lust haben, seitenweise irrelevante Daten nach den wenigen wertvollenInformationenzudurchforsten. Undschließlicherscheintesauchwenigver- wunderlich,dassauchdiesprachlicheKomplexi- tät der Unternehmensberichte eine Rolle spielt. EntsprechendeTitelschneidenüblicherweise schlechterab,dieAnlegerbrauchenjedochZeit, umdenvollenInformationsgehaltderBerichtezu verstehen. Ob Anleger dies bereits wissen, spielt keine Rolle. Wenn ja, verstehen sie, wie wichtig fortschrittlichekünstlicheIntelligenzist,umdie FülleanverfügbarenInformationenzuverarbei- ten. Anleger, die bislang vor schwer verständ- lichenBerichtenzurückgescheutsind,solltensich die Ergebnisse vor Augen führen, die die neuen Technologienerbrachthaben.DieErgebnissevon αDigzeigen,dasseseingroßerFehlerist,quali- tativeInformationenzuignorieren.Manbraucht jedoch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz,umsichdieseInformationenzunutze zumachen. Andy Moniz ist Chief Data Scientist und Spyros Mesomeris ist Global Head of Quantitative Strategy bei Deutsche Bank Research. Luke Templeman ist Analyst im Thematic Research-Team. 13 ESG und Big Data – Anlegen mit Alpha-Dig AndyMoniz,SpyrosMesomeris The term corporate social responsibility is a brilliant one: it means something, but not always the same thing, to everybody. (Der Begriff ‚Corporate Social Responsibility‘ oder unternehmerische Gesell- schaftsverantwortung ist brilliant: Er bedeutet schon etwas, doch nicht jedermann verbindet dasselbe damit.) VotawandSethi(1973) FünfundvierzigJahrenachdieserAussage tun Anleger sich noch immer schwer mit der DefinitionvonBegriffenwieCorporateSocial ResponsibilityoderNachhaltigkeit.Ärgerlicher - weisekönnenDatenanbieterdieESGKennzahlen von Unternehmen genau deshalb nur schwer bewerten. Kein Wunder also, dass die bestehen - denKennzahlenoftmalswegenihrervermeintlich fehlenden Aussagekraft und erheblicher Mess - fehlerinderKritikstehen–Ganzheitlichkeitliegtja bekanntlich im Auge des Betrachters. Diese Unklarheit wirkt sich negativ auf die Glaubwürdigkeit aus: Viele Anleger stellen die BeweggründederUnternehmenfürdieVeröffent - lichung von Nachhaltigkeitsberichten infrage. Sie fürchten „Greenwashing“, also „Grünfärberei“, in ESG-Berichten – dass die Berichte von Marketing- oder PR-Abteilungen des Unternehmens verfasst werden und pauschale Aussagen enthalten, die dem Unternehmen ein besseres Image verleihen sollen, ohne dass dadurch jedoch die Verantwor - tung gegenüber den Anlegern steigt. Greenwashing ist indes kein eindeutig ab - grenzbaresPhänomen,sondernexistiertinvielen verschiedenenAusprägungen–manchezweifel - los schlimmer als andere. Wie sollen Anleger nun daraufreagieren?EineMöglichkeitwäre,alter - nativeDatenquellenzuerschließen,dieüberBe- wertungen der Unternehmenspolitik hinausgehen und Rückschlüsse auf das Verhalten des Unter - nehmenszulassen.HierbeilautetdiePrämisse: Die Handlungen eines Unternehmens sagen mehr aus als Worte. ESG und Big Data – Neue Methoden, um „Grünfärberei“zuentlarven Angesichts der stetig wachsenden Men- geanverfügbarennichtfinanziellenDatenund Informationen kann eine entsprechende Analyse nurmitHilfekünstlicherIntelligenzzuverlässig durchgeführtwerden.HiersetztdasαDig SystemderDeutschenBankan.EsnutztMachi - ne-Learning-Algorithmen und Natural Language ProcessingTechnologien,umUnternehmens - informationen,dieinzunehmendemMaßedem Greenwashingunterliegen,ineinenKontextzu setzenundRückschlüssedarauszuziehen(unser Artikel „Anlegen mit Alpha-Dig“ enthält eine ausführliche Darstellung der Leistung der dem αDigSystemzugrundeliegendenkünstlichen Intelligenz). Will man die Auswirkungen auf den Markt - werteinerAktieausderkeineswegszuverlässigen Aussage eines „grün gefärbten“ Berichts ablei - ten,mussmanzunächstverstehen,wieveraltet traditionelleESGBewertungssystemeinzwischen sind.NochvorzehnJahrenbasiertendievon Datenanbietern bereitgestellten ESG-Werte im Wesentlichen auf einem simplen Ja oder Nein auf die Fragen, ob Unternehmen über bestimmte Sys - teme, Kontrollen und Richtlinien – beispielsweise zurVerhinderungvonStreubomben,Bestechung Konzept 14 und Korruption oder Kinderarbeit – verfügen. An- hand dieser Werte konnten Anleger die von ihren Kunden gewünschten Ausschlusslisten erstellen. IneinerZeit,inderdieBerichterstattungüber unternehmerische Nachhaltigkeit lediglich auf frei - willigerBasiserfolgte,stütztensichdieDatenan- bieteraberverständlicherweiseaufdiebegrenzte Menge verfügbarer Daten in Unternehmens- berichten. Alternativen gab es kaum. DievorstehendeGrafikzeigt,dassdieBe- richterstattungzurunternehmerischenNach- haltigkeitseitderFinanzkrisesprunghaftan- gestiegen ist. Dank dieser neuen Informationen konntenDatenanbieterihreDatensatzdefinitionen präzisierenundvieleweitereESGWerteanbieten. Viele traditionelle ESG-Bewertungssysteme waren mit dieser Flut an neuen Informa tionen überfordert.Tatsächlichsindmehrals300 ESGDatenpunktefüreineinzigesUnternehmen möglich, und es besteht wenig Einigkeit unter den verschiedenen Datenanbietern, was die DefinitionvonNachhaltigkeitoderWesentlich- keit anbelangt. Schlimmer noch: Einige Unter- nehmenkönnenaufgrundderzunehmenden Menge an Informationen in gewisser Weise das Bewertungssystem manipulieren, indem sie eine größereAnzahlanKennzahlen–ohneRücksicht aufderenQualität–veröffentlichen.Dadurchsoll dieWahrnehmungderAnlegerinBezugaufdie Unternehmenstransparenzbeeinflusstwerden– dies nennt man Greenwashing. UmpotenzielleSchwachstellentraditionel- lerESGDatensätzeaufzuzeigen,habenwireine ReihevonTestsmitdemαDigSystemdurchge- führt.DererstedieserTestsbefasstesichmitdem sogenannten„AgendaSetting“bzw.dergezielten BehandlungbestimmterThemenindenNachhal- tigkeitsberichten der Unternehmen. Dem liegt die Auffassungzugrunde,dassinderUnternehmens- kommunikation üblicher weise Informationen nach demFramingAnsatzselektiertundineinebe - stimmtePerspektivegesetztwerden,umEinfluss aufdieThemenzunehmen,überdiedieAnleger nachdenken. Nach dem Einlernen analysierte unser Machine-Learning-Algorithmus Berichte von über1.000UnternehmenundordneteSätze verschiedenenThemenbereichenzu:allgemeiner Überblick,ertragsbezogen,nachhaltigkeitsbezo- gen usw. Unser Algorithmus ermittelte für jeden BerichtdenprozentualenTextanteil,dersichauf verschiedeneNachhaltigkeitsthemengemäß den von den Vereinten Nationen festgelegten 17 ZielenfürnachhaltigeEntwicklungbezieht.Zu diesenZielenzählendieBekämpfungdesKlima- wandelsundderSchutzderOzeaneundWälder, eine nachhaltigere Gestaltung der Städte, die Ver- besserung der Gesundheitsversorgung und des ZugangszuBildungsowieeinEndevonArmut und Hungersnot. DieTabelleaufdenausfaltbarenSeitenzeigt für verschiedene Sektoren den durchschnittlichen ProzentualerAnteilderS&P500Unternehmen, dieNachhaltigkeitsberichteveröffentlichten(20112016) Quelle:Governance&AccountabilityInstitute,Inc.2017Research. Nicht berichterstattende Unternehmen Berichterstattende Unternehmen 2011 20% 80% 53% 47% 72% 28% 75% 25% 81% 19% 82% 18% 2013 2014 2015 2016 2012 Unternehmen im S&P 500, 2011-2016 15 ESGundBigData–NeueMethoden,um„Grünfärberei“zuentlarven prozentualenTextanteilfürjedesNachhaltigkeits- thema. Dabei sticht als Erstes ins Auge, dass die ProzentsätzeinderTabelleallesehrniedrigsind undinderSummedeutlichunter100Prozentlie- gen.Dieszeigt,wiegroßderAnteildesinUnter- nehmensberichtenenthaltenenTextsist,dernicht eindeutigeinembestimmtenThemazugeordnet werden kann. Im Wesentlichen handelt es sich dabeiumüberflüssigeMarketinginformationen oderGreenwashing.UnserezweiteBeobachtung ist, dass Unternehmen üblicherweise hauptsäch- lich darstellen, für wie innovativ sie sich selbst halten, statt sich tatsächlich mit Nachhaltigkeits- themenauseinanderzusetzen. AngesichtsdieserklarenTendenzensinddie übrigen Erkenntnisse eher intuitiver Natur. Versor- gerbefassensichhauptsächlichmitKlimaschutz und sauberer Energie, Unternehmen aus dem Gesundheitswesen mit Gesundheit und Wohlbe- findenundImmobiliengesellschaftenvorwiegend mit nachhaltigem Städtebau. AlsNächsteshabenwireinenTestdurchge- führt,derdirekteraufdasThemaGreenwashing beiUnternehmenabzielt.Dabeiwurdegeprüft, inwieweit die von einem führenden Datenanbieter bereitgestelltenESGBewertungenausschließ- lich mit Hilfe der in dem Nachhaltigkeitsbericht einesUnternehmensveröffentlichtenInforma- tionennachvollzogenwerdenkönnen.Anders ausgedrückt: Wurde der Datenanbieter durch die InformationenindemBerichtbeeinflusst? Dafür mussten unsere Algorithmen ent- sprechend angelernt werden, um verschiedene gängigelinguistischeMerkmalezuverstehen, deren Unterscheidung für Menschen keinerlei Problem darstellt, für traditionelle Systeme jedoch unmöglichist.DieserTestlieferteeinigeun- erwartete Ergebnisse und machte deutlich, dass Unternehmen ihre ESG-Bewertung durch Green- washingihresNachhaltigkeitsberichtsbeeinflus- sen können. Im Folgenden befassen wir uns mit denspezifischenAuswirkungeninbestimmten Greenwashing-Kategorien. Finanzkennzahlen–Unternehmenmit höhererKapitalisierungerzielteninderRegelein besseresESGRating.Konkretheißtdas:JeUSD 1 Mrd. an Marktkapitalisierung lag das durch- schnittliche ESG-Rating eines Unternehmens um 3,5 Punkte höher. Eine Erklärung hierfür ist, dass großeUnternehmenüberumfangreichereMittel für eigene Nachhaltigkeitsabteilungen und die Erstellung langer Berichte verfügen. LängederDokumente–Biszueinembe- stimmten Punkt deutet ein umfangreicheres DokumentaufeingrößeresMaßanTransparenz hin,abeinemschwerdefinierbarenPunktindes eheraufGeschwafel.UnserenErgebnissenzufol- ge lag die Bewertung eines Unternehmens durch DatenanbietermitjederweiterenSeiteanTextim Durchschnitt um 0,25 Punkte höher. Mit anderen Worten: Unternehmen scheinen für Geschwafel belohntzuwerden. LexikalischeVielfalt–DieZahlderimText verwendeten unterschiedlichen Wörter steht für die Qualität des sprachlichen Ausdrucks. Der Grundgedankehierbeiist,dasseinegrößere WortschatzvielfaltaufkreativesMarketingund Greenwashing hindeutet. Stimmung – Diese Kategorie beschreibt den AnteilpositiverSchlüsselbegriffeimTextundsoll übertriebenen Optimismus erfassen. Wir haben festgestellt,dassdiesesKriteriumvongroßerBe- deutung ist. Anders ausgedrückt: Unternehmen, die optimistische Formulierungen wie Erwäh- nungenvon„Auszeichnungen“und„erreichten Zielen“verwenden,erhalteninderRegeldie höchsten ESG-Ratings. Ziele–Diesbeziehtsichdarauf,wiehäufig dieWorte„Ziele“und„Vorgaben“indemText Fußabdruck Minderung Anpassung Überwachung Risiken Emissionen Prozesse Systeme Überwachung Risiken Auswirkungen Reaktionen Anpassung Nutzung Aufsichtsrecht Ozean Pläne Ziel Volumen Berichterstattung Klima Anforderungen Grenzwerte Perzentil Politische Ent- scheidungsträger Ökosysteme gemeldet Technologie stabilisierend Trends Gesellschaft Schätzungen einsatzfähig Vorgabe wirtschaftlich Riff Maßnahmen Erreichen Verbrauch Verschiebungen Gletscher Minderung Verbesserungen Prozent Auswirkungen Wald Forschung Vorgabe Kapazität sich verändernd Konzept 16 verwendet werden. Dahinter steht der Gedanke, quantitative Informationen und Hinweise auf nachhaltigesVerhaltenzuerfassen.FürjedeEr- wähnungvonZielenergabsicheinum1Punkt höheres durchschnittliches ESG-Rating für ein Unternehmen. Am wichtigsten ist jedoch die Untersuchung derDivergenzzwischendenAussagen,diedie Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsberichten treffen,undihrenspätertatsächlicherreichten Nachhaltigkeitszielen.Insbesonderehabenwir untersucht,obaufdieZusagenderUnternehmen hinsichtlichderReduzierungdesCO 2 Ausstoßes tatsächlich geringere direkte Scope 1-Emissio- nen folgten (siehe Artikel „Das Kleinvieh und der großeRest“,dersicheingehendermitScope1, Scope2undScope3Emissionenbefasst). WirhabendenNLPAlgorithmusdesαDig Systems so trainiert, dass dieser Unternehmens- zusagenbestimmenundaufCO 2 -Emissionen be- zogeneDarstellungeninNachhaltigkeitsberichten erkennen kann. Dabei wurden fünf verschiedene Themenidentifiziert. DienebenstehendeTabelleenthältdiewich- tigstenSchlüsselbegriffezujedemThema. EinigeUnternehmenäußertensichzuihrem CO 2 Fußabdruck(indemsieAngabenzuihren EmissionenoderderenWirkungmachten),wäh- rend andere erörterten, wie sie dem Klimawandel entgegenwirken oder sich an diesen anpassen wollen. AnschließendhabenwireinBewertungs system entwickelt, um diejenigen Unternehmen zuermitteln,dieamstärkstendemKlimawandel entgegenwirkenbzw.sichdiesemanpassen wollen. Diese Bewertungen wurden dann mit anderen linguistischen Merkmalen aus Nach- haltigkeitsberichtenzusammengefasst.Um quantitativeInformationenzuerfassen,habenwir beispielsweisedieAnzahlarabischerZahlenund quantitativerWörterwie„erstens“,„zweitens“ und „die Hälfte“ berechnet und aus diesem Wert anschließenddasVerhältniszuderGesamtanzahl der Wörter ermittelt. Hintergedanke dabei war, dassZahlenangabenmitgrößererWahrschein- lichkeit auf einen Fokus auf Dekarbonisierung hindeuten.ZudemhabenwireinMaßfürin den Berichten verwendete aktive und passive Formulierungeneinbezogen.Dabeihabenwiruns an den sprachlichen Leitlinien der SEC orientiert, wonach die Unternehmenskommunikation im WesentlichendenfolgendenGrundsätzender englischenSpracheentsprechenmuss:kurze Sätze,eindeutige,konkreteallgemeinsprachliche Wortwahl, aktive Formulierung, tabellarische DarstellungkomplexerInformationen,keinjuristi- scher Fachjargon und keine mehrfache Negation. Undschließlichhabenwirdieselinguisti- schen Merkmale um von einem ESG-Datenanbie- terveröffentlichteumweltbezogeneScoreWerte ergänzt.DerDatenanbieterunterscheidetzwi- schendenZusagen,ZielenundVorgabeneines Unternehmens im Bereich Energieeinsparung und denInitiativenzurVerbesserungseinesökologi- schenFußabdrucks. Auf dieser Grundlage konnten wir dann ausgehend von den im Nachhaltigkeitsbericht desVorjahresenthaltenenAngabenzurUnterneh- menspolitik,zudenZielenundzudenInitiativen die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass ein UnternehmenimFolgejahrseineTreibhausgas- emissionenreduzierenwird. Die Ergebnisse waren eindeutig. Die von tra- ditionellen Datenanbietern ermittelten ESG-Werte waren statistisch gesehen allesamt nicht signi- fikant.MitanderenWorten:DieTatsacheallein, dasseinUnternehmenseineUmweltpolitik,ziele undinitiativenerörtert,führtnichtzueinerRedu- zierungseinerkünftigenScope1Emissionen. Die gute Nachricht: Unsere linguistischen Kriteriensinddagegenstatistischsignifikant.Das heißt,dassUnternehmen,dieinhohemMaße aktiveFormulierungenundZahlenangabenver- wenden, im Durchschnitt mit einer Wahrschein- lichkeitvon74ProzentihrekünftigenEmissionen reduzieren.BeiUnternehmen,diesichregelmäßig damitbefassen,demKlimawandelentgegenzu- wirkenodersichandiesenanzupassen,liegtdie Wahrscheinlichkeitdagegenbei65Prozent. Die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis ausdemaufkünstlicherIntelligenzbasierenden αDigSystembestehtwohldarin,dassdieDaten- landschaftimESGBereichbereitsseiteinigerZeit reiffüreinenUmbruchist.Jetzt,dadieTechnolo- gie hinreichend ausgereift ist, kann Greenwashing bei Unternehmen aufgedeckt werden und Big DataTechnikenkönnendazueingesetztwerden, dasVerhaltenderUnternehmenvorherzusagen sowieUnternehmenszielebesserzuanalysieren. Es ist eine Schande, dass viele Unternehmen ihre Kommunikation grün färben, besonders da sich dies auf die von traditionellen Datenanbie- tern errechneten ESG-Werte auswirkt. Doch die ESGAnlegerkönnendankderneuenTechnologie fortan aufdecken, ob ein Unternehmen tatsäch- lich die ESG-Kriterien erfüllt. Sie kommen mit die- serTechnologieihremultimativenZielnäher:Der Vorhersage des Risikos eines Unternehmens aus demÜbergangzueinerkohlenstoffarmenWirt- schaft und dessen künftigen CO 2 Fußabdrucks. Andy Moniz ist Chief Data Scientist und Spyros Mesomeris ist Global Head of Quantitative Strategy bei Deutsche Bank Research. 17 ESGundBigData–NeueMethoden,um„Grünfärberei“zuentlarven JimReid,LukeTempleman,SahilMahtani IndenletztendreiJahrzehnten,diegenerell vonmultilateralenWirtschaftsbeziehungenund Globalisierung geprägt waren, wurde der Ruf nach Standards für nachhaltiges Investieren im- mer lauter. Aber selbst in dieser scheinbar erfreu- lichenZeitließenessicheinigeKritikernichtneh- men, die Entwicklung von Standards für Umwelt, SozialesundUnternehmensführung( Environmen- tal, Social and Governance –ESG)alseinenLuxus zubetrachten,densichnurentwickelteVolks- wirtschaften leisten können. Als Argument wird dabei angeführt, eine Volkswirtschaft müsse erst eine längere Periode wirtschaftlicher Entwicklung durchlaufenhaben,bevorsieESG Themenals „nice-to-have“ berücksichtigen könne. In gewisser Hinsicht ist dieses Argument nichtvonderHandzuweisen.EinBlickindie GeschichtsbücherzeigtzahlreicheBeispielevon Ländern,diefürdieErzielungwirtschaftlichen Fortschritts ihre natürlichen Ressourcen aus- beuteten,dieUmweltverschmutztenundsich erst nach Erreichen eines gewissen Wohlstands- niveaus an die Beseitigung der damit verbunde- nen Schäden machten. Der berühmte „Londoner Nebel“, verursacht durch Rauchschwaden aus ESG und Entwicklung auf internationaler Ebene – KeinLuxus,sondern Notwendigkeit den Schornsteinen von Fabriken und Haushal- ten,wurdealsFolgedesdamaligenPolicyMix toleriert,derGroßbritannienmitderindustriellen Revolution bis weit in das 20. Jahrhundert hinein reichmachte.OffensichtlichwolltendieBriten erst die Früchte dieser wirtschaftlichen Entwick- lung ernten, bevor sie sich entschlossen, ans Aufräumenzugehen. HeutegibteszahlreicheStudien,diediemit der Ausbeutung der Umwelt einhergehenden langfristigenwirtschaftlichenFolgenaufzeigen. Die Weltgesundheitsorganisation hat jüngst Berechnungenvorgelegt,denenzufolgediemit vorzeitigenTodesfällenundInvaliditätdurch Luftverschmutzungeinhergehendenökonomi- schenKosteninEuropabeifastUSD1,6Bio.bzw. etwaswenigeralseinemZehntelderWirtschafts leistung der gesamten Europäischen Union liegen. 1 AucheineinderFachzeitschrift„The Lancet“veröffentlichteStudiekommtzuderEin- schätzung,dassjährlichweltweitneunMillionen bzw.etwaeinSechstelallerTodesfälleaufLuft, WasserundarbeitsplatzbezogeneVerschmut- zungzurückzuführensind. 2 Der Anthropologe Jared Diamond hat im Rahmen einer historischen Konzept 18 Konzept 18 Betrachtung beschrieben, wie eine die Umwelt außerAchtlassendePolitikzumZusammenbruch ganzerZivilisationengeführthat. Bei ESG geht es indes um weit mehr als die Umwelt. Wir möchten uns in diesem Artikel mit denThemen Soziales und Unternehmensführung befassen, die oft weniger im Vordergrund stehen. Dabei vertreten wir die Ansicht, dass solide StandardsindiesenbeidenBereichenkeinLuxus sind, den sich eine Volkswirtschaft erst ab einem bestimmten Entwicklungsstand leisten sollte. Sie sindvielmehreineVoraussetzungfürnachhalti- gesWachstum,undzwarsowohlkurzalsauch langfristig. WennwirkurzdieUnternehmensseitebe- leuchten, so scheint es, dass Anleger bereits seit geraumerZeitTitelmitgutenESGBewertungen bevorzugen.LautunsererAnalysehabendiegro- ßeneuropäischenUnternehmenmitdenbesten ESG-Bewertungen (siehe die Studie „ESG: a guide forfundmanagers“)seitmindestens2005–für diesenZeitraumstehendiebrauchbarstenDaten zurVerfügung–besserabgeschnittenalsder Gesamtmarkt.Tatsächlichwurdenindenoberen beiden Quintilen auf Basis der ESG-Bewertungen Durchschnittsrenditen von 75% generiert – mehr als das Dreifache der Rendite in den beiden unte- ren Quintilen. NimmtmandieseZahlengenauerunter die Lupe, wird klar, dass die Outperformance vorwiegend in Phasen wirtschaftlichen Auf- schwungsstattfindet,währenddieKorrelation während eines Konjunkturabschwungs weniger klar ist. Anders ausgedrückt: In konjunkturellen AbwärtsphasenstoßenAnlegerTitelunabhän- gig von ihrem ESG-Status ab, während sie bei AufwärtstrendsTitelmitguterESGBewertung bevorzugen. Auch wenn sich dieses Argument nicht direkt von der Unternehmensebene auf die Länderebene übertragen lässt, so ist doch klar, dasseseineVerbindunggibt.DasGegenteilzu behaupten – nämlich dass sich die Förderung von RechtsstaatlichkeitverbundenmitderSchaffung einerKulturzurBekämpfungvonKorruptionund BestechungsowiezumSchutzdesgeistigen Eigentums ohne Beteiligung der Unternehmen erreichen lasse – scheint vielmehr weltfremd. Einekürzlicherschienene,vielbeachtete Studie von Acemoglu und Robinson scheint diese Sichtweisezubestätigen. 3 Darin wird unterschie- denzwischeninklusiven(alleTeilederGesell- schafteinbeziehenden)staatlichenInstitutionen –diefürdieDurchsetzungdesRechtsstaatsprin- zipsundprivatenVerfügungsrechtensorgenund gleichzeitiggleicheWettbewerbsbedingungenfür 19 ESGundEntwicklungaufinternationalerEbene–KeinLuxus,sondernNotwendigkeit dieBereitstellungvonDienstleistungenschaffen –undextraktiven(ausschließenden)Institutionen, beidenendiewirtschaftlicheStrukturdazudient, die Eliten mit Ressourcen aus dem Rest der Ge- sellschaftzuversorgen.DieStudiekommtzudem Schluss,dassextraktivepolitischeInstitutionen langfristig nicht haltbar sind. Dies ist nur einer der Gründe, warum sich Entwicklungsökonomen verstärkt mit Unter- nehmen und der Frage, wie ihr ESG-Status die EntwicklungvonLändernbeeinflusst,befassen sollten.NebendenlangfristigenZusammenhän- gen sollte sich dabei das Augenmerk auch darauf richten, wie sich politische Good Governance in einer Volkswirtschaft auf deren Fähigkeit aus- wirkt, die Produktion von Gütern und Dienstleis- tungen–derentscheidendeTreiberkurzfristigen Wirtschaftswachstums–zusteigern.MitBezug daraufwerdenwirinallerKürzedreisozialebzw. gesellschaftspolitischeThemenunddreiGover- nanceThemenerörtern,denenÖkonomengrö- ßereAufmerksamkeitwidmensollten,dadiese unmittelbare Auswirkungen auf das Wachstums- potenzialeinerVolkswirtschafthaben. SozialeFragen DasersteThemahierbefasstsichmitDiver- sität in der Arbeitswelt, denn es besteht eindeutig einZusammenhangzwischenderFörderung derTeilhabevonFrauenundMinderheitenam Arbeitsleben und der Qualität des wirtschaft- lichen Wachstums, das ein Land aufrechterhalten kann. GrundsätzlichsindeinerVolkswirtschaft durchdieAnzahlderihrzurVerfügungstehen- denArbeitskräfteGrenzengesetzt,d.h.viele hochqualifizierteArbeitnehmersindbesserals wenige. In Entwicklungsländern stehen jedoch häufigdiepolitischenRahmenbedingungeneiner Ausdehnung der Erwerbsbevölkerung entgegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass junge Frauen im GegensatzzuihrenmännlichenPendantsweder am Erwerbsleben noch an der Bildung beteiligt sind, ist in vielen Ländern mit geringem Einkom- mensniveau höher 4 – was erhebliche Konsequen- zennachsichzieht.EinemBerichtderWeltbank zufolgebüßenLänderweltweitaufgrundvon UnterschiedenimLebenseinkommenzwischen Männern und Frauen USD 160 Bio. an Wohl- stand ein. 5 Und da Frauen weniger verdienen als Männer, ist das Humankapitalvermögen weltweit etwa20Prozentgeringeralsesseinkönnte.Eine hohe Diversität der Belegschaften in Unterneh- menistbeiWeitemkeinschickerLuxus,sondern trägtganzentscheidendzueinerpositivenFeed- back-Schleife bei, die ein hohes Bildungsniveau bei allen Absolventen befördert. Nicht nur Entwicklungsländer sollten dies zurKenntnisnehmen.VieleIndustrieländer werdeninnaherZukunftmiteinerschrumpfen- denErwerbsbevölkerungzukämpfenhaben.So istdieDurchschnittsgrößevonFamilieninden USA von 3,7 in den 1960er Jahren auf nunmehr 3,1zurückgegangen.EineStudiekommtzudem Schluss,dassbiszueinFünfteldesUSWirt- schaftswachstumsimZeitraumvon1960biszur FinanzkrisemiteinemverstärktenWachstum beiinderArbeitsweltzuvorunterrepräsentierten Gruppen,insbesondereFrauen,zusammenhängt. 6 Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund einer zunehmendenBeteiligungvonFrauen(Anstieg der Quote von 35% in den 1950er Jahren auf 60% imJahr2000)zusehen.SeitherhatsichderTrend jedoch umgekehrt, ist die Beteiligungsquote auf 57% gesunken. Bei Männern beläuft sich diese Quote auf 68%, was ohnehin niedriger ist als in den meisten vergleichbaren OECD-Ländern. Hier kann auf jeden Fall mehr getan werden. InJapanbeispielsweisewurdeindenletzten Jahren viel getan, um das Humankapital des Landesoptimalauszuschöpfen,wasangesichts desdortherrschendenenormendemografischen Drucks wenig überrascht. Seit dem Amtsantritt von Premierminister Abe ist etwa die Beschäfti- gungsquote bei Frauen von nur 64% auf fast 70% gestiegen. Vermögensverwalter hätten den Be- mühungen der Regierung durch die Berücksich- tigungvonESGKriterienjedochzuvorkommen oderdieseunterstützenkönnen–dennPolitikund WirtschaftverfolgenletztlichdieselbenZiele. BildungstehtinengemZusammenhangmit der Beteiligung am Erwerbsleben. Nach Schät- zungenderUNwardieHälftedesinderOECDin denvergangenenfünfzigJahrenverzeichneten Wirtschaftswachstums dem Anstieg des Bil- dungsniveaus geschuldet 7 unddieserAnstiegzu mehrals50%daraufzurückzuführen,dassmehr Mädchen höhere Bildungsabschlüsse erworben habenundsichdieZahlderBildungsjahrevon Frauen und Männern immer weiter angeglichen hat.DieOECDfandheraus,dasseinzusätzliches Bildungsjahr einem Anstieg des Humankapitals um11%entsprichtundzueinemdurchschnittli- chen Anstieg des BIP pro Kopf um 9% führt. 8 Konzept 20 EinweiteressozialesThemamitdirektem EinflussaufsowohlUmfangalsauchQualitätder Erwerbsbevölkerung ist die Gesundheit. Unser Fokus liegt dabei auf dem Bereich Gesundheits- schutzundSicherheitamArbeitsplatz.EinigeBe- obachter argumentieren, dass Entwicklungslän- der nur dann Wohlstand erlangen können, wenn siezunächstihrebilligen,wenigerRegulierungen unterliegendenArbeitskräftenutzen.Jedochgibt eszahlreicheBelegedafür,dassdieseSichtweise zukurzgreift. EinemEUBerichtzufolgekostenArbeits- unfälle den Kontinent fast EUR 500 Mrd. pro Jahr. Weltweit führen arbeitsbedingte Unfälle und ErkrankungenzueinerVerringerungderWirt- schaftsleistungum3,9%bzw.jährlichenKosten von EUR 2,7 Bio. 9 DerAnsicht,dieKostenfürdieUmsetzung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften würden die Wirtschaftsleistung mindern, wider- spricht nun ein Bericht der britischen Regierung: EinestrengereUmsetzungsolcherVorschriften habezwarkurzfristigeinegeringereWirtschafts- leistungzurFolge,langfristigsteigejedochdie Produktivität. 10 Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass Rechtsvorschriften für Gesund- heitsschutzundSicherheitnichtnurUmfang und Qualität der verfügbaren Arbeitskräfte einer Volkswirtschaftsteigern,sondernauchdazufüh- ren, dass weniger Menschen Familienangehörige pflegenmüssenunddieAusgabenfürmedizini- sche Versorgung sinken. Ähnlichverhältessichaufkurzeundlange Sicht bei Bestechung und Korruption. Diese sind häufigerinLändernmitniedrigemEinkommen anzutreffen.MitunterwirddieMeinungvertreten, dass sich viele Gesellschaften in solchen Ländern an die Umstände angepasst und Bestechung als TeildestäglichenLebensoderalsGeschäftskos- tenakzeptierthaben.Zudemwirdargumentiert, dass Korruption eine Folge von Armut und nicht deren Ursache ist, und Bestechung erst dann auf- hört, wenn ein Land mehr Wohlstand erlangt. Solche Argumente hinken jedoch. In einem WirtschaftssystemzementiertBestechungdie Position jener etablierten Akteure, die sich die ZahlungsolcherGelderleistenkönnen.Dadurch fehlendenMenschenAnreizefürdieGründung neuerUnternehmen.ZudemwerdenRessour- cenvergeudet,dasienichtoptimaleingesetzt werden.NachSchätzungendesWeltwirtschafts- forums erhöhen sich Geschäftskosten durch Kor- ruptionumdurchschnittlichbiszu10%.ImJahr 2002schätztedieAfrikanischeUnion,dassden afrikanischen Staaten durch Korruption jährlich ein Viertel ihrer Wirtschaftsleistung (etwa USD 150Mrd.)entgeht. 11 Es ist wenig überraschend, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen indenzehnLändernmitdergeringstenwahrge- nommenen Korruption bei USD 62.000 liegt und damitzehnmalhöheristalsdasDurchschnitts einkommenindenzehnLändernmitder höchsten Korruption. Wenn man den Sonder- fallÄquatorialguineanichtberücksichtigt,sind die Länder mit der geringsten Korruption sogar zwanzigmalreicheralsjenemitderhöchsten Korruption. Corporate Governance WirmöchtenunsnunmitdreiThemen zurUnternehmensführungbefassen,diestarke kurzfristigeAuswirkungenaufVolkswirtschaften haben.Ihnenallenistgemein,dasssienützliche AnreizefürUnternehmenbieten. DasersteThemabetrifftGovernanceStruk- turen. Es stimmt, dass die Unternehmensführung betreffendeRegelungensehrspezifischsindund vonRechtsvorschriftenindeneinzelnenLän- dernabhängen.DadieeinzelnenUnterschiede zwischendiesenRechtsvorschriftendenRahmen dieses Artikels sprengen würden, werden wir unsaufeineältere,abervielzitierteStudieder WhartonSchoolstützen.DieseStudiebetrachtet aus einem allgemeineren Blickwinkel Unterneh- men mit einer „schwächeren“ Governance-Struk- tur,diegrößereAgencyProbleme(Auftraggeber/ Auftragnehmer)nachsichzieht.Siekamzudem Ergebnis, dass die Chefs solcher Unternehmen einhöheresGehaltbeziehenalsjeneinUnter- nehmen mit „besserer“ Governance-Struktur. 12 ZudemergabdieStudie,dassUnternehmenmit hochbezahltenChefsundschwachenGover- nance-Strukturen schlechte Ergebnisse für ihre Anlegererzielen.DefactogehtmiteinemAnstieg der Übervergütung (excess compensation) des Firmenchefs um 40% ein Rückgang der Gesamt- kapitalrenditeumeinenProzentpunkteinher.Bei einem Unternehmen mit einer Gesamtkapital- rendite von 10% beträgt dieser Rückgang also ein Zehntel. Daher ist ein System der „Checks and Balances“vonzentraler,unmittelbarerBedeu- tung. Eine Beobachtung ist, dass die Vergütung des Unternehmenschefs geringer ausfällt, wenn 21 ESGundEntwicklungaufinternationalerEbene–KeinLuxus,sondernNotwendigkeit 1WorldHealthOrganization,„Economiccostofthehealthimpactofair pollution in Europe“, April 2015 2 Europäische Kommission, „Global pollution kills 9 million people a year“, International Cooperation and Development, 15. Januar 2018 3 Acemoglu, D., und Robinson, J, „Why Nations Fail“, Penguin Random House, März2012 4 Organisation for Economic Co-operation and Development, „Closing the gendergap“,Dezember2012 5Wodon,Q.,DelaBriere,B.,„Unrealizedpotential:Thehighcostofgender inequality in earnings“, World Bank, Mai 2018 6Hsiehetal.(2013),ausAdemaetal.,„EnhancingWomen’sEconomic Empowerment through Entrepreneurship and Business Leadership in OECD countries“, OECD 2014 7 Organisation for Economic Co-operation and Development, Gender Equality in Education, Employment and Entrepreneurship: „Final Report to the MCM“, 2012 8 Organisation for Economic Co-operation and Development, Gender Equality in Education, Employment and Entrepreneurship: „Final Report to the MCM“, 2012 9EuropäischeAgenturfürSicherheitundGesundheitsschutzamArbeitsplatz, Pressemitteilung, 4. September 2017 10HealthandSafetyExecutive,„Healthandsafetymanagementandbusiness economic performance”, erstellt von Cambridge Econometrics, 2006 11OrganisationforEconomicCooperationandDevelopment,„Therationale forfightingcorruption“,CleanGovBiz,2014 12 Core, J., Holthausen, R., und Larcker, D., „Corporate governance, chief executiveofficercompensation,andfirmperformance“,Juli1998 13 Xu, S., Liu, D., und Huang, J., „Corporate social responsibility, the cost of equitycapitalandownershipstructure:AnanalysisofChineselistedfirms“, März2014 neben diesem eine Person im Führungsgremium vertreten ist, die mindestens 5% der Anteile an dem Unternehmen hält. DasnächsteThemaistESGTransparenz.Ein kurzerBlickindenGeschäftsberichteinesUnter- nehmensoffenbartdurchschnittlichDutzende vonSeitenmitESGbezogenenAngaben.Darin findensichinderRegeljedeMengeSchlagwör- ter, und Anleger sind oft skeptisch, was deren Nutzenangeht(inunseremLeitartikel„Anlegen mitAlphaDig“wirderörtert,wienützlichsolche Berichteseinkönnen).EineweltweiteStudieder University of London, Birkbeck, ergab, dass die VorzügeeinerESGbezogenenOffenlegungdie Kosten für ein börsennotiertes Unternehmen im Durchschnitt mehr als aufwiegen. Eine umfang- reicheESGOffenlegungwirktsichpositivauf die Bewertung eines Unternehmens aus – ins- besondereaufdenTobinschenQuotienten,bei dem der Marktwert eines Unternehmens durch dieWiederbeschaffungskostenderVermögens- werte des Unternehmens dividiert wird –, da sich die Anleger damit ein Bild des immateriellen Vermögens des Unternehmens machen können. WeitereUntersuchungenkamenzudemEr- gebnis, dass Unternehmen mit einer besseren ESGTransparenzihreKapitalkostensenken können, da geringere operative und reputations- bezogeneRisikenbestehen. Wichtig dabei ist, dass dies sowohl für In- dustrie- als auch für Entwicklungsländer gilt. Eine Studie mit Schwerpunkt auf chinesischen Unter- nehmenhatgezeigt,dassjenemiteinerbesseren Bewertung ihrer Corporate Social Responsibility deutlich geringere Eigenkapitalkosten hatten unddieserEffektinPhaseneinerkonjunkturellen Abkühlungnochdeutlicherzutagetratalsbei Konjunkturaufschwüngen. 13 EinwenigbeachtetesGovernanceThemaist die Einhaltung weltweit anerkannter Rechnungs- legungsgrundsätzeineinemLand.NachAngaben des International Accounting Standards Board haben 144 Länder internationale Standards einge- führt.ZwölfweitereLänderhabensichverpflich- tet,eineeinheitlicheRechnungslegungeinzuhal- ten.ZehnweitereLänderweisenBesonderheiten auf, durch die internationale Normen nicht auf sie anwendbarsind.Dazuzählenbeispielsweisedie SchweizundBermuda,diesichfüreinestrenge lokaleKontrolleihrerFinanzinstituteentschieden haben. Betrachten wir die rund 45 verbleibenden Länder, so stellt sich heraus, dass diese Gruppe gerade einmal 1,2% der weltweiten Wirtschafts- leistung generiert, obwohl die Gruppe fast ein Viertel aller Länder umfasst. Wirhabenaufgezeigt,dasssichdieBe- trachtung der Auswirkungen von ESG-Faktoren auf eine Volkswirtschaft nicht auf Umweltthemen beschränkensollte.AuchsozialeBelangeund Fragen der Unternehmensführung, wie sie sich in den Aktivitäten von Unternehmen widerspiegeln, könnenerheblichekurzfristigeAuswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben. Das Interesse an diesenThemenwirdvermutlichzunehmen,daauf lokaler Ebene der Ruf nach stärkerer Berücksich- tigung von ESG-Fragen in der Politik stetig lauter wird–unddiestrotzdesjüngstzubeobachten- den Erstarkens populistischer Politik in einigen Industrieländern. Diese Entwicklung ist nicht nur aussozialenundgesellschaftspolitischenÜberle- gungenzubegrüßen,sondernauchausnüchter- nen, harten wirtschaftlichen Gründen. Jim Reid ist Global Head of Fundamental Credit Strategy and Thematic Research. Luke Templeman ist Analyst im Thematic Research-Team. Sahil Mahtani ist Analyst im Thematic Research-Team. Konzept 22 Personelle Diversität in Unternehmen ist bei Weitem kein schicker Luxus, sondern trägt ganzentscheidendzu einer positiven Feed- back-Schleife bei, die ein hohes Bildungs- niveau bei allen Absolventen fördert. 23 ESGundEntwicklungaufinternationalerEbene–KeinLuxus,sondernNotwendigkeit 23 Caroline Cook Scope 3-Emissionen – Das Klein- vieh und der großeRest Als gebürtiger Schottin ist mir die Rede- wendung „Kleinvieh macht auch Mist“ seit jeher geläufig.DieselässtsichauchaufdieBemühun- genanwenden,UnternehmenzurOffenlegung ihrerEmissionswertezudrängen,waseinesder wichtigstenUnterfangenimZugederEnergie- wende darstellt. Das „Kleinvieh“ sind in diesem Fall Emis- sionen der Kategorien „Scope 1“ und „Scope 2“. Scope1Emissionenstammenausschließlich aus unternehmenseigenen oder vom Unterneh- men kontrollierten Emissionsquellen: LKW, die in einer Kupfermine fahren, Emissionen eines in direktemEigentumbefindlichenKraftwerksoder ein Methan-Leck bei der Gasförderung oder in einerPipeline.Scope2beziehtsichaufAbgase, diebeiderErzeugungvonElektrizitätoderDampf sowie Wärme- oder Kühlenergie entstehen, die ein Unternehmen erwirbt und bei der Produktion seiner Waren verbraucht. Die eigenen Emissionen einesStromerzeugersfallenalsoindieScope 1Kategorie,währenddieEmissioneneinesexter- nenErzeugersderScope2Kategoriezugeordnet werden. Scope 1- und Scope 2-Emissionen werden gemeinhin als die Kategorien angesehen, die die Unternehmensführungamehestenbeeinflussen kann, und von denen erwartet wird, dass sie reduziertwerden.Optimalerweisesolltedieszu denPerformanceKriterienfürdieFührungsspitze zählen.UnserenBeobachtungenzufolgegehen viele Unternehmen diese Herausforderung mit einerMischungausspezifischenZielen,derFest- setzunginternerPreisefürTreibhausgasemissio- nen (Carbon Pricing) unddemdirektenBeziehen erneuerbarer Energien an. WasistnunabermitdemgroßenRest:den Scope3Emissionen?HierzuzählenalleEmissio- nen, die sich aus der gesamten Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ergeben, sprich: die eigentli- che CO 2 -Wertschöpfungskette. Diese Emissionen lassen sich in vorgelagerte Emissionen (üblicher- weise in erster Linie aus erworbenen Waren und Dienstleistungen)sowienachgelagerteEmissio- nen(schwerpunktmäßigEmissionen,diemitder VerwendungverkaufterProduktezusammenhän- gen)unterteilen. DerVergleichumfangreicherDatenzuScope 3-Emissionen wird unter Anlegern, die sich an ESGKriterienorientieren,fieberhaftgesucht.Da jedoch nicht alle Unternehmen diese Informatio- nenoffenlegen,müssenAnlegerderVersuchung widerstehen,DatenzuScope1undScope 2Emissionenfalschanzuwenden.Dieslässtsich vielleicht am besten anhand eines Beispiels ver- deutlichen: Wie hoch sind wohl die CO 2 -Emissionen von Apple,demweltgrößtenbörsennotiertenUnter- nehmen?ZwaristApplebeiderVeröffentlichung seiner CO 2 Bilanzganzweitvornemitdabei,den- nochistdieseFragenichtsoeinfachzubeantwor- ten. Aus dem Geschäftsbericht von Apple geht zunächsteinmalhervor,dassdasUnternehmen 2017fürdenAusstoßvongeradeeinmal89.000 TonnenCO 2 Äquivalentenverantwortlichwar.Ge- Konzept 24 messenanderGrößedesUnternehmensistdas ein erstaunlich geringer Wert. Rivale Samsung, deretwagleicheUmsatzzahlenwieApplever- bucht,verzeichnethingegeneinenEmissionswert von13Mio.Tonnen.Dasentsprichtetwadem 150-fachen des Konkurrenten aus Kalifornien. Die logische Schlussfolgerung wäre, dass Apple deut- lich umweltfreundlicher agiert als Samsung. DasistnatürlichnichtdieganzeWahrheit. Bei den genannten Emissionen handelt es sich um Scope 1- und Scope 2-Emissionen. Um die Scope 3Emissionenzuberechnen,hatAppleseineZu- lieferketteanalysiert.DasErgebniszeigteindeutig, dass die Werte der Scope 1- und Scope 2-Emis- sionennurbegrenzteAussagekrafthaben.Sofiel dieScope3BilanzvonAppleimvergangenen Jahr über 300-mal höher aus als die Scope 1- und Scope 2-Emissionen. WelchenNutzenkönnenAnlegeralsoaus dem Vergleich der Scope 1- und Scope 2-Emis- sionenvonSamsungundAppleziehen?Ganz einfach: fast gar keinen. DerGrundfürdieenormeDifferenzzwi- schendenEmissioneninderZulieferkettevon Apple und dem direkten Geschäftsbetrieb des Unternehmenslässtsichdaraufzurückführen, dasseinGroßteilderProduktionnachChinaaus- gelagertwurde.BeiSamsunghingegenfindet eindeutlichhöhererTeilderProduktionintern statt,weshalbdieDifferenzgegenüberdenScope 3-Emissionswerten deutlich kleiner ausfällt als bei Apple. UmseineScope3Emissionenzureduzie- ren,fordertApplevonseinenZulieferernunter anderem,inneueTechnologienzurVerringerung des CO 2 Ausstoßeszuinvestieren.Zudemfördert das Unternehmen Start-ups, die sich mit For- schung und Entwicklung in diesem Bereich befas- sen. Diese unternehmerische Ausrichtung trägt Früchte.DerDruckvonaußen,wieihnApple und andere Unternehmen aufbauen, ist einer der Faktoren des strategischen Imperativs, der hinter der sogenannten „Blue Sky“-Strategie der chinesischen Regierung steht: Es geht nicht nur um saubere Luft, sondern auch darum, sich einen langfristigenWettbewerbsvorteilzusichern. TrotzderoffensichtlichenSchwierigkeiten im Hinblick auf Scope 1- und Scope 2-Emis- sionsdatenverlassensichimmernochzuviele ESG-Anleger bei ihren Investmententscheidun- gen auf diese Angaben. Die Verwendung dieses nur grobe Anhaltspunkte liefernden Analyse- kriteriums kann unbeabsichtigte Folgen haben, besonders wenn Unternehmen anhand ihrer gemeldeten CO 2 -Emissionen je Verkaufseinheit oder Marktwert bewertet oder Portfolios anhand solcher Daten verglichen werden. Diese Werte habenimHinblickaufpotenzielleWertentwick- lung,RisikenundChanceneinesTitelsineiner emissionsärmeren Welt wenig Aussagekraft. NochdazubestehtkaumeinZusammenhang zurvollständigenCO 2 BilanzeinesProduktsoder einer Dienstleistung, und die Angabe der Werte lässt ebenso wenig Schlüsse auf die möglichen Auswirkungen auf entsprechende Preise, Nach- frageentwicklungundMargenzu.Schlimmsten- fallskanneszueinerFehlallokationvonKapital kommen, wenn Unternehmen, die echte Lösun- genfürdieEnergiewendezubietenhaben,am falschen Ende der Benchmarks landen. SelbstwennDatenzuScope1undScope 2EmissionenzurVerfügungstehen,sinddiese jedoch nicht immer miteinander vergleichbar, was die Angelegenheit nicht einfacher macht. In einigen Fällen melden Unternehmen nur Emis- sionen der direkt von ihnen betriebenen Anlagen und lassen gemeinschaftlich betriebene Anlagen außenvor–selbstwenndieseUnterscheidungin ihrenAbschlüssennichtgetroffenwird. Das Problem für Anleger in Aktien besteht letztlichdarin,dassdieWertentwicklungeines TitelsunddasEmissionsvolumenindenseltens- ten Fällen korrelieren. Diese beiden Faktoren miteinanderinEinklangzubringen,dasistdas ZielvonDeCAF,demDeutscheCarbonAlignment Framework. Hierbei handelt es sich um ein struk- turiertesRahmenwerk,dasdasZusammenspiel vonPolitik,TechnologieundAktienbewertungin den umweltfreundlichen und den herkömmlichen Sektoren untersucht und die Auswirkungen auf den Fair Value beurteilt. Die Analyse betrachtet den Kreislauf von CO 2 -Emissionen, bringt ein Ver- ständnis für mögliche Alternativlösungen mit und beurteilt die Auswirkungen auf Gewinnspannen und Renditen. DieDiskrepanzzwischenWertentwicklung und Emissionsvolumen kollidiert mitunter mit den politischenBemühungenzurEindämmungder globalen Erwärmung. Diese legen den Schwer- punktnatürlichaufdasVolumen:ZielistdieRe- duzierungvonCO 2 Emissionen,dieAbschaffung von Kohlekraftwerken und Verbrennungsmoto- ren,derverstärkteEinsatzvonSolaranlagenund ElektrofahrzeugenundderSchutzderRegen- wälder. BranchenwieStromerzeugung,Eisenund StahloderZement,beidenenScope1und Scope 2-Emissionen mindestens drei Viertel der Gesamtemissionen ausmachen, sind jedoch eher die Ausnahme denn die Regel. In den übrigen Branchen, von Öl und Gas über die Pharmaindus- triebishinzumLebensmitteleinzelhandelistdas Verhältnis mindestens umgekehrt. Um die Markt- auswirkungen und -chancen dieser Branchen bewertenzukönnen,müssenAnlegerdiegrößten CO 2 EmittenteninderZulieferketteidentifizie- ren und mögliche Alternativen für CO 2 -intensive Technologienbeurteilen.Zudemmussdievoraus- Scope3Emissionen–DasKleinviehunddergroßeRest 25 DiskrepanzzwischenRentabilitätundEmissionsvolumen 1.000 0 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 1.000 1 Zink Nickel Kupfer Stahl Kokskohle (Verbrennung) Kokskohle Eisenerz Kraftwerkskohle (EBITDA/Tonne) Nur geringe Auswirkungen auf Betriebskosten Nachfragerückgang oder Preisanstieg Geringe Intensität, aber Druck aus nachgelagerten Branchen 100 10 Kraftwerkskohle (Verbrennung) Aluminium Emissionskosten je Tonne Metall (CO 2 50 USD/t) Quelle: Deutsche Bank sichtlicheNachfrageelastizitätberücksichtigt werden, da die Kosten für CO 2 -Emissionen durch Preise und Volumina auf neue Margenstrukturen hinwirken. WirbefindenunsnochimAnfangsstadium derUnternehmensberichterstattungzuScope 3-Emissionen und bislang geben nur einige füh- rende Unternehmen in verschiedenen Branchen entsprechendeWertean.Vorallemsindzeitinten- sive Gespräche mit Lieferanten und Vertreibern erforderlich,dochwenndiezugrundeliegende Annahme einer Energiewende korrekt ist, ist dies dieeinzigeMöglichkeit,umdiezuerwartenden Auswirkungen auf Kosten und Preise – und damit aufAktienrenditen–beurteilenzukönnen. EmissionsanalyseinderPraxis: Beispiel 1 – Metalle und Bergbau Im April haben wir einen ausführlichen ArtikelüberdiepotenziellenAuswirkungen steigender Emissionskosten für die Metall- und Bergbauindustrieveröffentlicht,mitbesonderem Schwerpunkt auf Aluminium, Kupfer und Stahl (Mining DeCAF: Green winners from black costs inadecarbonisingworld).Jenachdem,woman dieGrenzezieht,entfallenaufdiesenSektor2% (Förderung),11%(einschließlichRaffination)oder 37%(einschließlichVerbrennung)derweltwei- tenTreibhausgasemissionen.DiebreitePalette an Energiequellen (erneuerbare Energien versus KohleundGas),MargenjeEinheitundNachfrage- prognosen sorgt dafür, dass für die verschiede- nenErzeugersehrunterschiedlicheErgebnisse herauskommen. IndervorstehendenGrafiksinddreimög- licheErgebnissezusammengefasst:erfolgreiche Preiserhöhung,Nachfragerückgangoderbegrenz- ter Druck auf die betrieblichen Aufwendungen. Mit der Energiewende ergeben sich vier mögliche Betrachtungsweisen. Erstens: der Nachfrageausblick. Die Menschen werden bei- spielsweise weiterhin Aluminium benötigen, nichtaberKohle.Zweitensbestehteinrelativer ZusammenhangzwischenCO 2 -Intensität und Gewinnspannen – hohe Emissionskosten und geringe Margen sind ein Warnsignal. Drittens müssendieMöglichkeitenderUnternehmenzur ReduzierungihrerCO 2 -Intensität berücksichtigt werden. Angesichts des Energieaufwands dürfte sich dies bei Aluminium leichter gestalten als bei Eisenerz.UndviertensistdadieWahrscheinlich- keit,dassinnaherZukunfthöherePreiseerzielt werden können, da die Verbraucher vermehrt auf umweltfreundlicheProduktesetzen.Folgtman der Logik dieser vier Analysekriterien, ist es einfa- cher,dieUnterschiedezwischenAluminiumund Kupferproduzentenauszumachen. EmissionsanalyseinderPraxis: Beispiel 2 – Öl und Gas Die Emissionen in der Öl- und Gasindustrie lassensichinzweiKategorieneinteilen:Rund 15%ergebensichausAktivitätenimZusammen- hangmitderProduktion(Scope1undScope2) und 85% entfallen auf die Verbrennung durch Endnutzer(Scope3).DiegrößtenUnterneh- men legen ihre Emissionswerte weitestgehend offenundetlicheveröffentlichensogarihre Konzept 26 2016 2025 Bilanz 2016 Konventionelle Förderung an Land Konventionelle Schelf- Förderung Schiefergas Schieferöl Ölsand Schweröl Tiefsee Flüssig- erdgas 250 200 150 100 50 0 15 12 9 6 3 0 Brutto-Emissionen (CO 2 in Mio. t) Emissionsintensität (g CO 2 /MJ) Öl- und Gas-Produktion: CO 2 BilanznachFörderungsart Quelle: Deutsche Bank Scope 3Emissionen.Beidenjenigen,diedies nichttun,kannsicheinAußenstehenderjedoch auch leicht selbst ein Bild machen. ImHinblickaufScope1undScope2zeigt sich immer mehr, dass sich die Förderanlagen und RaffinerienderverschiedenenÖlundGaskonzer - ne in ihren CO 2 Bilanzendeutlichunterscheiden. Anleger und Verbraucher können somit entschei - den,obsieihreKraftstoffeausQuellenmithöherer oder geringerer CO 2 Intensitätbeziehen.Auch wenn es nicht so scheint: Was den CO 2 Ausstoß betrifft,gibtesbeiÖlundGasdurchausUnter - schiede.WiedieobigeGrafikzeigt,wirdvonder FörderungeinesBarrelsÖlsandbiszurRaffinerie fast fünfmal mehr CO 2 freigesetztalsbeiGewin- nungauseinerkonventionellerenQuelle.Ähnliche UnterschiedegibteszwischenFlüssigerdgasund konventionellemGas(doppelterbisfünffacher Ausstoß).AuchbeiRaffinationundVerteilungbe - stehenUnterschiede,dieDatenhierzusindjedoch immer noch unter Verschluss. DassdeutlicheAbweichungenzwischen deneinzelnenweltweitenProduktionsfeldernbe - stehen, macht die Sache nicht einfacher. Vorteil dieserkomplexenZusammenhängeist,dasssich dadurch die erheblichen Möglichkeiten für Unter - nehmenaufzeigenlassen,ihrebetrieblichenVer- fahrenzustraffenund CO 2 -intensive Vorkommen abzuwickeln.WennESGAnlegernaussagekräfti - gereDatenzurVerfügunggestelltwerden,werden sie mehr Druck auf die Unternehmen ausüben, von diesenMöglichkeitenGebrauchzumachen. ZahlreicheUnternehmensetzeninzwischen aufdieFestsetzunginternerPreisefürTreibhaus - gasemissionen, um interne betriebliche Abläufe undProdukteaufdenPrüfstandzustellen.Bislang hat jedoch kein Unternehmen eine Analyse der Auswirkungen steigender Emissionspreise auf die Gesamtnachfragevorgelegt.Hierfürdürftenzwar EinschätzungenzudenlangfristigenStrategien staatlicherProduzenten(OPECStaateninBezug aufÖl,KatarundRusslandbeiGas)erforderlich sein, doch wer könnte ein besseres Bild der Lage zeichnenalsdiejenigen,dieTeildesMarktessind? SicherwerdenweitereDatenfolgen.Ganz obenaufdemWunschzettelvonAnlegerninder Ölbranche steht die Analyse der Sensitivität von Anlagewerten(stattUnternehmensgewinnen)im HinblickaufdenPreissowieHinweisezurRück - flussdauerbeineuenInvestments. Solange nicht alle Unternehmen Informatio - nenzuScope3Emissionenoffenlegen,müssen Anleger also der Versuchung widerstehen, Daten zuScope1oderScope2Emissionenfalschzu verwenden.SiezeichnenkeinvollständigesBild desRisikosimHinblickaufdenKohlenstoffpreis undihreVerwendungimInvestmentprozessführt letztlichzuschlechterenAnlageentscheidun - gen. Vielmehr sollten Anleger die Unternehmen dazudrängen,ihreScope3Emissionenundihre vollständigen CO 2 Bilanzenoffenzulegen.Diese Zahlensindzwardeutlichkomplexer,aberauch deutlichnützlicher. Caroline Cook ist Strategin und spezialisiert auf das Deutsche Carbon Alignment Framework. 27 Scope3Emissionen–DasKleinviehunddergroßeRest Jan Rabe Aktien – Wie Fondsmanager ESGKriterienzur Ermittlung des Fair Value einsetzenkönnen Esmutetseltsaman,dassneunvonzehn derweltweitgrößtenFondsmanagersichden United Nations' Principles for Responsible Invest- mentverschriebenhabenundtrotzdemnurzwei Fünftel von ihnen angeben, ESG-Kriterien, also dieThemenbereicheUmwelt,SozialesundUnter- nehmensführung, systematisch in die Ermittlung desFairValueeinerAktieeinzubeziehen. DochdieseLückewirdsichganzsicher schließen.SchonjetztentfälltrundeinVierteldes weltweit verwalteten Anlagevermögens auf Man- datemitESGAnsatz.Ausgehendvondenaktuel - lenZuwachsratenindiesemBereichwerdenbis 203095%desverwaltetenVermögensbzw.USD 130 Bio. auf diese Anlagekategorie entfallen. AngesichtsdesexplosionsartigenWachs- tums bei ESG-Anlagen dürften Anleger sehr viel wählerischer werden, sollten sich ESG-konforme Fonds anhaltend schlecht entwickeln. In diesem Fall besteht das Risiko, dass die unterdurch- schnittlicheWertentwicklungeinzelnerFonds mitESGBezugaufandereMandateübergreift. Tatsächlichschneidetderdurchschnittlicheaktiv verwaltete europäische ESG-Fonds seit dem Jahr VerwaltetesVermögen(AUM)imRahmenvonESGMandaten Quellen:DeutscheBankSchätzungen,GlobalSustainableInvestmentAlliance(GSIA) 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 0 20 40 Ca. 25% des gesamten AUM (USD 23 Bio.) 50% des gesamten AUM 95% des gesamten AUM Deutsche Bank-Prognose: >99% des gesamten AUM 60 80 100 120 140 160 180 AUM in Billionen USD Konzept 28 2000um1,2Prozentpunkteschlechterabalsdie jeweiligeBenchmark.Lediglich15%übertreffen ihreBenchmarkummehralseinenProzentpunkt p.a. – und das ohne Berücksichtigung von Gebüh- ren und sonstigen Kosten, die die Performance noch deutlicher schmälern würden. Es ist kein Geheimnis, dass Fondsmanager vorallemdamitzukämpfenhabeneinzuschät- zen,wiesichESGThemenaufdenFairValue derbetreffendenAktienauswirken.Dasam häufigsteneingesetzteToolisteinsogenanntes ExclusionaryScreening,beidemzumBeispiel AktienvonTabakunternehmenoderWaffenher- stellern ausgeschlossen werden können. Diese Formen des Screenings sind jedoch sehr starr und beschränken die Allokationsmöglichkeiten desFondsmanagersineinemAnlagezyklus. ZudemstützensichdieseScreeningsimAllge- meinen auf rückwärtsgerichtete Indikatoren von Datenanbietern. Des Weiteren liegt der Fokus hierbei verstärkt auf Large Cap-Unternehmen, da kleinere Unternehmen nicht über die nötigen Mittel für eine ESG-Berichterstattung nach dem BestPracticeAnsatzverfügen. InsbesondereAnlegerineuropäischeTitel brauchen einen besseren ESG-Rahmen. Auf Europa entfällt mehr als die Hälfte des weltweit verwalteten Vermögens ESG-konformer Fonds, und doch geben nur 16% der europäischen Fondsmanager an, „gelegentlich“ ESG-Faktoren zuberücksichtigen. FüreinenzukunftsorientiertenUmgangmit ESGThemenhatdieDeutscheBankeinenneuen Ansatzentwickelt,nachdemESGKriterieninden Anlageprozesseinbezogenwerdensollen,indem derFairValueEffektderwichtigsten,Einzeltitel betreffendenESGKriterienermitteltwird.Fürdie- seZweckeerstellenwirfürjedeAktieeinProfil,in dasfürjedeKategorie(E,SundG)fünfPunktezu fünfDiskussionspunkteneinfließen–insgesamt also75Punkte.Wirkonzentrierenunsfürjede AktieaufbiszudreiwesentlicheDiskussions- themen innerhalb der E-, S- und G-Kategorie, die sichaufRisikenundChancenbeziehen.Daraus ergebensichmaximal18Diskussionsthemenje Unternehmen. ObwohldieBegriffeRisikenundChancenzu- weilen synonym verwendet werden, ist es unseres Erachtenssehrwichtig,zwischendenbeiden Begriffenzuunterscheiden.EinRisikoisteinstruk - turelles Problem, das sich nur schwer innerhalb einesZeithorizontsvondreiJahrenmindernlässt. EineChancebeschreibtimGegensatzdazueine Situation,indereinDefizitbesteht,dasjedoch relativschnellbehobenwerdenkannundkurzfris - tigesAufwärtspotenzialfürdenFairValuebietet. Entscheidend ist, was dann folgt. Jeder ein- zelneAktienanalystbeiderDeutschenBankgibt 29 Aktien–WieFondsmanagerESGKriterienzurErmittlungdesFairValueeinsetzenkönnen einezukunftsgerichteteEinschätzungzudenfür das Unternehmen relevanten Diskussionsthemen ab und bewertet die Wahrscheinlichkeit eines Fair ValueEffektssowohlaufkurzeSicht(ineinem ZeitraumvonwenigeralsdreiJahren)alsauch auf längere Sicht. DieserBottomupAnsatzmachtesmöglich, RisikenundChancenPunktezuzuweisenundauf dieserBasiseinGesamtprofilfürjedesUnterneh- menzuerstellen.DielogischeSchlussfolgerung besteht darin, dass Unternehmen mit einem hohenAnteilanChancenimVergleichzudenGe- samtrisikenplusChanceneinhohesPotenzialfür eine Steigerung ihres Fair Value aufweisen. Unter- nehmenmiteinergroßenAnzahlvonRisikenim VerhältniszudenGesamtrisikenplusChancen sollten dagegen vor einer Anlage genau unter die Lupe genommen werden. DieserAnsatzkannaufjedenTitelange- wandtwerden,wobeiwirspeziellbeiAnwendung aufdenEurostoxx50Indexzueinigenunerwar- tetenErgebnissengekommensind.Zunächstkön- nenwirdavonausgehen,dassunserESGAnsatz durchaus sinnvoll ist, wenn wir einen Blick darauf werfen,wiedieMärkteAktienbewerten.Zudem zeigtsich,dassKonsensempfehlungendurchaus widersprüchliche Indikatoren enthalten können, was Chancen für Anleger birgt. AlsGrundregelgilt,dassbeiTitelnmiteiner geringerenAnzahlanESGbezogenenRisikenund Chancen die Wahrscheinlichkeit höher ist, mit einemAufschlaggehandeltzuwerden.Tatsäch- lichwerdendieTitelimunterstenQuintilmitdem 19fachendesgeschätztenGewinnsundfast dem 4-fachen des Buchwerts gehandelt. Im Ver- gleichdazuwerdendieAktienmitderhöchsten AnzahlanRisikenundChancenlediglichmitdem 11-fachen des Gewinns und nur geringfügig über ihremBuchwertgehandelt.Analoghierzubieten dieTitelamunterenEndeeineDividendenrendite von nur 2,8%, während die Aktien am oberen Ende mit einer Dividendenrendite von 4,8% auf- warten. TrotzdererheblichenDiskrepanzenbei den Bewertungen von Aktien in Abhängigkeit davon,obsichdieTitelimoberenoderunteren BereichderESGbezogenenRisikoundChan censkalabewegen,zeigtsichdoch,dassdie KonsensempfehlungenfürdieTitelanjedem Ende der Skala relativ ähnlich aussehen. So werdendieTitelmitderhöchsten,dergeringsten undeinerdurchschnittlichenAnzahlvonRisiken und Chancen allesamt irgendwo im Bereich zwischen‚Buy'und‚Neutral'eingestuft.Zudem liegtderAnteildermit‚StrongBuy'bewerteten TitelaufdergesamtenSkalakonstantzwischen 20% und 30%. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dassessichbeiTitelnmiteinergeringenAn- zahlanESGRisikenundChancentendenziell umGrowthTitel(hoheundstabileUmsätzeund Gewinne)handelt.BeiTitelnmiteinerhohenAn- zahlanESGRisikenundChancenzeigtsichindes eineTendenzzuValueTiteln(Titel,diemiteiner niedrigenGewinnkennzahlgehandeltwerdenund einehoheDividendenrenditebieten).Dieserklärt, warum die Bewertungen von Unternehmen mit einergeringenAnzahlanPunktenhöhersindals dievonUnternehmenmiteinergroßenPunktzahl. Doch auch wenn es logisch erscheint, dass Aktien im gesamten ESG-Spektrum ähnlich be- wertetsind,offenbartsichhier,dassderMarkt die bestehenden Risiken und Chancen nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Wäre dies der Fall, sowürdenwireingrößeresMaßanUnsicherheit indenEmpfehlungenfürTitelmiteinerhohen Punktzahlerwarten.DieswärederTatsachege- schuldet,dassbeiTitelnmiteinerhohenAnzahl anRisikenundChancenaufkurzeSichteine,im VergleichzuTitelnmiteinergeringerenAnzahlan Risiken und Chancen, höhere Wahrscheinlichkeit für eine deutliche Veränderung des Fair Value be- steht. Stattdessen ist die Unsicherheit (Variations- koeffizient)imgesamtenESGSpektrumsehrähn- lich.Dieslässtdaraufschließen,dassderMarkt dieAuffassungvertritt,dasssichderFairValue unabhängig von ESG-Risiken und -Chancen bei allen Aktien ähnlich entwickeln wird. An dieser DiskrepanzzwischenBottomupFundamental- daten und Marktpreisen kann eine ausgeklügelte ESG-Analyse anknüpfen und erheblichen Mehr- wert bieten. Konzept 30 Konzept 30 AußerdemerhaltenwiraufdieseWeise einenAnhaltspunkt,wiesichdieseTitelange- sichts des anhaltenden Booms bei ESG-Anlagen indennächstenzehnJahrenentwickelnkönn- ten. Ein gutes Beispiel hierfür sind europäische GrowthTitelausdemLargeCapSegment,die sichindenletztenzehnJahrenimVergleich zuihrenValuePendantsgutentwickelthaben. Wenn mehr Anlageverwalter lernen, wie man ESGAnalysenindenAnlageprozesseinbindet, und die Fonds in diesem Segment wie vorstehend erörtert weiter wachsen, könnten diese beiden Faktorendazuführen,dasssichdiePerformance- unterschiedezwischendiesenbeidenArtenvon Titelnvergrößern. Der Blick auf die verschiedenen Sektoren zeigt,dassderAutomobilundderBankensektor angesichts deutlich über ihren Fair Value-Bewer- tungen liegenden Risikobeiträgen im ESG-Bereich negativ hervorstechen. Deutsche und spanische Aktien sind damit auf unsere negative Beobach- tungslistegerutscht.FranzösischeTitelschneiden vergleichsweise besser ab, was nicht allein auf diezusätzlichenBemühungeninBezugaufdie OffenlegungvonNichtfinanzinformationenin dem Land, sondern auch auf die Ausrichtung französischerESGAnlegeraufderenHeimat- marktzurückzuführenist.Letzteresliegtdarin begründet, dass der Löwenanteil des in ESG-An- lagen gebundenen Vermögens in Europa von in Frankreich ansässigen Fonds verwaltet wird. ZudemwirdderfranzösischeAktienmarktdurch einehoheAnzahlvonGrowthTitelnimVerhältnis zuihrenValuebasiertenPendantsbeherrscht. Dies spielt ESG-gebundenen Mandaten in die Hände. EinletzterPunktzudenfranzösischenAktien stellteineguteÜberleitungzudemFazitdieses neuenESGAnsatzesdar,dasfürmancheinen eine Überraschung sein könnte. Auf den ersten Blickmagesscheinen,alsseienfranzösische Aktien – ebenso wie die Aktien anderer Unterneh- men,dieumfassendeAngabenzuESGFaktoren machen – aus ESG-Sicht besser für eine Anlage geeignet. Dies ist jedoch nicht unbedingt der Fall. Denn je mehr Informationen ein Unternehmen offenlegt,destomehrkönnenAnlegerdiesein ihreÜberlegungeneinbeziehen.Mitanderen Worten: Je strenger die aufsichtsrechtlichen StandardsbezüglichderOffenlegungvonESGIn- formationen, desto geringer das mögliche Alpha. DiegrößtenGewinnekönnendaherinSchwellen- ländernerzieltwerden.WennwireinPortfolioaus im Hinblick auf in ESG-Kriterien führenden Unter- nehmen aus verschiedenen Regionen, basierend aufdenBewertungenexternerAnbieter,analysie- ren und die Entwicklung dieser Unternehmen mit ihrer lokalen Benchmark vergleichen, stellen wir inderTatfest,dassAktienausdenSchwellenlän- dern Europas, dem Nahen Osten und Afrika ihre BenchmarkindenletztenzehnJahrenaufQuar- talssichtumdurchschnittlich1,8Prozentpunkte übertroffenhaben.AmstärkeraufESGFaktoren ausgerichteten US-Markt gestaltet sich die Suche nach Alpha dagegen schwerer. Allein ausgehend vondenunverblümtenBewertungenexternerEx- pertenhabenführendeamerikanischeESGTitel indenletztenzehnJahrengrundsätzlichetwas schlechter abgeschnitten als ihre Benchmark. Diese unterdurchschnittliche Wertentwick- lung an den am weitesten entwickelten Märkten derWeltsorgtfürzunehmendeFrustrationbei den Fondsmanagern. Falls diese schlechte Per- formance anhält, werden sich passive ESG-Fonds größererBeliebtheiterfreuen.Bislanggiltledig- lich 1% der börsengehandelten Fonds (gemessen amverwaltetenVermögen)alsESG konform, dochdieZahldieserFondshatsichindenletzten zweiJahrenjeweilsverdoppeltundkönntebis 2025aufganze10%ansteigen.InAnbetrachtder aktuellen Wachstumsraten am ESG-Markt ist es nureineFragederZeit,bisAnlegerwählerischer werdenundaktivverwaltetenFondszugunsten kostengünstiger passiver Alternativen den Rü- ckenkehren.DereinzigeWegfürFondsmanager, ESGAnlegervonihremPotenzialzuüberzeugen, bestehtdarin,einebesserePerformancezuerzie- len. Die neue ESG-Plattform der Deutschen Bank bietet sich hier als eine Option an. Jan Rabe ist Stratege im Bereich Fundamental ESG Research (EMEA). 31 Aktien–WieFondsmanagerESGKriterienzurErmittlungdesFairValueeinsetzenkönnen WoliegendieChancenundRisiken? Obwohl nur 29% der ESG-Risiken und -Chancen in der Kategorie Unternehmens- führung(Governance)anzusiedelnsind,solltensichAnlegerunsererAnsichtnach dennochaufGovernanceKriterienkonzentrieren,bevorsiesichsozialen(Social)und umweltbezogenen(Environment)Themenwidmen.DieTragweitederletztgenannten Themenkann,voralleminnegativerHinsicht,zwarwesentlichgrößersein,dochwenn von vornherein Best Practice-Standards im Governance-Bereich bestehen, lassen sich solcheProblemeeffektiverbewältigen.DiebesteMöglichkeitfürFondsmanagerund Anlegerdiesvoranzutreiben,istdieEinbeziehungvonESGKriterieninihrenAnlage prozess. Mit Hilfe der neuen Deutsche Bank-Struktur für ESG-Investments können wir die gängigstenESGThemenidentifizieren.WirsindunsnatürlichdarüberimKlaren,dass daswichtigsteThemafüreinbestimmtesUnternehmenmöglicherweisenichtindenhier aufgeführtenPunktenenthaltenist,dochhabenwirhierRisikenzusammengetragen,mit denensichwahrscheinlichvieleUnternehmengleichermaßenkonfrontiertsehen. Unternehmensführung AufdieFührungsstrukturbezogeneThemenlassensichnachdreiKriterienunter- scheiden. Das erste besteht darin, dass für viele Unternehmen die Vorgabe gilt, dass mindestens drei Viertel des Führungsgremiums aus unabhängigen Mitgliedern bestehen sollten.ZweitenssolltedieAmtszeiteinesMitgliedsdesFührungsorgansunterzehnJah- renliegen,umSelbstgefälligkeitvorzubeugen.UndschließlichsolltendieMitgliederdes Führungsorgans höchstens in drei Führungsgremien Mitglied sein, um eine fokussierte HerangehensweiseanihrejeweiligenAufgabensicherzustellen. ErheblicherMehrwertergibtsichzudemausderBeseitigungvonÜbernahme hürden.Hierzuzählen„Giftpillen“oderÜbernahmebeschränkungenwieeinevorge- schriebene Mehrheit von 75% für die Genehmigung des Verkaufs eines Geschäfts. An- dere Chancen bieten sich, indem sichergestellt wird, dass das Unternehmen sich an das „EineAktieEineStimmePrinzip“hält(weitereAusführungenhierzuinunseremBeitrag „Zwei-Klassen-Aktien – Milliardäre und ihre Thronfolger“ ),undindemClawbackRegelun- genzurRückforderungvonBonuszahlungenanFührungskräfteeingeführtwerden.Die beiWeitembesteMöglichkeitfürAktionärefürguteUnternehmensführungzusorgen, ist jedoch die Forderung einer engen Kopplung der Managementgehälter an eine Reihe greifbarerESGZiele. Soziales DieKomplexitätderLieferkettenerhöhtdasRisikoeinesnegativenErgebnisses,das zunegativenPresseberichtenführtoderdaseinUnternehmenindenFokusvonNicht- regierungsorganisationenrückt,wassichletztlichaufdenFairValueauswirkt.Einein- fachesBeispielhierfürsindvonsozialenMedieninitiierteBoykotts,eineimmerhäufiger auftretende Ursache für Wertvernichtung. DiemeistensozialenThemenmitFairValueEffektbeziehensichaufRechtsstreitig- keiten.SolcheVerfahrensindnichtnurpotenziellmitfinanziellenAusgleichszahlungen verbunden,sondernschädigenauchdieMarkeundReputationdesUnternehmens.Zu denwichtigstenThemendieserKategoriegehörenwettbewerbswidrigesVerhalten, BestechungundKorruption.DiebeidenanderengroßenSchwerpunktbereichesind ProduktqualitätundSozialundVorsorgeleistungenfürMitarbeiter. Umwelt SofernkeineweiterengroßenFortschritteerzieltwerden,wirddieEUihrZielver- fehlen,dieTreibhausgasemissionenbis2030um40%gegenüberdemStandvon1990 zusenken.SomitbestehtdasgrößteRisikofürdenFairValueeinesUnternehmensaus ökologischer Sicht in strengeren Vorschriften. Die Risiken in diesem Bereich ergeben sich hauptsächlich aus höheren oder vola- tileren Energiepreisen, Angebotsengpässen und einer strengeren Regulierung. Etwa dieHälftederPunkteunsererAnalysesteheninZusammenhangmitKohlenstoffund Energieintensität. Die Automobilindustrie ist aufgrund der immer strikteren Vorschriften fürDieselmotorenbesondersstarkvondiesenRisikenbetroffen.WeitereSektorenmit einembesonderenumweltbezogenenRisikosindu.a.Rohstoffe,Versorger,ÖlundGas sowie Chemie. Konzept 32 Konzept 32 FranzösischeAktien schneiden vergleichsweise besser ab, was nicht allein auf diezusätzlichenBemühungen inBezugaufdieOffenlegung vonNichtfinanzinformationen indemLandzurückzuführen ist, sondern auch auf die Aus- richtungfranzösischerESG Anleger auf deren Heimat- markt. Letzteresliegtdarin begründet, dass der Löwen- anteil des in ESG-Anlagen gebundenen Vermögens in Europavonfranzösischen Fonds verwaltet wird. 33 33 Aktien–WieFondsmanagerESGKriterienzurErmittlungdesFairValueeinsetzenkönnen LukeTempleman Konzept 34 Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirt- schafts prüfungen verbessern könnten Konzept 34 Bereits wenige Minuten nachdem La La Land im vergangenen Jahr den Oscar für den besten Film erhielt, dürfte den Mitarbeitern bei PricewaterhouseCoopers wenig feierlichzumutegewesensein.Denn eigentlich hatte Moonlight gewonnen undPwCjedeMengeÄrgeraufsich gezogen.DasUnternehmenwertet seit 83 Jahren die Stimmvergabe bei den Academy Awards aus. War der Fehler also das ultimative Signal für eine obligatorische Rotation der Prüfungsgesellschaft? Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirt schafts prüfungen verbessern könnten 35 ZwarhabenAnlegerdurchdasOskarFiaskokeineVerlusteerlitten, dochFilmfanssindnichtdieeinzigen,diesichüberdieArbeitvonPrüfungs - gesellschaften Gedanken machen. Recherchen der Deutschen Bank haben ergeben,dassdieAnalystenin40ProzentdergrößteneuropäischenUnter - nehmen der Ansicht sind, dass die Prüfungsfunktion in ihrem Unternehmen mit Risiken und Chancen verbunden ist. Wie lassen sich Prüfungen in Unternehmenverbessern?DajederdazueineeigeneMeinunghat,präsen - tieren wir in diesem Artikel fünf besonders unkonventionelle Ideen. Wie alle Vorschläge unterliegen natürlich auch diese Problemen, vielleicht tragen sie aberdazubei,frischenWindindielaufendeDebattezubringen. 1) DieAufsichtsbehördedesUnternehmenssolltedenWirtschafts - prüferernennenundbezahlen EingroßerKritikpunktbeiderWirtschaftsprüfungbestehtdarin,dass derKundedenWirtschaftsprüferbezahltundsomiteinInteressenkonflikt besteht. In den meisten Fällen ergeben sich daraus keine Probleme. Manch - mal kann diese Regelung jedoch das Risiko aggressiver Rechnungslegungs- praktikenverstärken.DasUnternehmenwäreaufgrundderBezahlung durchdieRegulierungsbehördenichtetwafinanziellfeinraus.Eswürde eineGebührandieAufsichtsbehördezahlen,diedaraufhinmitdenpoten - ziellenWirtschaftsprüfernüberderenArbeitverhandelt. Und die Wirtschaftsprüfer würden auf diese Weise auch nicht ver - staatlicht werden. Vielmehr würde dieses Verfahren den Fokus der Wirt- schaftsprüferschärfenundeinedirektereRechenschaftspflichtgegenüber StakeholdernaußerhalbderUnternehmensführungzurFolgehaben,was dazubeitragenwürde,denderzeitimRaumstehendenInteressenkonflikt zubeseitigen. Spinnt man diese Idee fort, könnten die Aufsichtsbehörden der Unternehmen eigene Aufsichtspersonen für Wirtschaftsprüfungen in den Unternehmen haben. Diese würden allerdings nicht mit den Prüfern vor Ort zusammenarbeiten,sondernkönntenwieeinunabhängigesMitgliedim LeitungsgremiumdesUnternehmensfungieren.SiekönntenanSitzungen desPrüfungsausschussesteilnehmenoderTreffenaufGesellschafterebene beiwohnen,bevordieAbschlüsseoffiziellgenehmigtwerden. 2) EinführungvonOffenlegungspflichtenderPrüfungsgesellschaften Der Prüfungsbericht sieht für fast jedes Unternehmen gleich aus und ist sehr allgemein formuliert. Man kann also kaum erkennen, welches Unternehmen die Abschlussprüfung mit Bravour gemeistert und welches nurmitknapperNotbestandenhat.WasdieOffenlegungangeht,sowird zwarangegeben,wasdasUnternehmenfürdiePrüfungundandereDienst - leistungenanseineWirtschaftsprüfergezahlthat,darüberhinauswird jedoch wenig preisgegeben. WiekanneinAnlegeralsodieQualitätderPrüfungbeurteilen?Wirt - schaftsprüfungsgesellschaften könnten beispielsweise angeben, wie viele Jahre an Erfahrung die mit der Prüfung beauftragten Mitarbeiter durch - schnittlichbesitzenoderwievieleStundenExpertenmitderPrüfungbe- fasstsind–imVergleichzuwenigerqualifiziertenJuniorMitarbeitern,die üblicherweise die Routinearbeiten erledigen müssen. DaraufaufbauendkönntenAnlegereszudemnützlichfinden,diege - wichtetedurchschnittlicheAnzahlderStundenzuerfahren,dieproPerson undTagfürdiePrüfungaufgewendetwurden.WennjungeWirtschaftsprüfer viele Überstunden in den Geschäftsräumen des Kunden schieben, was durch - ausderFallseinkann,isteswahrscheinlich,dasssiewenigereffizientsind,als sieseinsollten.BeieinerentsprechendenOffenlegungspflichtkönntendieAr - beitszeitenderWirtschaftsprüferinähnlicherWeisebegrenztwerden,wiedie Flugstunden von Piloten. Immerhin besteht sowohl die Aufgabe eines Prüfers alsauchdieeinesPilotendarin,dasRisikoeinerKatastrophezuminimieren. Konzept 36 37 WeitereOffenlegungenkönntendieNennungdervonderWirtschafts - prüfungsgesellschaftinderletztenZeitgeprüftenKonkurrenzunternehmen sowieAngabenzufrüherenPositionenderleitendenPrüferunddeszu - ständigenPartnerssowiezuetwaigenPositionendieserinLeitungsgremien anderer Unternehmen beinhalten. 3) WarumnichtBeratungsabteilungenmitderWirtschaftsprüfung zusammenlegen,stattdieseabzuspalten? In politischen Kreisen ist permanent die Rede davon, Wirtschafts - prüfungsgesellschaftenzuzwingen,ihreBeratungszweigeabzustoßenund sichreinaufdieWirtschaftsprüfungzukonzentrieren.NachdemZusam - menbruchvonEnronundderEinführungdesSarbanesOxleyActwurden bereitseinigeentsprechendeÄnderungenvorgenommen.DieWirtschafts - prüfungsgesellschaftendazuzuzwingen,ihrenichtmitWirtschaftsprüfung befasstenUnternehmensteileabzuspalten,istjedochgarnichtnotwendig, umdieQualitätderWirtschaftsprüfungzuverbessern. ZudemkönnensichdarausgravierendeNachteileergeben. Das erste Problem besteht darin, dass eine Aufspaltung der Wirt - schaftsprüfungsgesellschaftennurmitinternationalerZustimmungmöglich wäre. Angesichts der unterschiedlichen und festgefahrenen Interessen isteinsolchesVorhabenkaumumsetzbar.Zweitensdürftereinaufdie WirtschaftsprüfungspezialisiertenFirmendasAnwerbenjungerMit - arbeiter schwerer fallen, da diese oftmals Stellen als Abschlussprüfer mit dem Hintergedanken antreten, interessantere Positionen im Unternehmen einzunehmen,sobaldsiesichalsWirtschaftsprüferqualifizierthaben.Ohne einenentsprechendenAnreizmüsstensehrwahrscheinlichdieGehälteran - gehoben werden und würden diese Kosten direkt an Kunden und Anleger weitergereicht. Wenn Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihre Beratungsdienst - leistungen aber weiterhin anbieten, wird sich an der Wahrnehmung eines bestehendenInteressenkonfliktsnichtsändern.Warumalsonichteinfach dieAbteilungenzusammenlegen,stattInformationsbarrierenzuerrichten? DieskönnteeinigeVorteilebringen.ZumeinenkönnteeszurBeseitigung des Problems beitragen, dass Prüfer die Unternehmensmodelle, die sich aufdieFairValueBerechnungenauswirken,zwarprüfen,aberkeineVer - antwortung für diese tragen. Nehmen wir als Beispiel eine Immobilien- gesellschaft,dieaufGrundlageeinerexternenBewertung(fürdiesieselbst gezahlthat)eineWertzuschreibungaufeineImmobilievornimmt.Derzeit prüft der Wirtschaftsprüfer, ob die Bewertung angemessen ist, die Ver - antwortung für die Bewertung liegt jedoch weiter bei dem Bewertenden und der Geschäftsführung des Unternehmens. Stattdessen könnte die Beratungs abteilung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Bewertung selbst vornehmen. Die Prüfer hätten dann mehr Gewissheit, dass diese korrektist,undeinpotenziellerInteressenkonfliktwäreausgeschlossen. Natürlich müsste eine entsprechende Regelung durch Androhung schwer - wiegender Strafen für Fehlverhalten, wie sie im Bankwesen üblich sind, gestütztwerden. 4) AnreizefürdasManagement.StärkererFokusaufdieGesamt kapitalrendite KaumeinThemawurdeinfolgederFinanzkrisesokontroversdisku - tiertwiedievorgegebeneBewertungvonVermögenswertenzumbeizule- gendenZeitwert.NachheftigenWertschwankungenübenAnlegeroftlaut- stark Kritik am Management des Unternehmens, wenn sie der Ansicht sind, dasManagementhabedieVermögenswertedesUnternehmenszuhoch bewertet und die Wirtschaftsprüfer dann gedrängt, die dieser Bewertung zugrundeliegendenModelleabzusegnen.DiesistjedochnureineSeiteder Medaille.SteigtderWertderVermögenswerte,dannsinktzugleichauch Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirt schafts prüfungen verbessern könnten diedamiterzielteRendite.EinBlickaufUSUnternehmenzeigt,dasssich dieseEntwicklungbereitsseiteinerganzenWeilevollzieht.Kurzvorder Finanzkrisewiesenfast30ProzentderUnternehmenimS&P500eineGe - samtkapitalrenditevonmehrals10Prozentauf.MittlerweileistdieseZahl aufnurnoch21ProzentderUnternehmengesunken. WürdendieAnlegerverlangen,dieAnreizpaketefürdasManagement stärkeraufdieGesamtkapitalrenditeauszurichten,wärederAnreizfüreine ErhöhungdesbeizulegendenZeitwertsvonVermögenswertenautomatisch geringer. 5) BeschränkungdesPrüfungsmandatsauffünfJahre Die Kritiker einer obligatorischen Rotation der Wirtschaftsprüfer nach kurzerZeitführenalsArgumenteüblicherweisesteigendeKostenundeine steile Lernkurve bei den neuen Wirtschaftsprüfern an. Aber genau so sollte es sein. Wenn neue Wirtschaftsprüfer sich von Grund auf in ein Unterneh - meneinarbeiten,fälltesihnenleichter,einfacheFragenzustellen(diehäu- figdenKernderSachebetreffen),ohnedadurchbelastetzusein,bereitsdie Vorjahresprüfungdurchgeführtzuhaben.Verfahren,die„schonimmerso gehandhabt“wurden,werdenplötzlichwiederhinterfragt. ZudiesemThemagibtesbereitszahlreicheStudien.Eineergab,dass es in Italien, Südkorea und Brasilien, wo es bereits eine obligatorische Wirtschaftsprüfer-Rotation gibt, deutlich weniger Fälle von Gewinnglättung gibt und Verluste rascher erfasst werden. Die Qualität der Prüfung mag im letztenJahrzwarnachlassen,dochdasManagementweiß,dasseskaum SpielraumfüreineManipulationderZahlenohnenachteiligeKonsequen - zengibt,daimfolgendenJahreinneuerWirtschaftsprüferdieBüchervon Grundaufprüfenwird.Soüberraschteskaum,dassdieStudieauchzu dem Ergebnis kam, dass der sich ergebende Vorteil in Form einer besseren QualitätderPrüfungmindestensdoppeltsogroßwarwiederNachteilin Form höherer Kosten. Auch das Argument, dass ein verbindlicher Wechsel alle fünf Jahre dazuführenkönnte,dasssichUnternehmenjeweilsdieWirtschafts - prüfungsgesellschaft herauspicken, die die aggressivsten Rechnungs- legungspraktikengutheißt,ziehtnicht:VordreiJahrzehntengabesacht großeWirtschaftsprüfungsgesellschaftenundvoneinerentsprechenden Vorgehensweise war kaum die Rede. Das bedeutendste Risiko, das heute diskutiert wird, besteht darin, dass die Auswahl an internationalen Wirt - schaftsprüfungsgesellschaftenfürdieUnternehmennichtetwazugroß, sondernzugeringist. Durch eine vorgeschriebene Rotation alle fünf Jahre könnten auch diekleinerenGesellschaftenermutigtwerden,diegroßenVier–diePlatz hirschederWirtschaftsprüfungsbranche–herauszufordern.Diegroßen Vier dominieren die Wirtschaftsprüfung bei Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung, da nur sie über die dafür notwendigen internationalen Kapazitätenverfügen.WennzuseltenAusschreibungsverfahrenstatt - finden,habenkleinereGesellschaftenkaumeinenAnreiz,ihreKapazitäten auszubauen,ummithaltenzukönnen.ZusätzlicheAusschreibungsverfah - renkönntenhierAbhilfeschaffen. WenngleichkeinKonzeptzurVerbesserungvonPrüfungenjeden Kritikerüberzeugenkann,dürfteineinemPunktEinigkeitherrschen:Die Prüfungen müssen verbessert werden. Da die am weitesten verbreiteten IdeenvoneinerallgemeinenZustimmungweitentferntsind,istesvielleicht anderZeit,aucheinigeunkonventionelleLösungeninErwägungzuziehen. SiedürftenzumindestinteressantenGesprächsstoffliefern. Luke Templeman ist Analyst im Thematic Research-Team. Konzept 38 39 Die Kritiker einer obligatorischen Rota- tion der Wirtschafts- prüfernachkurzerZeit führen als Argumente üblicherweise steigen- de Kosten und eine steile Lernkurve bei den neuen Wirtschafts- prüfern an. Aber genau so sollte es sein. Governance – Fünf unkonventionelle Ideen, die die Qualität von Wirt schafts prüfungen verbessern könnten Jan Rabe Anleihemärkte – Die Schattenseite „grüner“ Finanzierungen Mit seinem prächtigen neuen Firmen- gelände Apple Park hat Apple mehr als nur ein architektonischesWahrzeichengeschaffen.Das Gebäudewirdzu100Prozentmiterneuerbaren Energien betrieben und ist unter anderem mit Bio- gasBrennstoffzellenundSolarpanelenausgestat- tet. An den Wochenenden wird die überschüssige EnergieindasöffentlicheStromnetzeingespeist. LautApplewerdenweltweit96Prozentder Geschäfts räume des Unternehmens mit erneuer- baren Energien versorgt. DassKonzernezunehmendaufUmwelt bewusstseinsetzen,istnichtsNeues.Neuist jedoch die Art, wie sie ihre umweltbewussten Projektefinanzieren.Applebeispielsweisehat sein neues Firmengelände teilweise mithilfe von Mitteln aus einem USD 1,5 Mrd. schweren GreenBondfinanziert,dendasUnternehmen vorzweiJahrenausgegebenhatte.Aufdiese MittelbeschaffungfolgteimvergangenenJahrdie Ausgabe eines Green Bonds in Höhe von USD 1 Mrd.EinGroßteildersoaufgenommenenMittel wurdezurFinanzierungumweltfreundlicherund energieeffizienterGebäudeverwendet. NebenApplelegtauchderweltweitgrößte Emittent von Green Bonds einen Schwerpunkt auf den vermehrten Bau nachhaltiger Immobilien. Im vergangenen Jahr gab das US-Staatsunter- nehmen Fannie Mae, das einen Sekundärmarkt für Hypotheken auf Wohnimmobilien bietet, Green Bonds in Höhe von USD 25 Mrd. aus. Bei den meisten dieser „grünen“ Anleihen handelte es sich um Mortgage Backed Securities, die entwederdurchalsumweltfreundlichzertifizierte Immobilien oder durch Mehrfamilienhäuser, die zueinerReduzierungdesEnergieoderWasser- verbrauchs beitragen sollen, besichert waren. Weltweit dient ein Drittel der Green Bonds der FinanzierungvonProjektenfürerneuerbare Energien,einweiteresViertelderFinanzierung energieeffizienterGebäudeundderRestinerster LiniederFinanzierungsaubererTransportlösun- gen und nachhaltiger Lösungen für die Wasser- wirtschaft. ObwohldieseBeispielevonzweiender namhaftesten US-Unternehmen stammen, sind dieseProjektenichttypisch.DergrößteMarktfür Green Bonds ist nämlich nach wie vor Europa. Von den gut USD 150 Mrd. an Green Bonds, die im vergangenen Jahr weltweit ausgegeben wurden,entfielnuretwaeinViertelaufdieUSA. LässtmanFannieMaeaußenvor,beläuftsich dieseZahlaufnuretwa10%.EuropäischeLänder hingegenzeichnetenimletztenJahrfürmehrals ein Drittel der weltweiten Aktivitäten verantwort- lich,wobeidergrößteAnteilaufnurfünfLänder (Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden unddieNiederlande)entfiel. Es gibt verschiedene Gründe, warum US- UnternehmenbislangnichtaufdenTrendgrüner Anleihenaufgesprungensind.Hierzuzählenunter anderemBedenkeninHinblickaufdieDefinitio- nen der Kontrollen und die Verwendung der Mit- tel in den USA. Die Emittenten von Green Bonds müssendenErlöszurFinanzierungvonProjekten mit positiver Wirkung für Klima oder Umwelt- schutzeinsetzen.EinigepotenzielleEmittenten haben jedoch Bedenken hinsichtlich künftiger Rechtsstreitigkeiten, da die strengen rechtlichen DefinitionenbestimmterNutzungsrichtlinienbis- lang nicht gründlich getestet wurden. DB Analysten Konzept 40 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 0 50 100 150 200 250 300 0% 50% 100% 150% 200% 250% 300% Gesamtemissionsvolumen in Mrd. USD Wachstum ggü. Vorjahr 5% 0% 10% 15% 20% 25% 30% USA China Frank- reich Supra- national Spanien Deutsch- land Schwe- den Nieder- lande Indien Mexiko Kanada Sonstige 27% 14% 14% 15% 6% 6% 4% 3% 3% 3% 3% 2% GrößedesinternationalenMarktsfürGreenBonds GrößedesinternationalenMarktsfürGreenBonds Quellen: Climate Bonds Initiative, International Finance Corporation, Deutsche Bank Quellen: Climate Bonds Initiative, International Finance Corporation, Deutsche Bank 41 Anleihemärkte–DieSchattenseite„grüner“Finanzierungen ObwohlmandemThemamancherortsnoch mit Misstrauen begegnet, boomt der Markt für GreenBonds.WiedievorstehendeGrafikzeigt, hatsichdasEmissionsvolumenindenletztenbei- den Jahren verdreifacht und wird voraussichtlich 2018 die Marke von USD 250 Mrd. knacken. Noch stellt dies jedoch lediglich 2,2% des Gesamt- emissionsvolumens dar. Selbst in Europa entfallen gerade einmal gut 3% des Gesamtmarkts auf die Emission von Green Bonds. AuchChinaentwickeltsichzueinemwichti- gen Akteur am Markt für grüne Anleihen. Im ver- gangenen Jahr hatte das Land einen Anteil von 14% am weltweiten Emissionsvolumen von Green Bonds und lag damit vor den USA, sofern man FannieMaeaußenvorlässt.ZielistdieBewäl tigung von Umweltproblemen, die infolge der raschen Industrialisierung des Landes entstanden sind. Auch die steigende Nachfrage seitens der AnlegerträgtzudiesemTrendbei.Inunserer Stichprobe,dieetwadieHälftedeszwischen AprilundDezember2017begebenenGesamt volumensumfasst,liegtdieÜberzeichnungsquote (dieGesamtzahlderZeichnungsangebotefürdie AnleihenimVerhältniszumEmissionsvolumen) im Median beim 2,6-fachen für auf Euro lautende Anleihen und beim 2,5-fachen für Emissionen in US-Dollar. In beiden Fällen lag dieser Wert über dem für herkömmliche Unternehmensanleihen, dieumein2,5bzw.2,1fachesüberzeichnet waren. EinigeStimmenäußernsichnochimmer kritischüberGreenBondsundbezeichnendiese Mit Investment Grade Ohne Investment Grade EUR +0,16 +0,5 USD +0,05 +1, 3 RenditedifferenzzwischenGreen Bonds und vergleichbaren Anleihen (inProzentpunkten) alsbloßenMarketingTrick.Gewisslegeneinige UnternehmendenBegriff„GreenBonds“eher großzügigaus,dochdastutderSachekeinen Abbruch.LetztendlichlebtderMarktvonder Nachfrage und dem Urteil der Anleger. LassenwireinenMomentlangaußerAcht, dassvieleAnlegerGreenBondsattraktivfinden, weilsiehoffen,einepositiveWirkungzuerzielen, so ist der wichtigste Faktor für die steigende An- legernachfrage, dass Green Bonds eine gering- fügig höhere aber ähnliche Rendite bieten wie gleichwertige herkömmliche Unternehmensanlei- hen.WiedieTabellezeigt,bietenhochverzinsliche GreenBondsimVergleichzuUnternehmensan- leihen einen höheren Aufschlag als Anleihen mit Investment Grade-Rating. Das geringe Emissions- volumenhochverzinslicherGreenBondsverzerrt in dieser Hinsicht jedoch die Ergebnisse. Die Schattenseite Wächst der Markt für grüne Anleihen mit derderzeitigenGeschwindigkeitweiter,wirder sichbaldzueinemMassenmarktentwickeln.So könnte der Markt für Green Bonds bereits in fünf Jahren 15% des weltweiten Marktes für Unter - nehmensanleihen ausmachen. Daraus werden sichzwangsläufigProblemeergeben,diederzeit sowohl von Anlegern als auch Emittenten unter - schätztwerden. Zumeinenexistiertnochkeineoffiziellein - ternationaleDefinitiondavon,wasgenauGreen Bonds ausmacht. Dies könnte das Marktwachs - tum verlangsamen und einige Anleger abschre- cken. Angesichts dieses Mangels haben einige Organisationen mit der Entwicklung eigener Leit - linienbegonnen.DiegemeinnützigeVereinigung Climate Bond Initiative ist in ihrer Entwicklung bereits weiter als die meisten anderen Gruppen undeinesteigendeZahlinternationalerEmitten - ten richtet sich nach ihren Standards. Dennoch weichen die Regelungen weltweit stark von - einander ab. Diese Abweichungen sind nicht unbedingtgutoderschlecht.Siezeigenledig - lich, dass Anleger in verschiedenen Regionen von unterschiedlichen Annahmen ausgehen. China beispielsweise hat eigene Normen für Green Bonds, die sich stark von den europäi - schen unterscheiden. Die chinesische Aufsichts- behörde gestattet es Emittenten, die Hälfte der ErlösefürallgemeineUnternehmenszweckezu Konzept 42 43 verwenden,beispielsweisedieRückzahlungvon Darlehen oder Investitionen in Betriebsmittel. GemäßeuropäischenRichtlinienhingegenmüs - sen 95% der Erlöse aus der Emission von Green BondsinumweltfreundlicheProjektefließen. Dabei lassen sich unterschiedliche Perspektiven einnehmen: Manch internationalem Anleger mö - gen die chinesischen Anleihen nicht unbedingt „grün“ erscheinen. Chinesische Anleger hin - gegen könnten die europäischen Richtlinien für unnötigstrenghalten.AuchdieRegelungenzur ArtderNutzungunterscheidensich.Sogiltbei - spielsweise ein Investment in Kohlekraft werke, dieihreEffizienzsteigern,inChinaals„grün“, während dies in Europa nicht der Fall ist. Auch „Greenwashing“, also „Grünfärbe - rei“,stellteinpotenziellesProblemdar.Green- washingisteinMarketingbegriff,derdiePraxis beschreibt, ein Unternehmen mithilfe irrefüh - renderAngabenzurUmweltfreundlichkeiteines ProjektsinderÖffentlichkeitbesserdastehen zulassen.Beispielehierfürgibtesviele.So kann man beispielsweise darüber streiten, ob einUnternehmen,dasMäntelausNaturpelz herstellt, seine Produkte als „umweltfreundlich“ bewerben sollte. Da ein Nachweis über die Verwendung der Emissionserlöse von Green Bonds nicht vorge - schrieben ist, können Unternehmen ihre Anleger indieIrreführenundzusätzlicheNachfrageer - zeugen,dieüblicherweisemitderEmissionvon Green Bonds einhergeht. Umweltaktivisten kriti - sieren Polen dafür, dass das Land die erste „grü- ne“ Staatsanleihe auf den Markt gebracht hat, sichjedochgleichzeitigfürseineKohleindustrie starkmachtundseinVetogegenUmweltgesetze einlegt. Eine internationale Einigung über eine Nachweispflichtkönntedazubeitragen,inSitua - tionenwiedieserKlarheitzuschaffen. Schließlichwerdenangesichtseines wachsen den Marktes und mit dem Inkrafttreten neuerVorschriftenauchdiezusätzlichenKosten imZusammenhangmitGreenBondssteigen. DiesezusätzlichenKostenfallenüblicherweise auf Seiten des Emittenten an und können unter anderemZertifizierungskostenundKostenfürex - terne Überprüfungen umfassen. Da Green Bonds zueinemähnlichenPreisausgegebenwerden wie vergleichbare herkömmliche Anleihen, könnte ein liquiderer Markt sie für gut bewertete Emittenten, die sich leicht anderweitig Mittel be - schaffenkönnen,wenigerattraktivmachen. Ausblick Solange es im Hinblick auf Nachfrage und Angebot weiterhin rosig aussieht, wird der MarktfürGreenBondsseinWachstumkurz- fristigsicherlichfortsetzen.AufderNachfrage- seite erfreuen sich verantwortungsvolle Invest- mentszunehmenderBeliebtheit:2016entfiel ein Viertel des weltweit verwalteten Vermögens auf entsprechende Anlagen. Bis 2020 wird sich dieser Anteil voraussichtlich verdoppeln. Anlage- verwalterfreuensichüberdieMittelzuflüsseund bringen stetig neue nachhaltige Anlagestrategien auf den Markt. Die steigende Nachfrage lässt auch das AngebotsteigenundermuntertUnternehmenzu umweltfreundlichen und nachhaltigen Projekten. DieFinanzierungsolcherProjektedurchGreen Bonds kann auch für die Anleger der Unter- nehmen Vorteile mit sich bringen. Analysten der Deutschen Bank haben die ESG-Risiken undChancender50größteneuropäischenTitel aufgeschlüsselt und festgestellt, dass Umwelt- themen den wichtigsten Aspekt darstellen, der beijedemUnternehmenVerbesserungspotenzial bereithält.DasAufwärtspotenzial,dassowohl infinanziellerHinsichtalsauchdurchRisiko- minimierung mit diesen Chancen einhergeht, ist ebenfalls beträchtlich. Die Chancenquote von 54%übersteigtdieChancenvon48%bzw.42%, diesichimHinblickaufsozialeundGovernan- ce-Aspekte ergeben. Womit wir wieder bei Apples Betriebs- geländeAppleParkwären.Zwarfrotzelnviele Beobachter, nur ein Unternehmen mit dem CashflowvonApplekönnesicheinennachhaltig gestaltetenUnternehmenssitzleisten.Tatsächlich jedoch könnte die Kausalität genau entgegen- gesetztsein.WennmehrundmehrUnternehmen GreenBondsnutzen,wirdauchdieRegulierung bald aufholen. Wenn dies der Fall ist, dürfte auch die Anlegernachfrage weiter wachsen. Dies dürftesowohlAnlegeralsauchUmweltschützer freuen. Wir danken Nikita Mitrokhin für seinen Beitrag zu diesem Artikel. 43 Anleihemärkte–DieSchattenseite„grüner“Finanzierungen Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomischer Perspektive Die Einhaltung von ESG-Kriterien mag für einen entsprechend orientierten Anleger obers - te Priorität bei der Auswahl seiner Investments haben. Andere anlagerelevante Aspekte wie die Sensitivität auf makroökonomische Faktoren und Bewertungsniveaus sollten dabei jedoch nicht außerAchtgelassenwerden.InderMethode,die die Deutsche Bank für das Ranking ESG-konfor - merTitelverwendet,wirddieserPunktbesonders berücksichtigt(weitereErläuterungendazufinden sich in unserem Artikel „Wie Fondsmanager ESGKriterienzurErmittlungdesFairValueein - setzenkönnen“).Tatsacheistjedoch,dassESG Fonds in der Regel hinter der Marktentwicklung zurückbleiben.Derdurchschnittlicheeuropäische ESG-Fonds hat seit 2000 um 1,2% p.a. schlechter abgeschnitten als seine Benchmark. Man sollte sich daher unbedingt im Klaren seinüberjenemakroökonomischenTreiber,die dieWertentwicklungvonESGTitelnprägen.Erst dannlässtsichderderzeitigenUnderperformance vonESGInvestmentsentgegenwirken.Dazu betrachtenwirdiezehneuropäischenAktien mit der besten Bewertung im ESG-Ranking der Deutschen Bank. Eine erste interessante Erkenntnis ist, dass dierelativeEntwicklungderzehnbestenAktien eine starke positive Korrelation mit Anleihe- renditen aufweist und sich darüber hinaus im Gleichklang mit dem Aktienmarkt selbst bewegt. Dasbedeutet,dassderESGBasketäußerst zyklusabhängigistunddenMarkttendenziellin Phasen steigender Anleiherenditen und Aktien - kurseübertrifft. Andreas Bruckner, Sebastian Raedler Konzept 44 Konzept 44 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 2008 2010 2012 2014 2016 2018 EuroStoxx50 ESG Top Rated Basket vs. Stoxx 600 Durchschn. +/- Standardabweich. 12-Monats-Forward-KGV ESG-Aktien bereits teuer bewertet Quelle: Deutsche Bank EinBlickaufdieBewertungenzeigt,dass unserBasketmitESGTitelnbereitsteuerge - handeltwird.InRelationzudenUnternehmens- gewinnen liegen die Aktienkurse mehr als eine Standard abweichung über ihrem langfristigen Durchschnitt.IndenletztenzehnJahrenwurde einsolcherSpitzenwertnurviermalerreichtund konntejeweilsnurfüreinenkurzenZeitraumge - halten werden. GrundsowohlfürdieZyklizitätalsauchdie hohenBewertungeninunseremBasketderzehn ambestenbewertetenESGAktienistdieZusam- mensetzungderBranchen.Vierderzehnbesten TitelgehörenzurInvestitionsgüterbranche.Diese Brancheunterliegttraditionellstarkenzyklischen Schwankungen,gehörtaberzugleichauchzuden wenigeninEuropa,diekeinenoffenkundigenRi- sikenbezüglichder(Zer)StörungdesGeschäfts- modells(BusinessModelDisruption)ausgesetzt ist.ZwarwirddieInvestitionsgüterbrancheinden nächstenJahreneinigeUmwälzungendurch laufen,esdeutetsichjedochgrößtenteilsein brancheninterner Wandel an. In dieser Branche tätige Unternehmen investieren stark in Automa- tionundRobotik,EnergieeffizienzundBatterie- speicher(weitereAusführungenzuAutomation in der Investitionsgüterbranche und anderen ThemensieheKonzeptNr.13vonJuli2018).Es scheintnurwenigeWettbewerberaußerhalb diesesBereichszugeben,diesicheinenVor- sprung erarbeitet haben und solche Unternehmen vereinnahmen könnten. Für andere europäische Branchen sieht es hingegen nicht so rosig aus. Banken sehen 45 Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomischer Perspektive Konzept 46 (35%) (25%) (15%) (5%) 5% 15% 25% Juli 98 Juli 01 Juli 04 Juli 07 Juli 10 Juli 13 Juli 16 Aufschlag (Abschlag) 12-Monats-Forward-KGV für europäische Investitionsgüter vs. Markt 20-Jahres-Durchschn., +/- Standardabweich. Pharma Lebens- mittel- Einzel- handel Berg- bau Bau- mat. Haushalts- artikel & Körper- pflege- produkte Investi- tions- güter Ge- brauchs- güter Techno- logie Banken Ver- siche- rungen Immo- bilien Flug- gesell- schaf- ten Energie Ver- sorger Chemie Nahrungs- mittel & Getränke Tele- komm. Auto- mobil -1,5 -1,2 -0,9 -0,6 -0,3 0,0 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 Günstig Bewertungs-Scorecard für europäische Branchen (auf Basis von relativem KGV, KBV, Dividendenrendite & Shiller-KGV, rel. zu langfr. Durchschn.) Preisintensiv Investitionsgüter werden im oberen Bereich der Bewertungsskala gehandelt Bewertungs-Scorecard für europäische Aktien nach Branche Quelle: Deutsche Bank Quelle: Deutsche Bank sichzunehmendenHerausforderungendurch PayTechundFinTechStartupsgegenüber,und Autohersteller kämpfen um die Vorherrschaft in derFahrzeugelektrifizierungundbeiTechnolo- gienfürautonomesFahren.Gleichzeitigbefassen sich Energieunternehmen mit der Frage, welche Bedeutung neuen Dekarbonisierungsvorschriften fürdieBranchezukommt,undselbstTitelausder Lebensmittel- und Getränkebranche müssen sich mitderCraftBeerKonkurrenzmessenundsich ÄnderungeninderRegulierunganpassen.Den alteingesessenen Unternehmen in diesen Bran- chendrohtGefahrvonaußerhalbihrerdirekten Märkte, was sie bestenfalls die Marktführerschaft kosten oder aber vollständig neue Märkte mit neuenAkteurenschaffenkönnte. BiszueinemgewissenGradscheinen Aktienanalysten diese Entwicklungen bereits Konzept 46 Konzept 46 47 Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomischer Perspektive -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 2008 2010 2012 2014 2016 2018 PMI-Dynamik Eurozone (Veränd. 6 Mon. Neuaufträge gesamt) Prognose zur PMI-Dynamik Eurozone Europäische Investitionsgüter vs. Markt (Veränd. 6 Mon., inv., rechts) 12% 8% 4% 0% -4% -8% -12% ParalleleEntwicklungvonInvestitionsgüternundEinkaufsmanagerindizes (PMI) Quelle: Deutsche Bank zuberücksichtigen.IndenletztenzehnJahren nahm die Lebensmittel- und Getränkebranche dieSpitzenpositioninderMSCIKlassifizierung europäischer Wachstumstitel ein, die sie aber jüngstaufgrundzunehmenderRisikenfürihrGe- schäftsmodell abgeben musste. An ihre Stelle ist nun die Investitionsgüterbranche getreten. Seit Oktober 2015 liegt die Wertentwicklung in der Investitionsgüterbranche 25% über dem breiter gefassten europäischen Aktienmarkt. InfolgedessengehörtdieBrancheinzwi- schenzudendreiteuerstenaufunsererScore- card für europäische Branchen. Bei den beiden anderenBranchenhandeltessichumTechno- logieundLuxusgüter–beidenenauchkaumdas ernsthafte Risiko einer Geschäftsmodell-Disrup- tionzubestehenscheint.ImGegensatzdazuha- ben die beiden günstigsten Branchen, Automobil- herstellerundTelekommunikation,durchausmit ernstzunehmendenstrukturellenSchwierigkei- tenzukämpfen,wasaufAnlegerabschreckend gewirkt hat. DieZyklizitätunseresESGBasketerklärt sichausderTatsache,dassdieWertentwicklung inderInvestitionsgüterbrancheinRelationzum Markt normalerweise mit den Bewegungen der EinkaufsmanagerindizesinderEurozonegleich- läuft.Hinzukommt,dassdieBrancheihreUm- satzquellenindenletztenzehnJahrenzunehmend von Europa in Schwellenländer verlagert hat. Da- her korreliert die Branche auch immer stärker mit der Entwicklung chinesischer Einkaufsmanager- indizes.Andersausgedrückt:DieAktienkursevon Unternehmen aus der Investitionsgüterbranche werden in der Regel dann eine überdurchschnitt- liche Wertentwicklung aufweisen, wenn die Wachstumsdynamik sowohl in Europa als auch Chinazunimmt.BeischlechterenWerteninden Einkaufsmanagerindizeshingegenwirdhäufig eineUnderperformancezubeobachtensein. 47 EsistgenaudieseKorrelationzwischen zyklischenAktienundEinkaufsmanagerindizes, die uns das aktuelle Bewertungsniveau mit Sorge betrachten lässt. Wenn wir die Investitions- güterbrancheweiteralsRichtwertheranziehen, sozeigtdieAbbildung,dassdieBrancheüberihre historische Wachstumsrelation hinausgelaufen ist.FürdieEinkaufsmanagerindizeswirdzwar einAnstiegprognostiziert,aufBasishistorischer Beobachtungen müssten Investitionsgüter jedoch zuerstdiewirtschaftlicheAbschwächungüber dieletztensechsMonateeinpreisenundgegen- über dem Markt an Wert verlieren. Für eine überdurchschnittliche Wertent- wicklungzyklischerTitelgibtesverschiedene Gründe,vondenenzweivonbesondererBe- deutungsind.DerersteGrundbeziehtsichauf diebereitsausgeführtenstrukturellenVorzüge vonTitelnaussolchenBranchen,diesichins- besondereimVergleichzuandereneuropäischen Wirtschaftszweigenoffenbaren.Einzweiter GrundfürdasimmerstärkereAuseinanderklaffen zwischendenFundamentaldatenderBranche und ihrem Fair Value liegt darin, dass hier starke, nichtfinanzbezogeneIndikatorenvorliegen,was sich in unserem hohen ESG-Wert für die Branche widerspiegelt. Anlegern wird also allmählich die positive ESGBewertungsolcherTitelbewusst(siehe Leitartikel „Anlegen mit Alpha-Dig“, der sich mit derzeitlichenFehleinschätzungvonAnlegernim Hinblick auf die Auswirkungen von ESG-Ereignis- senbeschäftigt).Vielehabensichdaherindieses Segment vorgewagt. Manchermagzwarargumentieren,essei reinerZufall,dasseineBranchemithohenStan- dardsinBezugaufUmweltschutzundSoziales sowiegeringemDisruptionsrisikogleichzeitig zyklischist.AberdasBeispielanhandderInvesti- tionsgüterzeigt,dassmakroökonomischeSensi- tivität und Bewertungsfaktoren bei einer Anlage inTitelmithoherESGKonformitäterheblichen EinflussaufdieRenditehabenkönnen. Es lassen sich makroökonomische Fakto- renausmachen,dieinZukunftdenderzeitigen hohenBewertungenvonESGTitelnentgegen- wirken könnten. Wie bereits erläutert besteht ein ZusammenhangzwischenderWertentwicklung unsererzehnbestenESGTitelundderRendite- entwicklung bei Bundesanleihen. Die aktuelle Kombination aus Erholung der Einkaufsmanager- indizes,VerringerungderBilanzsummenbei denZentralbankenundsteigenderKerninflation deutet darauf hin, dass die Anleiherenditen weiter steigen werden. In diesem Fall dürften solche TitelweiterhineineüberdurchschnittlicheWert- entwicklungzeigen. DarüberhinauskönntendiebestenESGTitel von einer Belebung der Wachstumsdynamik im Euroraumprofitieren,dieAnfangnächstenJahres von verschiedenen Faktoren getragen werden dürfte, unter anderem einem schwächeren Euro, einer Lockerung der Kreditvergabebedingungen, einemgünstigerenLagerzyklusundderWachs- tumsdynamik in China aufgrund der jüngsten geldpolitischenLockerung.Zugleichmachendie- seZusammenhängesolcheTitelaufdielängere Frist anfällig, nämlich dann, wenn der Konjunktur- zyklusseinEndeerreicht.UmesaufdenPunkt zubringen:DieFaktoren,diedieEntwicklungder bestenESGTitelbestimmen,werdendurcheine größereBandbreitemakroökonomischerVaria blenbeeinflusst,alsmanaufdenerstenBlick meinen könnte. Andreas Bruckner ist Mitglied im European Equity Strategy-Team und Sebastian Raedler ist Leiter des Bereichs European Equity Strategy. Konzept 48 49 Indenletztenzehn Jahren nahm die Lebens mittel- und Getränkebranche die Spitzenpositioninder MSCIKlassifizierung europäischer Wachs- tumstitel ein, die sie aber jüngst aufgrund zunehmenderRisiken für ihr Geschäftsmodell abgeben musste. An ihre Stelle ist nun die Investitions güter- branche getreten. Aktien – ESG-Anlagen aus makroökonomischer Perspektive 49 Sahil Mahtani ZweiKlassenAktien– Milliardäre und ihre Thronfolger 51 ZweiKlassenAktien–MilliardäreundihreThronfolger Als Viacom 1990 seine Struktur mit ZweiKlassenAktienbeschloss,befand sich Sumner Redstone gerade auf gutemWeg,zueinemdergroßen HollywoodMoguleaufzusteigen.Nach einer feindlichen Übernahme drei Jahre zuvormachteerViacomzueinem Branchengiganten, der – auf seinem Höhepunkt – mit einem Vermögen von USD40Mrd.CBS,MTV,Showtime und Paramount Pictures verschlang. Die Aktionäre stimmten daher einer StrukturdesUnternehmenszu,die es Redstone ermöglichte, 80% der Stimmrechte des Unternehmens auf sichzuvereinen,obwohlernurknapp 10% des Aktienkapitals hielt. AchtundzwanzigJahrespäterhatdieserAufstiegeinEnde.Viacomleidetuntereinem Machtvakuum, während die Medienbranche einen rasanten Wandel durchläuft. Das Unter - nehmenliefertsicherbitterteKämpfemitseinemAblegerCBS.Einesistjedochganzklar:Die öffentlichenAnleger,dierund90%derViacomAktienhalten,habenkaumKontrolleüberdie Geschehnisse. ViacomisteinBeispieldesaströsenAusmaßesdafür,wasbeiZwei KlassenAktien schiefgehenkann,undzeigtdeutlichdiegrößtenProblemesolcherStrukturenauf.Wasinden Anfangstagen eines Unternehmens sinnvoll erscheint, kann sich in den kommenden Jahren als KlotzamBeinherausstellen.UmesmitdenWortenvonSECCommissionerRobertJ.Jackson Jr.auszudrücken:ZweiKlassenAktienverlangennichtnurdenfestenGlaubenderAnleger an die Vision des Firmengründers, sondern auch das Vertrauen in die Kinder dieses Firmen - gründers. Und die Kinder seiner Kinder. Und die Enkel seiner Kinder. (Von denen der eine oder anderewomöglichkeinVisionärist.) 1 Führt man sich das Risiko vor Augen, das eine Situation wie im Fall Viacom birgt, so stelltsichdieFrage,weshalbMehrklassenAktienüberhauptexistieren.Schließlichistesdoch selbstverständlich und nur fair, dass Anteilsinhaber, die Kapital in ein Unternehmen einbringen, auch ein gleichberechtigtes Mitspracherecht bei Angelegenheiten erhalten, die dieses Kapital betreffen. UnddochwirddasPrinzip„eineAktie–eineStimme“aufderganzenWeltinfragege - stellt.InEuropasiehtdas2014inFrankreicheingeführteFlorangeGesetzeineVerdopplungder StimmrechtefürAktionärevor,dieihreAnteileüberzweiJahrehalten,undschafftaufdiese Weisesogenannte„Treueaktien“.InItalienermöglichtesdieGesetzgebungUnternehmenwie CampariundAmplifon,bestimmtenAnteilsinhabernTreueaktienanzubieten.DieHongkonger Börse,dienochdamithadert,dassesihrnichtgelungenist,dieTechRiesenAlibaba,Baidu undanderechinesischeTechnologieunternehmenfüreineKotierungindemStadtstaatzube - geistern,hatschließlichindiesemJahrentschieden,als„innovativ“geltendeUnternehmenmit ZweiKlassenAktienStrukturamBörsenplatzHongkongzuzulassen. ImschlimmstenFallkönnenderartigeNovationenzueinem„Racetothebottom“,einer Abwärtsspirale mit immer niedrigeren Führungsstandards der Unternehmen, führen. Doch Be - fürwortervonZweiKlassenAktienbringenimWesentlichenzweiArgumentevor.Soargumen- tierenRisikokapitalgeber,dassZweiKlassenStrukturenfürStartupsaufgrundihrerAbhängig- keitvonHumanundFinanzkapitalinfrühenStadienihrerEntwicklungsinnvollseinkönnten. EineZweiKlassenStrukturermöglichtesdemUnternehmen,zuwachsenundgleichzeitigein kontinuierlichesManagementsicherzustellen.DieAlternativewäreeineweitereVerwässerung, die jedoch möglicherweise nicht im Interesse der Aktionäre ist, da dadurch die Verbindung des UnternehmerszumUnternehmengeschwächtwird.UndwennerfahreneAnlegerbereitsind, demUnternehmerunterdiesenBedingungenKapitalzurVerfügungzustellen,fragtmansich, wo das Problem liegt. DaszweiteArgumentkommtvonCorporateGovernanceExperten,denendiekurzfristige Ausrichtung des Aktienmarktes Sorgen bereitet. Sie unterstellen, dass Anleger im Falle von Meinungsverschiedenheiteneherdazuneigen,ihreAktienzuverkaufen,alsmitdemUnter - nehmenzusammenzuarbeiten.DiesschaffteinenAnreizfürGeschäftsführungsverantwortliche, ihrenFokusaufkurzfristigeGewinnezulegen,dieInvestitionsausgabenzusenken,verstärktauf GewinnmargenzusetzenundKapitaldurchRückkäufeundDividendenzurückzuführen.Wenn AnlegerfürihrEngagementmitTreueaktienbelohntwerden,könntediesAnreizfürgrößeres Engagementbieten.VerschiedeneprominentePersonenhabensichfürTreueaktienausge - sprochen: Vanguard-Gründer John Bogle, Dominic Barton, vormals Managing Director von McKinsey,undderehemaligeUSVizepräsidentAlGore. BeideArgumentesindnichtganzabzutun.WasdiekurzfristigeAusrichtunganbelangt,so gibtesBelegedafür,dassdieAbschirmungvonUnternehmengegendenDruckdesöffentli - chenMarktesinnovationsundinvestitionsförderndwirkenkann.EineStudiehatgezeigt,dass die Investitionsrate bei privaten Unternehmen fast doppelt so hoch ist wie bei börsennotierten Unternehmen(jährlich6,8%ggü.3,7%desGesamtvermögens). 2 Ferner wurde deutlich, dass UnternehmennachihrerNotierunganöffentlichenAktienmärktenimVergleichzuUnterneh - men,dieihrenIPOAntragzurückgezogenundaufeineBörsennotierungverzichtethaben,auf wenigerriskanteInnovationensetzen. 3 Konzept 52 WasdasArgumentbezüglichStart upsanbelangt,solässtderErfolgvielerTechnologie- firmendaraufschließen,dassZweiKlassenAktienStartupUnternehmenzumindestnicht systematischschaden.HierfürgibtesauchBeispieleaußerhalbdesSiliconValley.Sohaben inSchweden,wonahezudieHälftederbörsennotiertenUnternehmenDoppelstimmrechte eingeführthat,AktionärewieIndustrivärdenundInvestorABunverhältnismäßigmehrRechte zurErnennungnichtexekutiverVerwaltungsratsmitgliederundMitspracherechtbeischwa - cherLeistungderGeschäftsführungsverantwortlichen.InAnbetrachtderTatsache,dassder schwedischeAktienmarktregelmäßigzudenRenditeSpitzenreiternunterdenAktienmärkten weltweitzählt,scheintdiesdenUnternehmenauchnichtsystematischgeschadetzuhaben. UnddochdarfmannichtaußerAchtlassen,dassErfolgsbeispielenfüreinegutfunktionie - rendeZweiKlassenStrukturwieSquareundWorkdayimmerauchGegenbeispielewieGoPro oder Snap entgegenstehen, bei denen unfähige Manager, denen es nicht gelingen mag, positive Renditenzuerzielen,mitenormenBefugnissenausgestattetwurden.Beispielsweiseverzeichne - teSnapInc.seitseinerBörsennotierungimJahr2017,imZugedererdenneuenAnteilsinhabern desUnternehmenskeinerleiStimmrechteeingeräumtwurden,einenKursrutschum30%.Zudem habendieChefsvonSnapoffenbarstrategischeFehlentscheidungengetroffen,unddieöffentli - chenAnteilseignerdesUnternehmenssindaußerstande,dieseEntscheidungenumzustoßen. Die pragmatische Frage, die sich hier stellt, lautet: Was sagen empirische Studien über die AuswirkungvonZweiKlassenAktienaufdieGesamtentwicklung?EineumfassendeAnalyse empirischerStudienzuZweiKlassenAktienergabeinuneinheitlichesBild. 4 Sozeigeneinige Studien,dassUnternehmenmitZweiKlassenAktieneineetwasschlechtereWertentwicklung, einehöhereVergütungderUnternehmensführungundeinenwenigereffizientenEinsatzvon liquiden Mitteln aufweisen. Andere Studien, die die Performance derselben Unternehmen nach derUmstellungderAktienstrukturuntersuchen,belegenindes,dasseineZweiKlassenStruktur keine Auswirkungen auf die Entwicklung hat. FolglichistdieFrage,obZweiKlassenAktieninderGesamtundEinzelfallbetrachtungposi - tiv für die Aktienentwicklung sind oder nicht, noch nicht endgültig geklärt. Allerdings ist der Blick aufdieEntwicklungwomöglichnichtderrichtigeAnsatzpunkt.IneinerZeit,inderderFokusver - stärkt auf Unternehmensführung liegt, lautet die entscheidende Frage vielmehr, ob Mehr klassen- Aktienzulässigseinsolltenundfallsja,welcherFormderRegulierungsieunterliegensollten. HierfürgibtesdreivernünftigeLösungsvorschläge.VorallemsolltenZweiKlassenAktien mitunbegrenzterLaufzeitinderForm,inderessiebeiViacomgab,verbotensein.Esbesteht kein triftiger Grund dafür, die Befugnisse von Führungspersonen gleich welcher Ebene noch weiterzustärken.SECCommissionerJacksonhatestreffendformuliert:„EinProblemvon ZweiKlassenAktienmitunbegrenzterLaufzeitliegtdarin,dassfestaufihremStuhlsitzende Führungskräfte–undderenKindersowiedieKinderihrerKinder–aufdieseWeisefüralleZeit denDisziplinierungsmechanismendesMarktesentzogenwerden.Einfachausgedrückt:Von Anlegernzuverlangen,aufewigaufdiewohlwollendenAbsichtenderUnternehmensführung zuvertrauen,widersprichtunserenWertvorstellungenalsAmerikanern.“ 5 Andere Länder wer- dendieseAuffassungmöglicherweiseteilen. DiesesArgumentsprichtgegeneineallzunüchterne,technokratischeHerangehensweise anBeteiligungsverhältnissebetreffendeThemen.IneinerWelt,inderdiewachsendewirtschaft - licheUngleichheitdazugeführthat,dassdieBürgersichrundumdenGlobuszunehmendvon etabliertenParteienabwenden,lautetdieFrage,diemansichvorEinführungvonZweiKlas - senAktienwirklichstellensollte,womöglichnicht,obdadurchetwashöhereAktienkurseerzielt werden,sondernvielmehr,obdieSchaffungvonUnternehmenmiteinerinkeinerWeiserechen - schaftspflichtigenFührungmitdenGleichheitsprinzipieneinesaufumfassendeMitspracherechte ausgelegtenliberalendemokratischenSystemsvereinbarist.DieAntwortlautetganzklarNein. Doch um noch einmal auf die vorgenannte eng gefasste, technokratische Herangehens - weisezurückzukommen:EsgibtdurchausauchberechtigtebetrieblicheGründefüreineAb- lehnungvonZweiKlassenAktienmitunbegrenzterLaufzeit.UmesmitdenWortenvonLucian BebchukundKobeKastielauszudrücken:JeweiterwirunsvomZeitpunktdesBörsengangs entfernen,destogrößeristdasmitdiesenStrukturenverbundeneRisiko. 6 Es gibt Belege dafür, dassdieAktienvonUnternehmenmitZweiKlassenStrukturunmittelbarnachdemBörsengang mit einem Aufschlag gehandelt werden, dieser jedoch mit längerem Bestehen des Unterneh - mensschließlichverschwindet. 7 ZweiKlassenAktien–MilliardäreundihreThronfolger 53 Konzept 54 Gleichsamdeuteteinigesdaraufhin,dassjüngereUnternehmenmehrvonZweiKlas- senAktienprofitierenalsetablierteUnternehmen.EineStudiederColumbiaUniversityhat gezeigt,dassbeiKonzernenmitZweiKlassenAktienStrukturmitlängeremBesteheneinum 7%bis9%höhererRückgangvonTobinsQuotienten(VerhältniszwischendemMarktwertder VermögenswerteeinesUnternehmensundderengeschätztenWiederbeschaffungskosten)und gleichzeitigeineum6%bis7%höhereBewertungalszumZeitpunktihresEinstiegsamAktien - marktverzeichnetwird. 8 AustechnischerSichtgibtesvieleMöglichkeiten,denEinsatzvonZweiKlassenAktien mitunbegrenzterLaufzeitzubeschränken.BeispielsweisekönntendiedemFirmengründervor - behaltenenAktiennacheinerbestimmtenZeit(wiebeiYelp.com 9 )oderbeiRücktritt,Geschäfts unfähigkeit oder Ableben des Gründers (wie im Fall des chinesischen e-Commerce-Unter - nehmensJD.com)inreguläreStimmrechtsaktienumgewandeltwerden.Zudemkönntedie Übertragung dieser Aktien mit Beschränkungen belegt werden. Eventuell sollten Aktien mit Mehrfachstimmrechten in Papiere mit einem Stimmrecht pro Aktie umgewandelt werden, wenn dieTitelaufPersonenübergehen,dienichtmitdenursprünglichenInhabernverbundenbzw. verwandtsind(u.a.beiLinkedInundZynga). ZudemsolltebeiallenAktivitätenderGrundsatzderEinfachheitimVordergrundstehen. EinschwerwiegendesArgumentgegenStrukturenmitMehrklassenAktienistihreKomplexität. KomplexitätführtzuIntransparenz,waswiederumfüreinenVertrauensverlustsorgtunddenen zugutekommt,diedieGesetzegeschaffenhaben.BeiLetzterenhandeltessichhäufigumIn - sider.DieseArgumentationlässtdenSchlusszu,dassStrukturenmitZweiKlassenAktienfür bestimmteschnellwachsendeUnternehmenzwarerlaubt,jedochnichtalsStandardregelung vorgesehenseinsollten.IndenLändern,indenendieseStrukturenzulässigsind,solltensie transparent und einfach gestaltet sein. Fernerkönnteessinnvollsein,dieDiskrepanzzwischendenAktienklassenzuverringern, umeineübermäßigeMachtkonzentrationzuverhindern.BeispielsweisedarfinSingapurund SchwedenkeineAktieStimmrechtebeinhalten,diemehralsdemZehnfachenderStimmrechte anderer Aktien entsprechen. Damit sollen Situationen wie in den 1920er Jahren in Deutschland vermieden werden, wo es bei einigen Unternehmen Aktionäre mit über 1.000 oder gar 10.000 StimmenjeAnteilgab.DerDodgeBrothersProzessimJahr1925decktezudemauf,dassdie InvestmentbankDillon,Read&Co.trotzeinesKapitalanteilsvonwenigerals2%sämtliche Stimmrechte von Dodge hielt. DerDodgeBrothersProzesssolltedaranerinnern,dasssicheinesolcheGeschichtein heutigerZeitdurchauswiederholenkönnte.Inden1920erJahrensindvieleUSUnternehmen mitZweiKlassenAktienStrukturenandieBörsegegangen.NachderGroßenDepression führtedieNYSEden„eineAktie–eineStimme“Grundsatzein,derjahrzehntelangalsgoldene RegelandenWertpapiermärktengalt.NurmitBeginnderÜbernahmewelleimJahr1984setzte dieNYSEdieDurchsetzungihrer„eineAktie–eineStimme“Vorschriftaus.Diezunehmende SkepsisgegenüberStrukturenmitZweiKlassenAktienseitderletztenFinanzkriselässtdarauf schließen,dasswirerneutvoreinemgrundlegendenWandeldesregulatorischenUmfelds stehen. Sahil Mahtani ist Analyst im Thematic Research-Team. 1JacksonJr.,R.J.,„PerpetualDualClassStock:TheCaseAgainstCorporateRoyalty“,U.S.SecuritiesandExchangeCommission,15.Februar2018 2Asker,J.,FarreMensa,J.undLjungqvist,A.,„CorporateInvestmentandStockMarketListing:APuzzle?“,ReviewofFinancialStudies28(2), Februar 2015, S.342-390 3Bernstein,S.,„Doesgoingpublicaffectinnovation?“JournalofFinance,Volume70,Issue4,August2015,S.13651403 4Adams,R.undFerreira,D.,„OneShareOneVote:TheEmpiricalEvidence“,ReviewofFinance,Dezember2007,ECGI—FinanceWorkingPaper No.177/2007 5JacksonJr.,R.J.,„PerpetualDualClassStock:TheCaseAgainstCorporateRoyalty“,U.S.SecuritiesandExchangeCommission,15.Februar2018 6Bebchuk,L.undKastiel,K.,„TheUntenableCaseforPerpetualDualClassStock“,VirginiaLawReview,Volume103,Issue4.,Juni2017 7JacksonJr.,R.J.,„PerpetualDualClassStock:TheCaseAgainstCorporateRoyalty“,U.S.SecuritiesandExchangeCommission,15.Februar2018 8Kim.,H.undMichaely,R.,„Stickingaroundtoolong?Dynamicsofthebenefitsofdualclassstructures?“,ColumbiaLawSchoolBlueSkyBlog, April 2018 9 „Yelp announces conversion of Class A and Class B Common Stock into a Single Class of Common Stock“, Pressemitteilung, Yelp, 23. September 2016 10InstitutionalShareholderServices,Shearman&SterlingLPP,EuropeanCorporateGovernanceInstitute,„ReportontheProportionalityPrinciple in the European Union“, 2007. IRRCInstituteandInstitutionalShareholderServices,„ControlledCompaniesintheStandard&Poor’s1500:ATenYearPerformanceandRisk Review“, 2012. InstitutionalShareholderServices,„Analysis:DifferentiatedVotingRightsinEurope“,GovernanceInsights,Februar2015 11Dyck,A.undZingales,L.,„PrivateBeneftsofControl:AnInternationalComparison“,JournalofFinance,Vol.LIX,No.2,April2004,S.537600 Konzept 54 55 ZweiKlassenAktien–MilliardäreundihreThronfolger Die Frage, ob Mehrklassen-Aktien für eine überdurchschnittliche Wertent- wicklungsorgenoderdochzueinerunterdurchschnittlichenWertentwicklung führen,lässtsichausdreiGründenvermutlichnichtabschließendbeantworten. Erstens weisen alle empirischen Studien inhärente Endogenitätsprobleme auf. Dabei handelt es sich um die Befürchtung, dass eine unterdurchschnittliche Wert- entwicklungUnternehmendazuveranlassenkönnte,ZweiKlassenStrukturen einzuführenunddieseEntwicklungnichtausderEinführungeinerentsprechen- denStrukturresultiert.Oderandersausgedrückt:FührenZweiKlassenStrukturen zueinerUnderperformanceoderführenGeschäftsführungsverantwortliche,die nichtdiegewünschtenErgebnisseerzielen,ZweiKlassenStrukturenein,umsich selbstvorfeindlichenÜbernahmenzuschützen?DieAntwortaufdieseFrageistin erheblichemMaßeabhängigvondersubjektivenEinschätzungundführtunwei- gerlichzuweiterenDiskussionen. ZweitensistdieUnternehmensstrukturimmernureinervonvielenFaktoren, die bei der Ermittlung der Gründe für Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens eine Rolle spielen. Im Fall des bereits erwähnten Unternehmens Snap stellt sich dieFrage,obdieholprigePerformanceseitdemBörsengangdaraufzurückzu- führen war, dass die unfähigen Entscheidungsträger des Unternehmens aufgrund derUnternehmensstrukturnichtzurVerantwortunggezogenwurden,oderob dies einfach dem härteren Wettbewerb geschuldet war. Und auch bei Nike kann diegrößereErtragskraft,imVergleichzuAdidas,ebensodaraufzurückzuführen sein, dass das Unternehmen ein besseres Produkt verkauft und in geographischer Hinsichtbesseraufgestelltist,alsaufdieTatsache,dassNikeübereineZweiKlas- sen-Struktur verfügt, die dem Management mehr Befugnisse einräumt. Die wirk- licheKausalitätinBezugaufUnternehmensergebnissezuermitteln,istvielmehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Abschließendistfestzustellen,dasseineZweiKlassenStrukturnichtisoliert vonbestimmtenregulatorischenundrechtlichenZusammenhängenbetrachtet werdenkann.SosindZweiKlassenStrukturenindenUSAzwarzulässig, gleichzeitigwirdesAktionärendortaberauchermöglicht,Einzelklagenauf Schadenersatzeinzureichen.InHongkongoderSingapurwirdgrößererWertauf Vorschriften gelegt, die einen Kontrollmissbrauch schon im Vorfeld verhindern sollen; die Geltendmachung von Ansprüchen erfolgt in erster Linie über die Auf- sichtsbehörden und Sammelklagen sind nicht erlaubt. Demnach ist nicht ohne Weiteres feststellbar, ob eine überdurchschnittliche Wertentwicklung in den USA oderinHongkongaufdasBesteheneinerZweiKlassenStruktur,dierechtlichen RahmenbedingungenindemLandoderaufeinZusammenspielzwischenbeidem zurückzuführenist. Dieszeigtsichdarin,dassKontrollprämien,diealsIndikatorenfürdiemitder Kontrolle des Unternehmens einhergehenden persönlichen Vorteile gelten (und dieinLändernmitstärkeremAnlegerschutzundbesseremSteuervollzugsehrviel niedrigerausfallen),inFrankreichundindenUSAniedrigsind,unddas,obwohl esinFrankreichdeutlichmehrUnternehmenmitZweiKlassenStrukturgibtals indenUSA(54%ggü.0%bis10%). 10,11 Darausschließenwir,dassfürdieQuali- tät der Unternehmensführung weniger die Aktienstruktur ausschlaggebend ist, sondern es viel eher darauf ankommt, dass allgemeine rechtliche Rahmenbedin- gungenvorherrschen,indenenUnternehmenflorierenkönnenundMinderheits- aktionäre fair behandelt werden. Diesem Gedankengang folgend liegt der Schluss nahe, dass die gute Entwicklung schwedischer Unternehmen nicht in erster Linie ihrerZweiKlassenStrukturzuverdankenist,sondernderTatsache,dasssieder Kontrolle und Aufsicht von Schweden unterliegen, die für Fair Play bekannt sind undvonvernunftgesteuerterRegulierungprofitieren. Disclaimer OriginalveröffentlichunginenglischerSprache:4.Oktober2018. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle EinschätzungdesVerfasserswieder,dienichtnotwendigerweise derMeinungderDeutscheBankAGoderihrerassoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungenabweichen,dieinanderenvonderDeutsche BankveröffentlichtenDokumenten,einschließlichResearch Veröffentlichungen,vertretenwerden. DieDeutscheBankkanngeschäftlicheTransaktionenin Wertpapieren, als Eigenhandelsgeschäft oder für Kunden, durchführen, die nicht mit der in diesem Researchbericht dargestellten Sichtweise übereinstimmen. DasRisikovonVerlustenbeiTerminundOptionsgeschäften kannweitgehendsein.WegendeshohenAusmaßeseiner FremdmittelfinanzierungderTerminundOptionsgeschäftekönnen dieauflaufendenVerlustehöherseinalsdieursprünglichindie Geschäfte investierten Beträge. DievorstehendenAngabenwerdennurzuInformationszwecken undohnevertraglicheodersonstigeVerpflichtungzurVerfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit dervorstehendenAngabenoderEinschätzungenwirdkeine Gewähr übernommen. In den Vereinigten Staaten von Amerika wird dieser Researchbericht verantwortet und verbreitet von der Deutschen Bank Securities Inc., Mitglied der FINRA. 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In dieser Ausgabe untersuchen wir, wieBigDataAnlegerdabeiunterstützt,Informationen zudenThemenUmwelt,SozialesundUnternehmens- führungbesserfürsichzunutzen.Wirbesprechen,wie nichtfinanzbezogeneInformationendurchkünstliche IntelligenzundmaschinellesLernenerfasstwerdenund einezukunftsgerichteteAnalysederESGPositioneines Unternehmensermöglichen.Zudembetrachtenwir die Entwicklungen und neuen Herausforderungen am Markt für Green Bonds, beleuchten, wie Wirtschafts- prüfungen verbessert werden könnten, und befassen unsmitdenGovernanceProblemenimZusammen- hangmitZweiKlassenAktien.Undschließlichhoffen wir,dassdieseAusgabevonKonzeptdieGrenzen herkömmlichen ESG-Investings erweitern wird.